Digitale Fachkonferenz 2022

Gute KiTa der Zukunft gemeinsam gestalten

Am 11. Februar 2022 fand die inzwischen dritte Fachkonferenz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zum GUTE KITA GESETZ statt – Corona-bedingt auch diesmal wieder in digitaler Form. In dieser Runde ging es ganz besonders um den Blick nach vorn. Das dazu passende Motto lautete  „Gute KiTa der Zukunft gemeinsam gestalten“. Durch das Programm führte Anna Hoff.

Die Konferenz eröffnete Bundesfamilienministerin Anne Spiegel. Sie begrüßte die Teilnehmenden und betonte in ihrem Grußwort, wie wichtig Kitas für Kinder, aber auch die Gesellschaft sind. Außerdem nutzte sie die Gelegenheit, den Teilnehmenden über die Entwicklung der KiTa-Qualität und weitere Pläne für diese zu berichten. Das Gute-KiTa-Gesetz ist schließlich nicht das Ziel, sondern eine Etappe auf dem gemeinsamen Qualitätsentwicklungsprozess. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll der nächste große Schritt gemacht werden und gute Qualität für Kitas und Kindertagespflege mit bundeseinheitlichen Standards in einem eigenen Qualitätsgesetz festgeschrieben werden.

Im Anschluss wurde den Fachkräfte aus Kitas und Kindertagespflege ein abwechslungsreiches Programm geboten. Unter anderem konnten sie über verschiedene Qualitätsthemen diskutieren. Zuvor wurden die Ergebnisse des Monitorings des Gute-KiTa-Gesetzes vorgestellt und es kamen in drei Gesprächsrunden verschiedene Akteure – und damit auch verschiedene Perspektiven – aus dem Bereich Kindertagesbetreuung zu Wort.

Grußwort Anne Spiegel

[Bundesfamilienministerin Anne Spiegel spricht vor zwei Plakaten in die Kamera. Auf den zwei Plakaten sind Kinder zu sehen mit den Texten „Gut ist Kita, wenn alle Hand in Hand arbeiten“ und „Gut ist Kita, wenn sie großartige Fachkräfte hat“.]

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörende, liebe Frau Hoff, vielen Dank, dass Sie heute auch die Moderation machen. Ich möchte Sie alle ganz, ganz herzlich begrüßen zu unserer Konferenz. Gute-KiTa der Zukunft gemeinsam gestalten. Ich stehe hier im EUREF-Campus in Berlin, aber leider sind Sie hauptsächlich an den Bildschirmen zugeschaltet und ich kann Sie nicht persönlich sehen, denn wir wissen alle, leider macht es das Coronavirus nötig, aber es sollte uns nicht davon abhalten, dass wir dennoch heute den Blick Richtung Zukunft richten. Und dafür hätten wir auch keinen besseren Ort finden können als den EUREF-Campus. Denn hier am alten Berliner Gasometer werden innovative Projekte für die intelligente Stadt und die Energieversorgung von morgen vorangebracht. Das ist ein zentrales Thema für unser Land. Und das Gleiche gilt natürlich auch für die Kinderbetreuung. Denn es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft unserer Kinder und damit die Zukunft für uns als Gesellschaft insgesamt. Sie hängt sehr eng zusammen mit einer guten frühen Förderung und einer qualitativ hochwertigen Kindertagesbetreuung. Dafür steht das Ministerium mit dem Gute-KiTa-Gesetz und mit vielen weiteren Aktivitäten wie beispielsweise die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und auch „ProKindertagespflege“. Und dafür stehen vor allen Dingen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren und liebe Zugeschaltete. Denn Sie sorgen dafür, dass all das auch mit Leben gefüllt wird, tagtäglich vor Ort. Viele von Ihnen arbeiten sehr, sehr engagiert tagtäglich daran, ob in der Fortbildung, in der Fachpraxis, als Leitungsperson, als Erzieher oder Erzieherin, als Erziehungswissenschaftler:in, als Bürgermeister:in oder Landrat oder Landrätin. Und es ist gut, dass es Sie alle mit Ihrem Einsatz, mit Ihrem Engagement gibt. Und vielen Dank, dass heute auch so viele dabei sind. Wie wichtig eine gute Kita ist, das weiß jede Familie aus eigener Erfahrung. Ohne die Kita würde vor allem den Kindern unglaublich viel fehlen. Die Erfahrungen, die dort gemacht werden, das ist ein Schatz, den man das ganze Leben mit sich trägt. Und ohne die Kita würden wir unseren Familienalltag auch gar nicht auf die Reihe bekommen. Kita, das sind für mich vor allen Dingen Orte, an denen Kinder zusammenkommen können. Sie können wichtige Erfahrungen machen, sie können zusammen spielen, toben, streiten, lernen. Hier knüpfen sie erste Beziehungen außerhalb der Familie zu den Fachkräften, zu anderen Kindern. Hier lernen sie auch, sich mit den Wünschen anderer auseinanderzusetzen, Kompromisse zu schmieden, Rücksicht zu nehmen, Freunde zu finden, den Horizont zu erweitern. Sie lernen voneinander, miteinander und vor allem fürs Leben. Zugleich sind Kitas Stabilitätsanker im Leben unserer Kinder und Familien. Und das hat die Corona-Pandemie auch einmal mehr deutlich gemacht. Der Rat und das offene Ohr der Fachkräfte hat vielen in dieser schwierigen Zeit unglaublich geholfen. Sie haben Kindern Mut gemacht und Eltern gestärkt, als diese im Lockdown oder der Quarantäne weder ein noch aus wussten. Und für diesen großartigen Einsatz, den Sie insbesondere in Zeiten der Pandemie seit etwa zwei Jahren tagtäglich bringen. Es erfordert viel Kraft, viel Energie, viel Optimismus, auch viel Improvisationstalent und Geduld und Durchhaltevermögen. Aber für diesen Einsatz möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken. Denn wir wissen – ich weiß – was Sie jeden Tag leisten. Und lassen Sie mich hinzufügen: Es war mir ein besonderes Anliegen, als ich im Dezember Bundesfamilienministerin wurde, in dieser Pandemie den Blick auf die Kinder, auf die Familien, auf die Kitas und Schulen zu richten und dafür zu sorgen, dass wir stärker auch den Blick darauf in den Fokus nehmen. Ich finde es richtig, dass wir die Kitas offen halten, denn sie sind nun mal ein so wichtiger Anker der Stabilität und Kontinuität für unsere Kleinsten. Hier werden so unschätzbar wichtige Erfahrungen gemacht und hier sollte der Alltag auch nicht durcheinandergewirbelt werden. Aber ich weiß auch, dass das ein schwieriger Spagat ist. Die Entwicklung der Infektionszahlen ist besorgniserregend und deshalb ist es gleichzeitig richtig, dass wir alles daransetzen, für Sicherheit, auch die Sicherheit Ihrer Gesundheit tagtäglich in den Kitas zu sorgen. Und deshalb halte ich es auch für richtig, dass es Teststrategien gibt, dass es kindgerechte Teststrategien gibt, beispielsweise die Lolli-Tests. Und ich möchte auch sagen, dass es wichtig ist, dass sich Erwachsene impfen lassen. Ja, um auch das System Familie und um auch Kitas und Schulen zu schützen. Gleichzeitig ist es mir wichtig zu betonen: Kinder sind eben nicht die Treiberinnen und Treiber der Infektion. Und deshalb ist es richtig, dass wir die Kitas auch offen lassen. Die Quarantäne und teilweise auch die Ketten-Quarantäne: Mir ist bewusst, dass das eine wahnsinnig zermürbende Zeit ist für Sie in den Kitas, die Sie dort tagtäglich vor Ort sind und arbeiten, aber auch für die Familien. Und meine Hoffnung ist – ich möchte nichts schönreden – aber meine Hoffnung ist, dass in zwei bis drei Wochen die Infektionszahlen auch wieder runtergehen werden und wir dann auch wieder etwas unbeschwerter in unser aller Alltag durchstarten können. Wir sind auch mit der Corona-Kita-Studie und dem Corona-KiTa-Rat an Ihrer Seite, um Sie in der Pandemie bestmöglich zu unterstützen. Und deshalb wollen wir auch die Qualität in den Kitas verbessern zum Wohl der Kinder und für Sie, unsere Fachkräfte. Denn zur Qualität gehören auch Zeit für jedes Kind, gut ausgestattete Räume. Es heißt nicht umsonst, dass der Raum letztlich ein weiterer wichtiger Faktor ist in der Pädagogik. Ausreichend Zeit für Fortbildungen, Leitungsaufgaben und vieles mehr. Alles Dinge, die Ihren Beruf attraktiver und Ihre Arbeit leichter machen. Und genau dafür haben wir mit dem Gute-KiTa-Gesetz zunächst bis Ende dieses Jahres insgesamt 5,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Aus dem Monitoring zum Gesetz wissen wir, dass sich seit 2019 unglaublich viel bewegt hat. Über 1.100 praxisintegrierte Ausbildungsplätze wurden in den Ländern geschaffen. Für 1.600 Auszubildende konnte die Praxisanleitung in der Kita verbessert werden. Und außerdem profitieren etwa 7.000 Kita-Leitungen von Maßnahmen des Gute-KiTa-Gesetzes zum Beispiel durch mehr Zeit für Leitungsaufgaben. Auch ein sehr wichtiger Punkt. Und Frau Dr. Kuger wird uns die Details im Anschluss noch genauer vorstellen. Auch der kürzlich veröffentlichte zweite Gute-KiTa-Bericht zeigt: In vielen Qualitätsbereichen sind wir in Kitas und Kindertagespflege vorangekommen, unter anderem beim Personalschlüssel und der Fachkräftegewinnung. Und es profitieren dadurch immer mehr Familien von Kosten, auch von kostenfreien Kitaplätzen. Das sind viele gute Nachrichten, aber ich möchte auch etwas Wasser in den Wein gießen. Denn klar ist auch: Trotz aller Fortschritte gibt es immer noch jede Menge zu tun. Dessen sind wir uns bewusst. Und es gibt weiterhin große Unterschiede auch zwischen den einzelnen Ländern, zum Beispiel beim Personalschlüssel oder auch bei den Gebühren. Es haben aber alle Kinder ein Recht auf frühe Förderung und ein gutes Aufwachsen. Und das bedeutet auch: Wir brauchen überall ein vergleichbar gutes, qualitativ hochwertiges und bezahlbares Betreuungsangebot. Daher freut es mich umso mehr, dass wir in der Ampel genau das in den Blick nehmen mit dem Koalitionsvertrag. Wir wollen in einem ersten Schritt das Gute-KiTa-Gesetz auf Basis der Ergebnisse von Monitoring und Evaluation fortentwickeln, damit es über 2022 hinaus wirken kann. Die Arbeiten dafür laufen bereits und wir wollen bis zum Ende der Legislaturperiode den nächsten großen Schritt gehen und gute Qualität für Kitas und Kindertagespflege mit bundeseinheitlichen Standards in einem eigenen Qualitätsgesetz festschreiben. Das können und das wollen wir nicht im Alleingang tun. Das wollen wir gemeinsam anpacken mit den Ländern, mit den Kommunen, mit den Fachverbänden, mit den Eltern, Verbänden und der Wissenschaft und natürlich auch mit Ihnen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörende, ein solches Gesetz wäre der nächste große Schritt, um die Kitas in ganz Deutschland gut aufzustellen und einen Weg zu Ende zu bringen, den wir gemeinsam 2014 mit dem Qualitätsentwicklungsprozess und der damaligen AG „Frühe Bildung“ aus Bund, Ländern und Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden in Angriff genommen haben. Viele von Ihnen waren damals schon dabei. Alle Beteiligten wussten damals: Das wird ein langer Weg – ein Weg, auf dem es auch das eine oder andere Schlagloch geben wird, einen Umweg zu nehmen ist und man manchmal auch das eine oder andere kurze Gewitter aushalten muss. Aber wir haben trotzdem die Wanderschuhe geschnürt und sind losgelaufen und wir haben schon viel erreicht. Der Qualitätsprozess mündete in das Gute-KiTa-Gesetz und jetzt gilt es zusammenzubleiben, entschlossen und entschieden, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Warum? Für eine gute Betreuungsqualität, von der alle Kinder profitieren, von Aachen bis Görlitz, von Flensburg bis Rosenheim. Damit die Kinder sich in ihren Kitas wohlfühlen. Damit Sie sich in den Kitas wohlfühlen. Und die Eltern wissen: Sie können mit gutem Gewissen die Kinder dorthin geben, weil sie wissen: Das ist sehr, sehr gut für mein Kind. Es wird gefördert, es hat eine wunderbare Zeit, es macht tolle Erfahrungen. So ist es auch bei meinen Kindern immer gewesen und bei vielen anderen Kindern. Und das wünsche ich allen Familien. Daher bitte ich Sie: Bringen Sie sich mit Ihrer Kraft, mit Ihrer Expertise weiter ein, damit alle Kinder gut aufwachsen und ihren Weg gehen können. Lassen Sie uns gemeinsam Zukunft gestalten. In diesem Sinne danke ich Ihnen allen, die sich in dieser Fachkonferenz einbringen. Ich wünsche Ihnen anregende, inspirierende, erweiternde Diskussionen und vor allen Dingen gute Ergebnisse. Vielen Dank und bleiben Sie gesund!

Vorstellung der Ergebnisse des Monitorings zum Gute-KiTa-Gesetz

Im Dezember 2021 ist der zweite Gute-KiTa-Bericht erschienen. Er beschreibt zum zweiten Mal die bundesweite Situation bei der Qualität und der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. Er fokussiert auch auf die Handlungsfelder des Gute-KiTa-Gesetzes, denen sich die Bundesländer in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlichen Zusammensetzungen widmen.

Dr. Susanne Kuger stellte den Teilnehmenden die Ergebnisse des Monitoring-Berichts vor und ging dabei auch auf Fragen aus dem Publikum ein. Frau Dr. Kunger ist Herausgeberin, Mitherausgeberin des Monitoring-Berichts. Sie leitet die Abteilung Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden am Deutschen Jugendinstitut in München.

Monitoring

Anna Hoff

Nun gehen wir weiter und widmen uns ganz konkret dem Gesetz und dem Monitoring-Bericht. Das Gute-KiTa-Gesetz sieht ein regelmäßiges Monitoring vor, also eine Art Beobachtung in der Kita-Landschaft. Und im Dezember 2021 ist der zweite Gute-KiTa-Bericht erschienen. Er beschreibt zum zweiten Mal die bundesweite Situation bei der Qualität und der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. Zudem gibt er einen guten Überblick über die Handlungsfelder, auf die sich die einzelnen Bundesländer im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes fokussieren. Dr. Susanne Kuger wird nun diesen Monitoring-Bericht vorstellen. Sie ist Diplom-Psychologin und Privatdozenten und sie leitet die Abteilung Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden am Deutschen Jugendinstitut in München. Schön, dass Sie da sind, Frau Dr. Kuger. Sie sind auch Herausgeberin, Mitherausgeberin des Monitoring-Berichts und stellen uns nun die zentralen Ergebnisse vor. Wie gesagt, Sie können, wenn Sie Zugang haben, rechts neben sich gerne, wenn Sie Fragen haben zum Bericht, diese eingeben und ich hoffe, dass wir die an der einen oder anderen Stelle dann im Nachgang beantworten können. Ich habe leider gerade technisch noch keinen Zugriff auf diese Fragen, aber wir arbeiten dran. Und jetzt gebe ich erst mal das Wort an Sie, Frau Dr. Kuger, und freue mich, dass Sie da sind.

Dr. Susanne Kuger

Ja, herzlichen Dank für die Anmoderation. Herzlichen Dank auch, dass ich heute hier präsentieren darf. Sie haben es schon erwähnt, ich habe einige Ergebnisse zu dem Monitoring zum Gute-KiTa-Gesetz dabei.

[Präsentation wird eingeblendet. Als Titel ist „Ausgewählte Ergebnisse aus dem Monitoring zum Gute-KiTa-Gesetz“ zu lesen. Oben sind folgende Logos zu sehen: „Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“, „Deutsches Jugendinstitut“, „Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut Technische Universität Dortmund“ und „ERiK“]

Dr. Susanne Kuger

Dazu muss ich erst vorneweg schicken, dass ich jetzt hier als Präsentierende stehe, das aber wirklich stellvertretend tue für eine größere Gruppe. Sie haben schon gesagt, ich bin Herausgeberin, Mitherausgeberin des Forschungsberichts, der hinter dem Monitoring-Bericht steht. Dieser Bericht wird erarbeitet vom ERiK-Projekt. Das sehen Sie hier oben rechts auf der Folie, unser Logo. Hinter dem ERiK-Projekt steckt eine größere Gruppe Kolleginnen und Kollegen bei uns am Deutschen Jugendinstitut in München sowie an der TU Dortmund, der Universität Dortmund. Eine Gruppe von circa 20 Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam diesen Bericht erarbeiten. Unser Projekt ist das Monitoring-Projekt zum Gute-KiTa-Gesetz. Ich habe ausgewählte Befunde dabei. Der Bericht ist deutlich länger. Und was ganz zu Beginn dieses Prozesses stand, war zunächst erst mal einmal die Überlegung: Wo muss ich denn im System überhaupt hinschauen, wenn wir uns Ergebnisse des Gute-KiTa-Gesetzes anschauen wollen? Das heißt, die Frage lautete: Das Gute-KiTa-Gesetz, Frau Spiegel hat es gerade erwähnt, investiert 5,5 Milliarden Euro in das System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Und das System ist komplex.

[Es wird eine neue Präsentationsfolie eingeblendet. Als Titel ist „Monitoringkonzept“ zu lesen. In einer Übersicht stehen auf der Kopfzeile die Oberbegriffe „Kontext“, „Input“, „Prozess“ und „Ergebnis und Wirkung“, wobei letzterer unterteilt ist in „Output“ und „Outcome“. Unter diesen Oberbegriffen sind Prozesse und Rahmenbedingungen auf den Ebenen „Mikro“, „Makro“ und „Meso“ abgebildet.]

Dr. Susanne Kuger

Viele Personen, viele Stellen, viele Gruppen sind beteiligt und genauso komplex muss das Monitoring-Konzept sein. Wir beziehen uns also auf eine relativ komplexe Situation und versuchen, alle Ebenen, alle Merkmale, die möglicherweise relevant sein könnten, für die Gute-KiTa mit in Betracht zu ziehen. Das Ganze haben wir versucht schematisch aufzuzeigen in einem Schaubild, das ich Ihnen hier gerade zeige, und ich möchte ausreichend Zeit für Diskussion am Ende lassen, weswegen ich nur kurz darauf eingehe und skizziere, was wir alles in unsere Betrachtungen einbeziehen. Wir haben auf der ersten Ebene hier drüben ganz links angezeigt, dass wir über verschiedene Systemebenen sprechen wollen. Wir betrachten den Bund und die Länder, innerhalb derer dann örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, öffentliche und freie Träger an der Steuerung beteiligt sind, am Angebot beteiligt sind. Das Ganze wird realisiert im Alltag, in den jeweiligen Einrichtungen, in den Kindertagespflegestellen und geht aber tatsächlich bis ins Detail, bis auf die Mikroebene runter in die alltägliche Arbeit mit den Kindern. All diese Ebenen sind wichtig in unserer Betrachtung, werden mit einbezogen. Und innerhalb dieser Ebenen gibt es verschiedene Merkmalsgruppen, die wir betrachten. Ich möchte das hier unten kurz illustrieren. Das heißt, wir schauen uns Strukturen an, Rahmenbedingungen der Arbeit sozusagen, Hintergrundmerkmale der Arbeit. Wir schauen uns aber auch an, welche Orientierungen, welche Wertesysteme auf den jeweiligen Ebenen für das tägliche Handeln, das tägliche Tun relevant sind. Und wir schauen uns an, welche Prozesse, welche Interaktionen stattfinden. Diese Ebenen – das ist uns allen bewusst – hängen miteinander zusammen. Also eine Entscheidung, die auf Bund und Länderebene geschieht, hat Auswirkungen auf die Träger, hat auch Auswirkungen auf die Einrichtungen und damit auch auf das tägliche Tun im Alltag mit dem Kind. Und all diese Faktoren wirken zusammen auf das gemeinsame Ergebnis, nämlich das, was wir Output / Outcomes im System nennen. Das heißt, wir sprechen von Zugangsmöglichkeiten, von Teilhabechancen, von pädagogischem Personal, welches qualifiziert ist, welches eine Weiterentwicklung durchläuft. Wir sprechen von Outcomes für Familien, zum Beispiel deren Zufriedenheit mit dem System, deren Möglichkeiten, in die Erwerbstätigkeit zurückzukehren. Wir sprechen aber auch und vor allem von der Entwicklung und dem Wohlbefinden der Kinder selbst. Sie sehen, es ist komplex, alle Merkmale zu systematisieren, in ein großes Schaubild oder in ein großes System des Monitorings einzubeziehen. Und dementsprechend können wir das auch nicht einfach mit schon vorhandenen Daten tun. Wir haben die amtliche Kinder- und Jugendhilfe-Statistik, die uns schon relativ gute Einblicke ermöglicht, um empirisch zu beobachten, wie das sich System über die Zeit entwickelt, wie sich Qualität in den Einrichtungen, bei den Trägern, bei den Jugendämtern, auf Landes- und auf Bundesebene darstellt. Allerdings reichen diese Daten nicht alleine, weswegen wir ein umfassendes Befragungsprogramm aufgezogen haben, welches 2020 das erste Mal ins Feld gegangen ist. Und wir versuchen tatsächlich, möglichst viele der beteiligten Personen direkt unmittelbar selbst zu befragen und ihre Sicht auf das Feld einzufangen.

[Eine neue Präsentationsfolie wird eingeblendet. Als Titel ist „Erhebungsprogramm“ zu lesen. In einer Matrix-Tabelle mit farbigen Zeilen sind links elf Bereiche und oben im Tabellenkopf acht Datenarten zu lesen, die im Folgenden näher beschrieben werden. Die farbigen Zeilen werden in der Legende als „Inhalte werden aus der Praxis erhoben“, „Erhebungen ausgewählter Inhalte“ und „Keine Inhalte erhoben“ konkretisiert.]

Dr. Susanne Kuger

Das heißt, wir haben ein relativ komplexes Erhebungsprogramm aufgesetzt und haben hier auf der linken Seite angetragen die elf Bereiche, in denen das Gute-KiTa-Gesetz Schwerpunkte in der Qualitätsentwicklung gesetzt hatte. Darunter gehört das bedarfsgerechte Angebot, der Fachkraft-Kind-Schlüssel, die qualifizierten Fachkräfte, die Stärkung der Leitung, die räumliche Gestaltung, die Entwicklungsförderung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung, die sprachliche Bildung, die Kindertagespflege, die Steuerung im System, inhaltliche Herausforderungen und schließlich auch die Entlastung der Eltern von Elternbeiträgen. Um diese Bereiche alle gut abzudecken und mit empirischen Daten zu untermauern, greifen wir auf verschiedene Datenarten zurück. Das sind zum einen die amtlichen Daten der Kinder- und Jugendhilfe-Statistik, aber auch anderer Statistiken. Und wir haben zusätzlich eine Reihe von Befragungsstudien gestartet, die befragen Personen in Jugendämtern, Träger, Leitungskräfte in Einrichtungen für die Betreuung von Kindern von 0 bis zum Schuleintritt, das pädagogische Personal dort, Kindertagespflegestellen und dort tätige Personen. Wir befragen aber auch Eltern. Und schließlich und letztendlich wollen wir in diesem Jahr auch erstmalig die Kinder selbst befragen. Das heißt 4- bis 6-jährige nach ihrer Sicht auf Kita. Die bunt gefärbten Felder in dieser Tabelle zeigen, dass man von den verschiedenen Quellen unterschiedlich gut Informationen zu den verschiedenen Themen erfassen kann. So fragen wir zum Beispiel zur Steuerung im System natürlich die Jugendämter und die Träger. Und wir fragen auch, wie das bei den pädagogisch tätigen Personen tatsächlich ankommt. Kinder können dazu schlechter Auskunft geben, deswegen spielt das in dieser Befragung keine Rolle. Ganz anders ist es zum Beispiel beim Fachkraft-Kind-Schlüssel. Hier können Kinder durchaus Auskunft dazu geben, wie gut die Erzieherin, die Fachkraft, die Tagespflegeperson für sie erreichbar ist, wie gut die Interaktionen sind. Deswegen werden Kinder dazu befragt, aber eben auch andere Personen oder in anderen Surveys gibt es dazu entsprechende Fragen. Aus diesen komplexen Befragungsprogrammen habe ich heute ausgewählte Ergebnisse dabei. Das sind alles jeweils nur so kleine, ich würde mal sagen Appetithäppchen, um Ihnen so ein bisschen zu zeigen, in welche Richtung die ersten Befunde gehen, die wir haben. Heute Nachmittag in den vertiefenden Workshops sind die Kolleginnen und Kollegen, deren Ergebnisse ich jetzt präsentiere, zum Teil mit anwesend, sind mit dabei, können vielleicht auch noch mal Detailnachfragen zu den Statistiken dahinter beantworten, insofern ich das zumindest nicht leisten kann und gehen auch weiter auf die Ergebnisse ein und können die weiter elaborieren. Ich habe zu sechs Handlungsfeldern Ergebnisse ausgewählt. Zum einen, weil es unserer Ansicht nach tatsächlich prägnante Ergebnisse sind, wichtige Ergebnisse sind – auch solche, die häufig diskutiert werden im öffentlichen Diskurs. Zum anderen, weil diese Handlungsfelder von sehr vielen Ländern gewählt wurden. Dort ist viel Geld investiert worden in den letzten Jahren.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Bedarfsgerechtes Angebot“ wird eingeblendet. Als Untertitel ist „Bedarf und Nutzung von Ganztagsplätzen U3“ zu lesen. Unter den Feldern „Niveauunterschied“ und „Lückengröße“ stehen unterschiedliche Ausprägungen in den Bundesländern. In einem Baumdiagramm mit dem Titel „Ganztagsbedarf und -nutzung“ sind die prozentualen Unterschiede zwischen dem Bedarf der Eltern und tatsächlicher Nutzung in den jeweiligen Bundesländern grafisch dargestellt.]

Dr. Susanne Kuger

Ich komme damit zu dem ersten Befund, den ich Ihnen zeigen wollte, und der bezieht sich auf das erste Handlungsfeld, Handlungsfeld 1, das bedarfsgerechte Angebot. Und ausgewählt habe ich die Kennzahl: Bedarf und Nutzung von Ganztagsplätzen. Hier jetzt einmal exemplarisch dargestellt für die Ganztagsplätze für Kinder von 0 bis inklusive 2 Jahren, also U3 ist das in unserer Abkürzung gedacht. Und was Sie auf der rechten Seite sehen, ist sowohl die Nutzung von Ganztagsplätzen, aber auch der Elternbedarf an einem Ganztagsplatz. Da kann durchaus eine Diskrepanz bestehen. Und wie Sie an der Grafik sehen, bestehen auch leichte Diskrepanzen zwischen diesen beiden Kennzahlen. Man kann sie gegeneinanderhalten. Und wenn man so eine Grafik sieht – jedes Bundesland getrennt – dann habe ich mal versucht, die Kernbotschaften herauszuarbeiten. Sie sehen zunächst, dass wir im Prinzip zwei große Gruppen haben. Ein Niveauunterschied im Bedarf an Ganztagsplätzen und in der Nutzung an Ganztagsplätzen. Das sind mit relativ hohen Bedarfs- und Nutzungsquoten die ostdeutschen Bundesländer – hier oben angetragen Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Und das sind eine zweite Gruppe von Bundesländern. Das sind eher die westlichen Bundesländer, die ungefähr einen Bedarf bei circa einem Drittel und auch eine Nutzung bei circa einem Drittel der Eltern haben. Ein bisschen eine Sonderstellung nimmt da Berlin ein, welches tatsächlich einen Ganztagsbedarf und eine Nutzungsquote von circa 50 Prozent aufweist. Was weiterhin interessant ist an dieser Grafik, ist, dass wir verschiedene Lückengrößen haben. Ich habe das versucht, durch mehr oder weniger gefüllte Bullet-Points darzustellen. Wir haben eine Dreiteilung der Bundesländer hier sozusagen. Das heißt, wir haben Bundesländer, in denen die Lücke noch etwas größer ist, wie etwa in Bremen oder in Hessen ist das ganz gut zu sehen, auch Nordrheinwestfalen und Rheinland-Pfalz. Dort haben wir doch eine deutliche Übersteigerung des Bedarfs der Eltern im Verhältnis zur Nutzung. Das heißt, deutlich mehr Eltern äußern einen Bedarf nach einem Ganztagsplatz, als sie ihn tatsächlich nutzen können. Also eine sogenannte Unterdeckung oder auch eine Lücke zwischen Bedarf und Nutzung. Es gibt Bundesländer mit etwas kleineren Lücken. Darunter fällt zum Beispiel Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, aber auch Brandenburg oder Baden-Württemberg. Und dann haben wir Bundesländer, da ist der Bedarf an Ganztagsplätzen im U3-Bereich nahezu gedeckt. Das sehen Sie zum Beispiel hier in Thüringen, in Sachsen-Anhalt, in Sachsen, aber auch in Hamburg, in Berlin und in Bayern. So viel vielleicht vorneweg, damit Sie auch ein bisschen verstehen, mit welcher Systematik wir an diese deskriptiven Statistiken herangehen. Sie bekommen im Nachgang die Folien, die sind runterladbar auf der Homepage. Von daher würde ich jetzt versuchen, die nächsten Folien ein bisschen kompakter durchzuarbeiten, sodass trotzdem die großen Botschaften ankommen. Sie können sich aber natürlich im Nachgang die Grafiken noch mal im Detail anschauen und vielleicht noch mal nachvollziehen, wo welche Unterschiede vorhanden sind. Vielleicht auch noch mal neue Ergebnisse finden, die ich jetzt nicht so stark hervorhebe.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Fachkraft-Kind-Schlüssel“ wird eingeblendet. Als Untertitel ist „Ländervergleich U3 und 3 Jahre bis Schuleintritt“ zu lesen. Neben zwei Feldern zu „Altersangepasst“ und „Ländergruppierungen“ sind zwei Balkendiagramme. Beide zeigen Bundesländervergleiche, eins zu „Kinder unter 3 Jahren“ und das andere Diagramm zu „Kinder 3 Jahre bis Schuleintritt“.]

Dr. Susanne Kuger

Das zweite Handlungsfeld, für die ich ein Ergebnis dabeihabe, ist der Fachkraft-Kind-Schlüssel. Eine Statistik, die doch relativ stark diskutiert wird, die auch sehr interessant ist, auch für uns. Ich habe vergleichend dabei beide Altersgruppen, das heißt, in der oberen Grafik sehen Sie den Fachkraft-Kind-Schlüssel für Kinder unter 13 Jahren und in der unteren Grafik sehen Sie eingetragen für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt. Was man zuerst sieht, ist der absolute Niveau-Unterschied. Der dürfte allen in der Praxis Tätigen bekannt sein. Wir haben also einen altersangepassten Schlüssel. Für die Kinder unter drei Jahren liegt der deutlich niedriger mit 3,8 Kindern pro Fachkraft. Im Verhältnis zu der älteren Gruppe mit 8,1 Kindern pro Fachkraft im Bundesdurchschnitt. Und was wir weiterhin sehen, ist, dass in beiden Altersbereich jeweils zwei Ländergruppen wieder existieren. Das heißt, wir haben wieder ein Split in Bundesländer, die ein etwas niedrigeres Niveau aufweisen, ein etwas höheres Niveau aufweisen. Die Bundesländer mit niedrigerem Niveau sehen Sie hier oben, eingekreist jetzt durch diesen Kasten. Und es ist doch relativ disparat, wir haben relativ große Unterschiede zu der zweiten Gruppe der Länder mit dem etwas höheren Schlüssel angetragen. Den deutlich den deutlich höchsten Wert hat jetzt hier Mecklenburg-Vorpommern, die noch mal aus dieser zweiten Gruppe oben sogar herausragen. Interessanterweise – und das macht auch den Unterschied zwischen dem Monitoring und der Evaluation aus – was wir auf diesen ersten Blick mal nur feststellen, ist, dass wenn wir uns anschauen, welche Bundesländer dann den Fachkraft-Kind-Schlüssel als eines ihrer präferierten Handlungsfelder gewählt haben, das heißt, welche Bundesländer Mittel investiert haben, dann gibt es da zunächst erst mal keinen Hinweis darauf, dass das eine bestimmte Gruppe ist, die eine bestimmte Schlüsselart aufweisen.

[In der bestehenden Präsentationsfolie erscheinen an den Balkendiagrammen an einigen Bundesländern runde Kreismarkierungen. Auf diese Weise sind in beiden Balkendiagrammen Thüringen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Bremen und Brandenburg gekennzeichnet]

Dr. Susanne Kuger

Das heißt, die Bundesländer haben jeweils für sich gewählt, in welche Handlungsfelder sie die Gelder investieren wollen. Das hängt aber nicht unmittelbar auf den ersten Blick zusammen mit dem Ist-Zustand derzeit. Was wir allerdings auch sehen können, ist – da kommt uns zugute, dass diese Statistik aus der Kinder- und Jugendhilfe-Statistik kommt, die jährlich erhoben wird und das schon seit einigen Jahren – dass wir zwischen 2019 und 2020, also den ersten beiden Jahren, in denen das Gute-KiTa-Gesetz gegriffen hat, in fast allen Bundesländern eine Verbesserung des Schlüssels haben. Die ist gering. Das ist der Wert von 0,1 Kind pro Fachkraft. Von daher ist die Bewegung zunächst erst einmal klein. Aber sowohl im Bundesmittel als auch in den meisten Bundesländern ergibt sich tatsächlich sowohl für die kleineren Kindern als auch für die älteren ein besserer Fachkraft-Kind-Schlüssel. Und wir sind gespannt, was die Daten der nächsten Jahre zeigen, ob sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Qualifizierte Fachkräfte“ wird eingeblendet. Als Untertitel ist „Qualifikation und Leitungshandeln zur Personalbindung“ zu lesen. In einem Feld „Qualifikationsstruktur“ sind prozentuale Unterschiede in den Hochschulabschlüssen einzelner Bundesländer zu lesen.]

Dr. Susanne Kuger

Das dritte Handlungsfeld ist das, bei dem die qualifizierten Fachkräfte genauer betrachtet werden oder auch gefördert werden. Und unter die qualifizierten Fachkräfte fällt ja ein ganzes Konglomerat von Merkmalen. Zum einen tatsächlich deren Qualifikation, Fort- und Weiterbildung, aber auch das Leitungshandeln zur Personalbindung und zur Personalentwicklung. Und ich habe Ihnen aus dem Monitoring-Bericht jetzt erst mal die deskriptive Statistik mitgebracht, wie denn die Qualifikationsstruktur aussieht. Die ist weiterhin stark geprägt von Fachkräften mit einem Fachschulabschluss. Aber auch da – Sie sehen schon – gibt es eine relativ große Spanne von Anteilen in den jeweiligen Bundesländern. Das reicht von 49 Prozent der Fachkräfte mit einem Fachschulabschluss in Bayern bis hin zu 89 Prozent in Thüringen. Wenn man die akademischen Abschlüsse, also die Hochschulabschlüsse, betrachtet auch da ist ein deutlicher Fortschritt über die letzten Jahre zu verzeichnen. Wir haben in Brandenburg zwar etwa einen Anteil von 3 Prozent der Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss, aber in Sachsen schon einen Anteil von 10 Prozent, was doch durchaus erfreuliche Entwicklungen sind. Eine Kennzahl, die ich aus dem Monitoring zusätzlich noch mitgebracht habe, ist jetzt das Leitungshandeln zur Personalbindung.

[Auf bestehender Präsentationsfolie erscheinen zwei weitere Grafiken. In einem Feld „Leitungshandeln“ sind die Stichpunkte „Große Maßnahmenvielfalt“ und „Hohe Umsetzungsanteile“ zu lesen. In einem Balkendiagramm mit dem Titel „Maßnahmen der Leitung zur Personalbindung und -entwicklung“ sind die prozentualen Unterschiede der verschiedenen Maßnahmen visualisiert.]

Dr. Susanne Kuger

Und in der Befragung der Leitungskräfte, die wir 2020 durchgeführt haben, haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen, möglichen Maßnahmen abgefragt, inwiefern diese von den Leitungen in den Einrichtungen durchgeführt werden. Sie sehen hier, wir haben nach Team- und Klausurtagungen gefragt, nach Zielen und Maßnahmen individueller Weiterentwicklung, nach Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, nach Beurteilungen von festgelegten Zielen, nach Mitarbeiter-Umfragen, aber auch individuelle Maßnahmen wie zum Beispiel die Flexibilisierung von Arbeitszeiten oder Gesundheitsförderungsangebote nach Hospitationen in anderen Einrichtungen und Supervisionen sowie nach verbesserten Arbeitsbedingungen, jetzt speziell für ältere Mitarbeiter:innen. Die Angaben der Leitungskräfte darauf sind doch sehr eindeutig. Das heißt, wir sehen auf allen Merkmalen, die wir abgefragt haben, substanzielle Anteile von Umsetzungen. Alle Maßnahmen werden in vielen Einrichtungen umgesetzt und der Anteil, in denen sie umgesetzt werden, hat uns doch stark überrascht. Also hier sind Werte von 80 / 90 Prozent aller Einrichtungen, aller Leitungskräfte, die angeben, dass sie die entsprechenden Maßnahmen durchgängig umsetzen und für die Personalbindung und die Personalentwicklung nutzen. Die Leitungskräfte selbst stehen auch im Fokus des Gute-KiTa-Gesetzes.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Stärkung der Leitung“ wird eingeblendet. Als Untertitel ist „Leitungsaufgaben“ zu lesen. In zwei Feldern mit den Bezeichnungen „Niveauunterschied“ und „Muster“ stehen Ergebnisse zu den Leitungsaufgaben. In einem Balkendiagram mit dem Titel „Anteil Leitungskräfte, die ausschließlich Leitungsaufgaben übernehmen, nach Einrichtungsgröße“ werden die Bundesländerunterschiede prozentual dargestellt. Die Balken sind pro Bundesland jeweils gruppiert nach „bis 25 Kinder“, „25 bis 75 Kinder“ und „75 Kinder und mehr“.]

Dr. Susanne Kuger

Das heißt, ein Handlungsfeld kümmert sich speziell um die Stärkung der Leitung. Ministerin Spiegel hat es vorhin schon angesprochen: Leitungshandeln ist zentral – nicht nur in der Corona-Zeit, sondern auch zuvor – zur Entwicklung der Qualität in der Einrichtung, aber auch für alle anderen Leitungsaufgaben. Das heißt, die Stärkung der Leitung ist ein wichtiges Handlungsfeld und man kann auch hier eine ganze Reihe von Merkmalen heranziehen, die die Beschreibung des Leitungshandelns ermöglichen. Mitgebracht habe ich eine Grafik dazu, wie hoch der Anteil der Leitungen in den Einrichtungen ist, die ausschließlich Leitungsaufgaben übernehmen. Es gibt Einrichtungen, in denen Leitungskräfte ausschließlich Zeit für Leitungsaufgaben haben. Es gibt Einrichtungen, in denen Leitungsteams arbeiten. Und Leitungskräfte, die sowohl Leitungsaufgaben als auch Arbeit mit den Kindern übernehmen. Und hier eben angetragen: der Anteil an Leitungskräften, die ausschließlich Leitungsaufgaben übernehmen. Differenziert habe ich das noch nach Einrichtungsgröße, weil das eine besonders interessante Unterscheidungskategorie an der Stelle darstellt, so dass wir hier auch wieder eine etwas komplexere Grafik haben. Insgesamt über ganz Deutschland hinweg betrachtet, können wir festhalten, dass 33 Prozent der Einrichtungen eine Leitungskraft haben, die wirklich ausschließlich für Leitungsaufgaben zuständig ist und ausschließlich solche Aufgaben übernimmt.

[Auf bestehender Folie werden vereinzelt Bundesländer mit einem dunkelblauen Punkt markiert (Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen)].

Dr. Susanne Kuger

Aber es gibt tatsächlich doch größere Unterschiede. Wir finden etwa vier Bundesländer – da habe ich jetzt mal herausgenommen mit einem relativ geringen Anteil von Fachkräften – die ausschließlich Leitungsaufgaben übernehmen auf ihrer Position. Das sind Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, bei dem der Anteil – in Thüringen etwa jetzt in den kleinen Einrichtungen bei unter 10 Prozent liegt, auch in den mittleren Einrichtungen noch relativ gering ausfällt – eher dann in den größeren Einrichtungen höher ist. Es gibt weiterhin Bundesländer mit relativ hohen Anteilen. Also im Saarland zum Beispiel gibt es doch einen substanziellen Anteil von Einrichtungen, in denen die Leitungskraft ausschließlich Leitungsaufgaben übernimmt. Interessanterweise, und das sehen Sie an diesen jeweils drei unterschiedlich blauen Balken, ist in allen Bundesländern der Trend so, dass in großen Einrichtungen die Leitung üblicherweise ausschließlich Leitungsaufgaben übernimmt. Das heißt, wir haben überall diese ansteigende Kurve über die drei Balken hinweg. Aber das ist nicht überall ein ganz linearer Trend. Das heißt, wir haben nicht überall das Verhältnis, wie wir es jetzt etwa in Rheinland-Pfalz haben, mit dem niedrigsten Anteil in den kleinen Einrichtungen, im mittleren Anteil in mittleren Einrichtungen, im hohen Anteil in großen Einrichtungen. Sondern wir haben tatsächlich in manchen Bundesländern so ein bisschen einen Block der kleinen und mittleren Einrichtungen. Hier jetzt auch mit den Punkten markiert in den Ergebnissen. Und wir haben in anderen Bundesländern … Entschuldigung, nur in den großen Einrichtungen dann wirklich die Steigerung hin zu dem höheren Anteil.

[Auf bestehender Folie werden vereinzelt Bundesländer mit einem hellblauen Punkt markiert (Bremen und Hamburg)].

Dr. Susanne Kuger

Wir haben zugleich zwei Bundesländer, bei denen das Verhältnis ein bisschen umgekehrt ist. Also auch diese differentiellen Muster lassen sich aus den Daten herausarbeiten. Deswegen ist der Bericht doch relativ umfangreich und diese Details können alle angesprochen werden. Auch in den Landesberichten wird jeweils noch mal im Detail darauf eingegangen.

[Eine neue Folie mit dem Titel „Kindertagespflege“ wird eingeblendet. In einem Feld mit der Bezeichnung „Niveauunterschiede“ stehen Ergebnisse zu Unterschieden in der Kindertagespflege. In einem Balkendiagramm werden die Bundesländervergleiche der „Tagespflege-Kind-Relation“ visualisiert.]

Dr. Susanne Kuger

Das nächste Handlungsfeld, für das ich auch noch einmal Ihnen ein paar Befunde zeigen wollte, ist die Kindertagespflege. Im Verhältnis zum Fachkraft-Kind-Schlüssel, den wir vorhin betrachtet haben, ist jetzt hier die Tagespflege-Kind-Relation eingetragen. Und wie Sie sehen, ist ungefähr der Bundesdurchschnitt bei 3,9 Kindern pro tätige Person in der Kindertagespflege. Aber auch da gibt es wieder leichte Niveau-Unterschiede. Ich habe das mal wieder mit diesem Balken hier versucht zu illustrieren. Wir haben also einige Bundesländer hier, vor allem Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen, mit der niedrigeren Tagespflege-Kind-Relation und einige Bundesländer mit einer deutlich höheren Relation. Schließlich und schlussendlich noch ein letztes Handlungsfeld, für die ich Zahlen mitgebracht habe. Weitere Befunde können wir dann gerne heute Mittag auch noch einmal diskutieren.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Kosten für die Kinderbetreuung“ wird eingeblendet. Als Untertitel ist „Kostenbelastung für Familien“ zu lesen. In den Feldern mit den Bezeichnungen „Einkommensanteil“ und „Umfangs- und Altersabhängigkeit“ stehen Ergebnisse zu dem Handlungsfeld. In einem Diagramm mit dem Titel „Anteil am Haushaltseinkommen in %“ wird an unterschiedlichen Medieneinkommen der Familien der prozentuale Anteil der Kosten für die Kinderbetreuung am gesamten Haushaltseinkommen dargestellt. Die Balken sind pro Medianeinkommen jeweils gruppiert nach „K3-6“ und „K0-2“.]

Dr. Susanne Kuger

Das sind die Kosten für die Kindertagesbetreuung, die die Eltern aufbringen müssen. Es ist ein Thema, das relativ stark diskutiert wird, das viele Menschen bewegt, das ja auch tatsächlich hohe Finanzvolumen sind, die die Eltern aufbringen müssen, weswegen sich das Gute-KiTa-Gesetz unter anderem eben den Auftrag gegeben hat, da eine größere Gleichberechtigung herzustellen. Das heißt, die Nivellierung stärker in den Vordergrund zu stellen und die ökonomisch schlechter gestellten Familien zu entlasten von den Kosten bei der Kindertagesbetreuung. Die Grafik hier rechts ist insofern etwas mehr zu erklären, als hier nicht einfach die Kosten angetragen sind, die die Eltern tragen müssen, sondern das ist relativiert und es wird relativiert am Haushaltseinkommen der Familien. Das heißt, wir haben die Eltern nach ihrem Verdienst gefragt, nach dem Haushaltseinkommen insgesamt. Wir haben auch gefragt, wie viel sie für die Kindertagesbetreuung bezahlen, sowohl für das eine Zielkind als auch für alle Kinder zusammen. Und wir relativieren dann den Betrag, den die Eltern zahlen müssen für die Kindertagesbetreuung, am gesamten Haushaltseinkommen. Das Haushaltseinkommen der Eltern wird zusätzlich weiterhin noch einmal runtergebrochen in vier Kategorien. Das heißt, wir haben die Familien, die ökonomisch am schlechtesten dastehen. Diese haben ein Haushaltseinkommen, welches höchstens 60 Prozent des mittleren Bundeshaushaltseinkommen ausmacht. Wir haben eine zweite Kategorie, bei denen das Haushaltseinkommen zirka 60 Prozent bis das mittlere Haushaltseinkommen von Personen in Deutschland ausmacht. Wir haben die Familien, bei denen entweder ein mittleres bis zu einem doppelten mittleren Haushaltseinkommen vorhanden ist, und die Familien, die ökonomisch am besten dastehen mit einem relativ hohen Haushaltseinkommen. Und was Sie sehen, ist, dass die ökonomisch am schlechtesten dargestellten Familien immer noch den höchsten Anteil aller für die Kindertagesbetreuung aufbringen müssen. Das heißt, wir haben hier Prozentzahlen von 12 bis 16 Prozent des Haushaltseinkommens, das die Familien für die Kindertagesbetreuung zahlen. Und bei den bessergestellten Familien ist dieser Anteil deutlich geringer dargestellt. Wir finden das sowohl für Kosten, die für ein Kind in der Betreuung aufgebracht werden müssen, wenn das Kind drei Jahre ist bis zum Schuleintritt, als auch für die Betreuung der kleinsten Kinder, also im Alter von 0 bis 2 Jahren. Was ich jetzt hier links im Kasten noch angetragen habe, sind die Absolutwerte, die wir ermitteln konnten. Also wie viel kostet denn ein Kitaplatz, ein Platz in der Tagespflege im Durchschnitt? Angetragen auch da jeweils der Median, also der Wert, der die Mitte der Verteilungskämpfe darstellt. Und was Sie sehen können, ist, dass natürlich für die längeren Betreuungszeiten auch höhere Preise oder höhere Kosten aufgebracht werden müssen. Dass ein Ganztagsplatz also deutlich mehr kostet als ein Halbtagsplatz. Und das ist in der Grafik dargestellt, dass eben die Betreuung der Kleineren auch teurer ist als die Betreuung der etwas älteren Kinder. Das war jetzt ein dichtes Programm an Grafiken, an Befunden, an Zahlen, die ich Ihnen präsentiert habe.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Titel „Fazit“ wird eingeblendet, auf der stichpunktartige Befunde des Monitorings zusammengefasst sind und nacheinander benannt werden.]

Dr. Susanne Kuger

Was wir damit zeigen wollten, ist, dass die Befunde, die wir im Monitoring haben, doch durchaus eine einmalige Datenlage darstellen, wir in viele Bereiche empirisch reinblicken können, empirische Befunde liefern können dafür, wie sich die Qualität entwickelt hat im System der frühkindlichen Bildung, Betreuung, Erziehung, wie sie sich auch weiterhin entwickeln wird. Wir haben eine einmalige Datenlage, die so international tatsächlich sogar einzigartig ist. Wir versuchen, die Daten aus den amtlichen Statistiken als objektive Fakten zusammenzubringen mit den Meinungen, den Einstellungen, den Bewertungen der Beteiligten im System. Wir befragen die Leitung und die Fachkräfte nach ihrer Bewertung, zum Beispiel vom ausreichenden Mittel pädagogischer Arbeit, von der Zufriedenheit mit der Qualität in der Einrichtung. Wir haben für die meisten Kennzahlen, die wir berichten können, bundesweite und länderspezifische Daten, die verlässliche Informationen darüber liefern, wie sich das System entwickelt. Und wir können vor allem im Zeitvergleich mittlerweile in einer ganzen Reihe von Kennzahlen schon Entwicklungen zeigen. Ich habe das oben angetragen, so etwa bei dem Fachkraft-Kind-Schlüssel. Wir haben weitere Entwicklungen bei den Leitungskräften, die sich ausschließlich auf ihre Leitungsaufgaben konzentrieren können. Wir haben mittlerweile auch Befunde zu den Kosten, wie die sich entwickelt haben und dass die intendierte Entlastung tatsächlich auch stattfindet im Feld. Wir haben einige Befunde, die jetzt für uns nicht groß überraschend waren. Das haftet der Sozialforschung ja manchmal so an, dass man sagt: Das wussten wir doch alles schon. Also insofern gibt es manchmal Bestätigung bisheriger Kenntnisse vom Feld, auch die aus der Praxis als Alltagsbeobachtungen sowieso angezeigt wurden. Wir haben aber durchaus auch überraschende Befunde gefunden, so zum Beispiel Bundesland-Muster, die jetzt nicht die klassische Schneidung Ost-West ausmachen, sondern wir finden, wie ich es vorhin gezeigt hatte, durchaus auch Bundesland-Gruppierungen, bei denen sich neue Schneidungen ergeben und wir neue Gruppen und neue Ursachen auch berücksichtigen können. Ein aktuelles Anliegen, das wir haben bzw. womit wir uns aktuell beschäftigen – so muss ich, glaube ich, den Satz beginnen – ist, dass wir derzeit die zweite Erhebung des gesamten Survey-Programms im Feld haben. Das heißt, möglicherweise sind Sie, ist Ihre Einrichtungen, sind Sie als Träger angefragt worden, als Jugendamt, sich zu äußern zum nächsten Monitoring-Vorgang. Das heißt, wir haben die ersten Daten 2020 in großen Survey-Programm erhoben und haben jetzt 2022 die erste volle Wiederholungsmessung, sodass wir hoffen, dass wir danach wirklich für alle Kennzahlen einen Zeitvergleich darstellen können. Aktuell können wir das für die amtlichen Daten und KiBS. Und können so noch besser beobachten, wie sich die Qualität entwickelt, ob alle Kennzahlen sich tatsächlich in die Richtung entwickeln, die man vermuten würde und wo die größten Entwicklungen – auch Bundesland-spezifisch die größten Entwicklungen – im Feld zu beobachten sind.

[Eine neue Präsentationsfolie mit dem Text „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“ wird eingeblendet.]

Dr. Susanne Kuger

Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre Fragen, auch auf die Fragen der Moderation. Ich diskutiere gern unsere Befunde, unser Vorgehen, unsere Ideen, unsere Gedanken dazu, auch das Konzept, falls Sie Detailfragen haben. Viele der Befunde, die ich jetzt dargestellt habe, wie gesagt, werden heute Nachmittag in den Workshops noch einmal vertieft dargestellt von den Kolleginnen und Kollegen, die auch jeweils die Auswertungen vorgenommen haben.

Anna Hoff

Damit wir alle gemeinsam im gleichen Boot sitzen, begrüße ich noch einmal an dieser Stelle Sie alle ganz, ganz herzlich, die jetzt noch während des Vortrags dazugekommen sind. Die Gemüter im Chat schlagen große Wellen, habe ich gerade gesehen und gelesen. Tatsächlich gab es zu Beginn ein paar technische Herausforderungen, weil die Nachfrage zu dieser Fachkonferenz doch sehr, sehr groß ist. Das freut uns natürlich sehr, aber das hat teilweise die Server ein bisschen überfordert. Selbstverständlich – diese zwei Sachen, bevor wir jetzt zum Monitoring-Bericht wieder zurückkehren, möchte ich vorwegschicken – werden Sie alle die Möglichkeit haben, das Grußwort von Frau Spiegel noch einmal zu hören. Und das machen wir, wir holen das nach in der Mittagspause und es wird auch nachhaltig auf der Plattform zugänglich sein. Das andere ist: Es gab so die Frage nach der Darstellung tatsächlich, das wurde schon im Chat auch immer wieder mal beantwortet. Es wird mehrere Folien im Laufe des Tages geben, Sie können das sehr manuell selber an so einem kleinen Einstellungsrädchen verändern und einfach die Auflösung höher stellen sozusagen. Das können Sie selbst tun, unten am Bildschirmrand ist das möglich. Mein drittes Anliegen, was ich jetzt habe, dass wir auch im Laufe des Tages noch mehr inhaltlich miteinander kommunizieren und weniger über die technische Herausforderung: Nutzen Sie bitte das Feld, was rechts neben dem Video oder dem Livestream angezeigt wird für inhaltliche Fragen, damit wir unseren Expertinnen und Experten auch Ihre Fragen und Anmerkungen gut zur Verfügung stellen können. Und für jegliche Form von technischen Unsicherheiten und Herausforderungen können Sie oben – am oberen Bild ist ein rotes Fragezeichen, da werden Sie technisch in allen Varianten wunderbar begleitet. Und ich würde mich freuen, mehr von Ihrer Expertise aus Ihren Einrichtungen noch heute im Laufe des Tages zu hören. Ich habe schon ein paar Fragen, Frau Kuger. Ich habe ein bisschen gefiltert und dementsprechend können wir jetzt auf jeden Fall hier auch inhaltlich weitermachen. Nur es würde mich freuen, wenn Sie einfach auch inhaltlich mit uns im Laufe des Programms zusammenwirken sozusagen und wir von Ihrer Professionalität und Ihrer Expertise profitieren können. So zurück zum Monitoring-Bericht, liebe Frau Kuger. Eine ganz konkrete Frage war: Wie wird denn im Monitoring-Bericht Ganztag definiert?

Dr. Susanne Kuger

Wir haben dargestellt hier an der Stelle tatsächlich Ganztag als Gruppe. Das heißt, wir haben gruppiert all diejenigen Eltern, die sagen, dass ihr Kind mindestens 35 Stunden betreut werden sollte bzw. betreut wird. 35 aufwärts. Wir haben in den Detailberichten noch einmal eine größere Entscheidungsmöglichkeit für die Kinder mit dem großen Ganztag, also 45 Stunden und aufwärts. Die beiden Gruppen habe ich jetzt hier zusammengefasst, das heißt 35 Stunden Plus ist hier definiert als Ganztag.

Anna Hoff

35 Stunden Plus, okay, das ist ja sehr konkret. Eine zweite Frage war: Warum werden Eltern nur zu so wenigen Themen befragt? Sie haben ja auch die Eltern selbst befragt. Das ist so eine Wahrnehmungsfrage sozusagen.

Dr. Susanne Kuger

Zu so wenigen Themen? Ich weiß gar nicht. Das bezieht sich wahrscheinlich auf diese erste Folie vorhin mit den bunten Feldern darauf. Die Sicht der Eltern kann natürlich vor allem das wiedergeben, was sie sich wünschen, was sie beobachten, was sie beobachten können, welche Bedarfe sie haben und wie ihr Familienleben aussieht. Das heißt, an manchen Stellen ist die Information von anderen Quellen besser als die der Elterninformation. Das war die eine Abwägung, die wir haben. Und die andere ist eine, die im Prinzip sehr pragmatisch ist. Wir befragen die Eltern circa im Umfang von einer halben Stunde, um all diese Informationen zu bekommen. Also mir persönlich ist die Befragung natürlich ein großes Anliegen. Ich würde vielleicht auch mehr als eine halbe Stunde Fragen beantworten, aber wir wollen die Befragten ja nicht überstrapazieren. Auch in den Einrichtungen ist an vielen Stellen unser Erkenntnisinteresse wesentlich größer als das, was wir uns dann trauen, den Fachkräften, den Leitungen, den Tagespflegepersonen zuzumuten. Das heißt, die Befragungsdauer ist leider immer eine Begrenzung, die wir auch berücksichtigen müssen. Sonst haben wir im ungünstigsten Fall das Problem, dass uns die Eltern nicht mehr antworten zukünftig.

Anna Hoff

Eine Frage, die häufiger kam aus Rheinland-Pfalz. Ich weiß nicht genau, wie fern Sie da jetzt im Detail sind, sonst müssen wir die vielleicht doch mal zurückstellen. Der Fachkraft-Kind-Schlüssel in Rheinland-Pfalz wird wohl nach Ü2 und U2 berechnet. Spielt das eine Rolle in der Gesamterhebung oder wird das berücksichtigt?

Dr. Susanne Kuger

Die Frage ist jetzt tatsächlich: Wird dort berechnet? Das heißt, es ist eine Statistik, die in Rheinland-Pfalz noch einmal separat ausgewiesen wird. Wir haben natürlich die Möglichkeit, in den amtlichen Statistiken alle Einrichtungen getrennt zu betrachten. Und es ist tatsächlich relativ schwierig, die richtige Schneidung zu finden, weil ursprünglich über viele Jahre hinweg diese Trennung 0 bis 3 Jahre und dann war man im Kindergarten. Es gab dieses klassische U3, 3 bis 6, die wir jetzt tatsächlich fortführen, weil es immer noch bundesweit eine substanzielle Anzahl von Gruppen und Einrichtungen gibt, die sich an dieser Trennung orientieren. Selbstverständlich ist uns klar, dass der Anteil der Einrichtungen, die Kinder ab 2 Jahre bis 6 Jahre betreuen, aber auch im Gesamtkonzept, also von 0 Jahre bis 6 Jahre betreuen, immer größer wird. Das ist in der Statistik durchaus abbildbar. Aber wir haben versucht, eine einheitliche Schneidung über ganz Deutschland hinweg einzuführen und haben uns für diese entschieden. Ich müsste tatsächlich auf die Kolleginnen und Kollegen verweisen, um zu fragen, ob oder inwiefern es in den Länderberichten möglicherweise noch andere Ausweise gibt, also ob andere Schneidungen gezeigt werden. Da bin ich tatsächlich gerade überfragt.

Anna Hoff

Das ist auf jeden Fall an dieser Stelle nicht besser zu beantworten. Vielen Dank. Eine weitere Frage war, ob es unterschieden wurde oder ob es Sinn macht Ihrer Meinung, zu unterscheiden zwischen Leitung und pädagogischer Leitung in der Einrichtung? Das ist vielleicht nicht überall, das betrifft wahrscheinlich nur eher größere Einrichtung. Aber gibt es da in den Statistiken Unterscheidungen? Oder wird es berücksichtigt diese Zweiteilung?

Dr. Susanne Kuger

Entschuldigung, jetzt hatte ich gerade technische Probleme, mein Mikro wieder anzustellen. Also tatsächlich gibt es in der amtlichen Statistik eine einheitliche Zählung. Das ist die Leitungskraft, das ist die mit Leitungsaufgaben. Und wir haben uns in den Fragebögen, bei denen wir versuchen so ein bisschen feinere und auch möglicherweise besser differenzierbare Informationen einzuholen, durchaus auch nachgefragt, was denn Leitungsaufgaben sind, was da alles darunterfällt. In der Tat ist es so, dass wir sehr viele verschiedene unterschiedliche Muster finden, was Leitungskräfte tun. Und es gibt Leitungskräfte, die sich jetzt vor allem mit Managementaufgaben beschäftigen, und Leitungskräfte, die eher die pädagogischen Aufgaben in den Vordergrund stellen. Auch da ist aber so viel Variabilität über die Bundesländer und über die verschiedenen Einrichtungen und Größen der Einrichtungen und Träger der Einrichtungen zu beobachten, dass wir eine sehr heuristische Einschätzung treffen mussten. Und uns am Ende dazu entschieden haben, dass Leitungskräfte diejenige Person in einer Einrichtung ist, die die Mehrheit der Leitungsaufgaben übernimmt, und nicht mehr differenziert haben, ob das jetzt Management- oder pädagogische Aufgaben sind.

Anna Hoff

Nun haben Sie auch stellvertretende Leitungen befragt oder wird das auch abgebildet? Dann sozusagen, wenn es eine Doppelspitze ist?

Dr. Susanne Kuger

Wir haben eine Statistik dazu. Auf jeden Fall wie hoch der Anteil an Leitungsteams ist. Also auch das gibt es ja: geteilte Leitungen von Einrichtungen. Auch dazu gibt es eine Statistik im Bericht. Wir haben auch die stellvertretende Leitung, können die auch infizieren, identifizieren – es ist Corona-Zeit. Wir können sie identifizieren in unseren Einrichtungen. Also wir wissen von einer Person, wenn sie stellvertretend als Leitungs tätig ist. Es gibt keine ausgewiesenen Statistiken für diese Personengruppe, dafür ist sie zu klein. Wir haben tatsächlich differenziert zwischen der Leitungsperson einer Einrichtung und den pädagogisch Tätigen in den Einrichtungen.

Anna Hoff

Okay. Eine Frage noch hier an dieser Stelle ist: Warum ist der Betreuungsschlüssel Ihrer Meinung nach in allen Bundesländern so unterschiedlich? Das ist jetzt eher eine Interpretationsfrage an Sie. Wenn Sie jetzt sagen: Da können Sie nicht so drauf antworten, schieben wir die im Laufe des Programms noch in die Fachgespräche. Aber vielleicht haben Sie auch eine Einschätzung dazu.

Dr. Susanne Kuger

Also die Unterschiede, die jetzt der Monitoring-Bericht auch wieder zeigt, sind schon lange bekannt. Im Prinzip ist gerade diese Zweiteilung von Bundesländern, die eher einen höheren Fachkraft-Kind-Schlüssel haben, im Verhältnis zu Bundesländern mit anderen – das ist nichts Neues. Das war jetzt keine der überraschenden Befunde, sagen wir es noch einmal so rum. Das sind gewachsene Strukturen, da auch einhergehend mit der Gruppengröße, die in den jeweiligen Bundesländern üblicherweise vorhanden ist, auch mit den Einrichtungsgrößen, auch mit den Einrichtungstypen, die dort vorhanden sind. Allerdings gibt es ja tatsächlich Bewegungen. Das heißt, wir haben bundesweit eine Reduktion des Fachkraft-Kind-Schlüssels und haben das aber Bundesland-spezifisch auch doch noch einmal verstärkt. Das heißt, es gibt Bundesländer, bei denen es eine größere Abnahme gegeben hat, die sich aufeinander zubewegen.

Anna Hoff

Dazu gab es gerade jetzt auch noch eine Frage und da haben wir im Vorfeld ja auch drüber gesprochen, was die Ost-West-Unterschiede betrifft, haben Sie gesagt, gibt es einen Befund, dass die sich jetzt schon auch in den letzten Jahren angeglichen haben? Frage: Ist es tatsächlich so und wodurch lässt sich das erklären?

Dr. Susanne Kuger

Also wo sich die Ost-Bundesländer an die West-Bundesländer angeglichen haben, ist zum Beispiel auch – die eine Statistik hatte ich ja gezeigt – im Bedarf an Ganztagsplätzen. Die waren traditionell in den Ost-Bundesländern wesentlich stärker nachgefragt als in den West-Bundesländern. Und da gibt es tatsächlich im Moment so eine Angleichungsbewegung. Die sehen wir schon seit zwei oder drei Jahren. Das ist die KiBS-Studie, deren Daten hier in das Monitoring einfließen. Sodass die in den West-Bundesländern tatsächlich ein größerer Anteil der Eltern nach Ganztagsplätzen fragt. Und im Osten geht tatsächlich auch jetzt die Nachfrage und die Nutzung von Ganztagsplätzen ein bisschen zurück. Also eine der Statistiken, wo man sagt: Ja, es gibt eine Annäherung. Beim Schlüssel haben wir in manchen Bundesländern ähnliche Bewegungen. Das muss man tatsächlich immer betrachten, weil nicht alle Bundesländer im Osten und alle Bundesländer im Westen bewegen sich aufeinander zu. Berlin ist tatsächlich jetzt auf dieser Grafik auch ein Standard-Beispiel gewesen. Die fallen mal in die eine Kategorie und mal in die andere Kategorie. An der Stelle waren sie jetzt tatsächlich sogar mit ihren 50 Prozent exakt mittig gelegen.

Anna Hoff

Danke schön. Eine letzte Frage. Jetzt laufen Sie langsam warm, meine Damen und Herren, das freut mich persönlich sehr, es kommen jetzt sehr, sehr viele Fragen. Wir haben ja noch einen ganzen Tag vor uns. Und wenn wir auch nicht jetzt alle Fragen berücksichtigen, bin ich sicher, dass wir viele noch im Laufe des Tages verhandeln können und Antworten finden werden. Vielleicht eine letzte Frage jetzt noch mal tatsächlich zum Schlüssel. Ich glaube, das ist ein sehr zentraler Aspekt, der gerade die aktiv Tätigen in den Einrichtungen sehr umtreibt. Wenn wir über Statistiken sprechen, ist die Frage: Wenn das was, was auf dem Papier steht und das, was oft in der Realität ja durch Krankheit, Urlaub, Ausfälle und so weiter Alltag ist – inwiefern wird das berücksichtigt in Ihren Statistiken, in Ihren Zahlen?

Dr. Susanne Kuger

Also in der amtlichen Statistik wird tatsächlich zunächst einfach erst einmal berücksichtigt, welche Plätze, welche Verträge sind in den Einrichtungen geschlossen und welches Personal wird dort beschäftigt? Dass das nicht den Alltag am 2. März widerspiegelt oder am 20. Oktober, ist allen bewusst, weswegen wir im Monitoring eine ganze Reihe weiterer Kennzahlen betrachten. Das heißt, wir betrachten, wie häufig dann der intendierte Personalschlüssel unterschritten wird. Also wie häufig kommt es vor, dass Personalausfälle dazu führen, dass Gruppen zusammengelegt werden müssen? Wie groß ist das Problem und auch wie reagiert die Einrichtung darauf? Welche Möglichkeiten hat die Leitung dann zu kompensieren, zusätzlichen Staff des Trägers zu erhalten, andere Unterstützungsangebote zu erhalten? Also da gibt es tatsächlich eine ganze Reihe rahmender Merkmale, die wir auch empirisch untermauern können aus unseren Surveys. Und es ist richtig, es gibt substanzielle Ausfälle. Jetzt mache ich ganz kurz den Schwenk zu einem weiteren Projekt bei uns im Haus: Das Corona-KiTa-Projekt untersucht die ja auch tatsächlich mit Corona-Bezug. Das heißt, wir monitoren schon seit zwei Jahren wie die Corona-Situation die Einrichtungen belastet, wie viel Personal dabei ausfällt, coronabedingt ausfällt und nicht zur Verfügung steht für die Arbeit unmittelbar mit den Kindern oder nur mittelbar eingesetzt werden kann. Also dazu rahmende Merkmale, die durchaus beschreiben können, wie groß das Problem ist und wie reagiert wird und welche Einrichtungen besser reagieren können und auch weniger gut reagieren können.

Anna Hoff

An dieser Stelle machen wir einen Punkt. Vielen, vielen Dank, Frau Dr. Kuger, für Ihre Zahlen und Ihren Überblick über den Monitoring-Bericht. Das ist jetzt in der Kürze der Zeit tatsächlich nur ein Überblick und ein Einblick. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Zahlen, meine Damen und Herren, nicht unbedingt den Alltag von jedem von Ihnen eins zu eins abbilden. Aber ich glaube, um gerade Gesetzesvorhaben zu vertiefen und weiterzuführen, sind genau diese Kennzahlen enorm wichtig. Vielen Dank an dieser Stelle.

Gesprächsrunden

Im Anschluss fanden drei Gesprächrunden statt, die jeweils unterschiedliche Perspektiven beleuchteten. Das Thema lautete: Wie gestalten wir gemeinsam die gute KiTa der Zukunft?

  • Runde 1: Praxis und Wissenschaft
    Gabriele Steltner-Merz, Leiterin des Familienzentrums Ludwig-Uhland-Straße in Maintal (Hessen)
    Prof. Susanne Viernickel (Universität Leipzig)
    Prof. Petra Strehmel (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg)
     
  • Runde 2: Freie Träger und Kommunen
    Jörg Freese, Beigeordneter für Jugend, Schule, Kultur und Gesundheit, Deutscher Landkreistag
    Doris Beneke, Leiterin des Zentrums Kinder, Jugend, Familie und Frauen der Diakonie Deutschland
     
  • Runde 3: Bund und Land
    Aziz Bozkurt, Staatssekretär für Schuldigitalisierung, Jugend und Familie bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie
    Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Gesprächsrunde 1: Praxis und Wissenschaft
Gabriele Steltner-Merz, Leiterin des Familienzentrums Ludwig-Uhland-Straße in Maintal (Hessen)
Prof. Susanne Viernickel (Universität Leipzig)
Prof. Petra Strehmel (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg)

Anna Hoff

Nach diesem Überblick und diesem Einblick sozusagen in die Statistiken, nähern wir uns jetzt noch mehr dem Gute-KiTa-Gesetz im Detail und wollen jetzt im Rahmen von drei Fachgesprächsrunden die zentrale Frage stellen: Wie gestalten wir gemeinsam die gute Kita der Zukunft und machen das aus unterschiedlichen Perspektiven? In der ersten Runde gucken wir uns die die beiden Seiten der Medaille zwischen Praxis und Wissenschaft an, damit haben wir jetzt ja quasi schon gestartet und wir machen jetzt damit weiter. In der zweiten Runde schauen wir uns an, gerade die Träger spielen ja eine zentrale Rolle, auch für die Einrichtungen. Wie denn das Gesetz auch bewertet wird aus Sicht von freien und kommunalen oder beziehungsweise öffentlichen Trägern. Und am Ende gucken wir uns das Zusammenspiel von Bund und Ländern an und auch hier haben Sie wieder die Möglichkeit, im Chat Ihre Fragen zu stellen und gerne auch Anmerkungen zu machen. Und ich werde mich bemühen, so viele wie möglich in die Gespräche hier einfließen zu lassen. Und wir starten mit der ersten Runde: Wissenschaft und Praxis. Ich begrüße sehr herzlich. Ich hoffe, Sie sind alle da. Ich habe Sie noch nicht gesehen. Doch, da sind Sie. Gabriele Steltner-Merz, sie ist Leiterin des Familienzentrums Ludwig-Uhland-Straße in Maintal in Hessen. Winken Sie doch einmal, damit wir, genau, Sie sind dort oben. Das Familienzentrum ist 2018 zur KiTa des Jahres gewählt worden und dementsprechend auch in unserem Impulse-Kanal später porträtiert. Als nächstes freue ich mich, dass Professor Susanne Viernickel bei uns ist. Sie ist Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Universität Leipzig und wirft so ein bisschen den Schwerpunkt auf den Betreuungsschlüssel. Und Frau Professor Petra Strehmel, schön, dass Sie da sind. Sie sind Professorin für Psychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Hamburg, und einer Ihrer Schwerpunkte sind Leitung und Management im System der Kindertagesbetreuung. Schön, dass Sie alle bei uns sind und wir jetzt Zeit haben, uns über Praxis und Wissenschaft auszutauschen. Und ich würde gerne mit Ihnen starten, Frau Steltner-Merz, so den Blick noch mal aus der Wissenschaft. Hessen hat sich im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes so auf zwei Instrumente fokussiert und dafür 413 Millionen Euro bekommen. Das ist einmal der „gute Betreuungsschlüssel“, das war so das eine und das andere eine starke KiTa-Leitung. Beides ist in Ihrer Einrichtung in Maintal schon relativ gut umgesetzt, und ich habe mich gefragt; Wie haben Sie das geschafft?

Gabriele Steltner-Merz

Guten Tag, erst mal an alle! Also wir sind eine kommunale Einrichtung. Unser Arbeitgeber ist die Stadt Maintal. Und unser Fachdienst, der hat bereits vor 25 Jahren zu uns gesagt, wir brauchen ein Modell, mit dem wir diese Überstunden abschaffen, indem wir die Qualität stärken und die Erzieherinnen und Erzieher ihre Vorbereitungszeit sichern können. Und wir waren natürlich etwas überrascht. Und weil die Dienstpläne funktionieren ja schlecht, wenn Leute ausfallen und wenn Leute länger arbeiten, also pädagogisches Personal länger arbeitet, dann fallen in der Regel diese Vorbereitungszeiten aus. Also wir nennen das hier kinderfreie Arbeitszeiten. Dann hat sich eine kleine Gruppe von KiTa-Leiterinnen zusammengetan und wir haben dann ein sogenanntes Jahresarbeitszeitmodell entwickelt und haben im Grunde versucht, alle diese Ansprüche in dieses Modell hineinzubekommen. Das heißt, wir haben aus der gesamten Jahresarbeitszeit einer pädagogischen Fachkraft ein bestimmtes Budget rausgenommen für Vertretungsaufwand. Das heißt also, einmal das System umgedreht, also alle arbeiten untertourig, etwas untertourig in Zeiten, in denen das Personal gut besetzt ist und dann, wenn Personal fehlt, dann haben alle ein Guthabenkonto und können dort Stunden abbuchen. Das läuft dann digital bei uns. Darüber hinaus haben wir uns überlegt, also der Fachkraft-Kind-Schlüssel war damals vor 25 Jahren, da haben wir ja mit ganz anderen Rahmenbedingungen gearbeitet. Aber wir haben damals schon im Grunde drei Analysen gemacht. Das machen wir heute noch, das wird auch digitalisiert, ist auch digitalisiert. Also einmal gibt es tatsächlich sowas wie eine Nutzer-Frequenz-Analyse. Also das heißt, wir untersuchen, wann befinden sich wie viele Kinder in einer Gruppe, in einer Einrichtung, in einem System, also U3-KiTa, Hort und so weiter. Dann untersuchen wir sozusagen die sozialräumlichen Aspekte einer jeder Kita. Also es ist ein Unterschied, pädagogisch ein Unterschied, wenn eine KiTa in einem Stadtteil liegt, wo die Familien sehr belastet sind, mit einem hohen Anteil an Familien, die aus anderen Herkunftsländern kommen. Die haben ganz andere Problematiken, wie in eine KiTa, die ich sag jetzt mal vielleicht, ich will nicht da jemanden in eine Ecke stellen, eher ländlich und die Eltern sind sozial gut integriert. Und dann haben wir im Grunde noch eine Elternbefragung. Also das heißt, die Elternbefragung beschäftigt sich mit den qualitativen und quantitativen Anteilen in so einer KiTa, das heißt, die Eltern können die Einrichtung bewerten. Das ist der qualitative Teil nach bestimmten Kriterien. Und wir fragen aber auch die Eltern nach ganz bestimmten Kriterien, was sie sich wünschen. So, dann werden diese sozialräumlichen und die Ergebnisse aus der Elternbefragung, die werden sozusagen mit dem Gesamtteam in der Kita, diese Daten lernen wir zu interpretieren. Also was heißt das ganz konkret für die pädagogische Konzeption? Und wer genau macht was mit wie viel Zeit? Das ist ein etwas komplizierter Prozess, weil man das oft sozusagen in pädagogischen Teams gar nicht so von der Seite herangeht, sondern die pädagogischen Anforderungen werden aus der Fachdienst-Ebene oder eben durch andere in die KiTas gegeben. Aber wir haben den Schritt andersherum gemacht, das heißt, das pädagogische Personal, und zwar alle, die in so einer KiTa arbeiten oder in einem Familienzentrum, müssen diese Daten interpretieren. Die werden von uns aufbereitet, damit der Prozess natürlich funktioniert. Und daraus entstehen sogenannte persönliche Profile. Das heißt, in diesen Arbeitszeit-Profilen wird der Aufwand an Vertretung und kinderfreier Arbeitszeit sehr genau definiert. Also ich sage jetzt mal ein ganz einfaches Beispiel: Wenn jemand eine Praktikantin anleitet und ausbildet, dann bekommt diese Person ein bestimmtes Zeitkontingent für diese Leistung. Also für jede Erzieherin, jeden Erzieher ein Profil wird erstellt mit denen gemeinsam und die Leistungen werden sehr genau definiert. Das heißt auch, es lässt Spezialisierungen zu. Also wenn jemand sich sozusagen für die Sprachentwicklung, Sprachkonzepte in einer KiTa sozusagen interessiert, da was mitbringt, dann bekommt er auch diesen Anteil in dieses Profil rein. Für mich als Leitung heißt das, ich kann sehr genau steuern, wie sich sozusagen, wie sich so ein Team entwickelt. Und dass die Leistungen, also das, was wir pädagogisch in unserer Konzeption verankert haben, dass das als Leistung auch erfüllt wird. Das gibt einen sehr sicheren Rahmen. Und wenn jemand krank, also dazu muss man sagen, in der praktischen Umsetzung ist das so, dass diese kinderfreie Arbeitszeit wird sehr genau vom pädagogischen Dienst gekoppelt. Also der pädagogische Dienst ist bei uns ganz sicher in einen Dienstplan verpackt und der lässt keine Störung zu. Kinderfreie Arbeitszeit steht in diesem Profil und diese Arbeitszeit kann man davor danach machen. Man kann das flexibilisieren, das ist auf einem Konto angelegt. Und die Kolleginnen können sagen, ich mache heute diese Leistung aus meinem Profil, kinderfrei, oder ich mache diese Leistung und aber nicht im pädagogischen Dienst. Also, was wir gemacht haben in dieser ganzen Diskussion, ist, dass wir die Qualität der pädagogischen Arbeit besonders hervorheben wollen und diese Störanfälligkeit, dass eine Erzieherin mal schnell dies und mal schnell das macht und dann immer aus den pädagogischen Prozessen mit den Kindern herausspringt und damit im Grunde bestimmte Denkprozesse überhaupt nicht oder überhaupt nicht weiterentwickeln kann, weil die Kinder sozusagen dann sofort wieder raus sind und uns in der Qualität der pädagogischen Arbeit haben wir diese kinderfreie Arbeitszeit definiert, aber eben flexibilisiert. Außer natürlich eine Dienstbesprechung. Da müssen alle anwesend sein, das findet an einem Abend statt. Und das gleich mal so viel.

Anna Hoff

Genau. Danke schön. Sie könnten wahrscheinlich noch drei Stunden erzählen, das ist ganz spannend. Und ich frage mich, Frau Viernickel, ist das dieses Modell, was in Maintal erarbeitet wurde, ist das was, was man tatsächlich als Konzept, also ist das was, was flächendeckend umgesetzt werden sollte und könnte? Und welche Voraussetzungen wären aus Sicht der Wissenschaft dafür notwendig?

Prof. Dr. Susanne Viernickel

Ja einen schönen guten Tag auch erstmal von mir. Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben. Ich finde das Konzept großartig. Und Sie haben ja damit auch schon sehr viel Erfahrung. Und ich denke, das ist genau eigentlich ein Weg, den man beschreiten sollte. Man sollte schauen: Was sind unsere Anforderungen, was sind unsere Ressourcen? Und daraus muss ich ein Konzept dafür entwickeln, wer kann diese Anforderungen zu welchen Zeiten erfüllen? Und diese, also diese Grundlage, finde ich sehr, sehr gut. Das ist aber genau etwas, was zum Beispiel mit der Einführung der Bildungsprogramme nicht gemacht wurde. Da wurden die Bildungsprogramme eingeführt, da stehen sehr viele Anforderungen drin. Es wurde aber nicht systematisch geschaut: Haben wir überhaupt die personellen, jetzt in erster Linie die personellen Ressourcen, um das zu erreichen? Das hat dazu geführt, dass diese Anforderungen, dass sich sehr viele Fachkräfte und Teams und Träger mit diesen Anforderungen identifiziert haben. Zum einen, weil es sich ja auch um fachliche Vorgaben handelt, zum anderen aber auch, weil sie der Überzeugung sind, dass das wichtige Dinge sind, dass sie aber gar nicht die Zeit haben, durch den Fachkraft-Kind-Schlüssel, den Personalschlüssel, die personellen Ressourcen, das zu erfüllen. Und ich würde sagen, das spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab. Auch die KiTa von Frau Stelter-Merz muss ja mit den bestehenden Personalressourcen umgehen und die Politik ist dafür zuständig, diese Personalressourcen auskömmlich bereitzustellen. Dass man dann innerhalb eines Teams mit diesen Personalressourcen sehr sorgfältig und sehr, sehr systematisch umgehen kann und dann eventuell oder dann mit Sicherheit auch mehr von den Anforderungen schaffen kann und in einer guten Qualität schaffen kann, als wenn man das nicht tut, das steht meiner Meinung nach noch mal auf einer anderen Ebene. Und das finde ich, daher sind das zwei unterschiedliche Ebenen, die man betrachten muss. Diese Herangehensweise der Jahresarbeitszeitmodelle finde ich sehr zielführend.

Anna Hoff

Frau Professor Strehmel, die Menschen, die mit uns hier gemeinsam im digitalen Raum sind, treibt ganz oft die Frage der Leitungskapazitäten um. Also und wir haben im Vorfeld darüber gesprochen, was eigentlich eine gute KiTa-Leitung ihrer Meinung nach ausmacht. Und Sie haben auch gesagt, sie können sich das als sinnvoll vorstellen, dass gerade Leitung und Management konkret als Bundesstandards definiert werden. Können Sie uns dazu ein bisschen mehr sagen, was Sie sich genau darunter vorstellen und was Ihrer Meinung nach auch tatsächlich eine gute KiTa-Leitung ausmacht?

Prof. Dr. Petra Strehmel

Ja, also ich bedanke mich auch erstmal für die Einladung und freue mich hier zu sein. Ich denke mal, wir haben ja in den Expertisen oder in der Expertise über Leitungszeit beschrieben, was eine Leitung alles zu tun hat. Und von daher fand ich eben die Beschreibung sehr, sehr zielführend oder sehr, sehr interessant, eben ein Arbeitszeitmodell zu machen, wo eben verschiedene Aspekte mitberücksichtigt sind. Also zum einen die Aufgaben, dann aber auch die Bedarfe der Eltern und auch den Sozialraum. Und wenn man mal das Aufgabenprofil einer Leitung anschaut, es ist, glaube ich, mittlerweile Konsens, auch international, dass Leitung eine Schlüsselposition ist. Wir haben acht verschiedene Aufgabenfelder beschrieben, also das ist einmal die pädagogische Leitung. Dazu gehört Konzeptionsentwicklung, Qualitätsmanagement, die Kooperation mit den Eltern und das aber auch alles gut zu kommunizieren. Auch zum Beispiel eben die Ausstattung der Räume, also Raum als dritter Erzieher. Wir haben dann aber auch die Bereiche der Personalführung, die eben gerade jetzt in Zeiten des Fachkräftemangels sehr, sehr wichtig sind. Dazu gehört eben nicht nur die Koordination des Teams, sondern dazu gehört eben wirklich auch Personalführung, also Mitarbeitergespräche. Zu wissen, was treibt die Fachkräfte um, was sind ihre Interessen, wo möchten sie sich weiterentwickeln? Und wie kann man mit den Fachkräften so zusammenarbeiten, um eine möglichst gute Qualität zu entwickeln? Wir haben dann den großen Bereich der Zusammenarbeit mit anderen. Also das ist ja nicht nur im Team, sondern mit den Eltern, mit dem Träger, mit anderen Kooperationspartnerinnen und -partnern im Sozialraum und auch die Koordination von Fortbildung, Weiterbildung, Fachberatung, die Kooperation mit Ausbildungsstätten, Schulen und so weiter. Also das sind alles Bereiche, die sehr viel Zeit binden und wo es eben dann auch wichtig ist, zu gucken, inwieweit gibt es eben besondere Anforderungen im Sozialraum. Also wie die Kollegin eben schon sagte, wenn man in einer KiTa sich befindet mit einem hohen Anteil von Kindern mit besonderen Bedarfen, dann braucht es auch die Zeit der Leitung mit den Eltern zu sprechen, vielleicht zusätzliche Mittel zu beantragen oder ähnliches. Dann diese ganze Frage der Organisationsentwicklung. Also wie stellen wir die KiTa auf? Das war ja insbesondere eine große Herausforderung auch im Zuge des Krippenausbaus, also die Expansion vieler Einrichtungen. Das ist auch immer noch ein Thema, also das muss organisiert werden, das muss durchdacht werden, mit dem Team auch gemeinsam erarbeitet werden. Und was für Leitungen eben auch wichtig ist, das ist die Selbstsorge und dazu gehört eben nicht nur Selbstfürsorge, also im Sinne von Gesundheitsfürsorge, sondern auch, sich fachlich quasi zu informieren. Was sind denn eigentlich die wichtigen Trends und auch sich zu positionieren. Also die Leitung, die muss ja allen Gruppen, in deren Spannungsfeld sie dann letztlich steht, dann auch Antworten geben können. Rahmenbedingungen und Trends zu beobachten: Was wird in der Fachszene diskutiert? Was kommt möglicherweise auf uns zu? Was ist in der Kommune vielleicht wichtig? Gibt es Veränderungen in der Sozialstruktur im eigenen Sozialraum oder im Stadtteil? Und dann schließlich auch darüber nachzudenken, was ist denn eigentlich so meine Zielvorstellung? Wie möchte ich meine Einrichtung strategisch weiterentwickeln? Natürlich nie allein, sondern immer mit dem Team. Aber die Leitung braucht auch Zeit, sich einfach fachlich zu informieren. Und was eine Leitung eigentlich so zusammengefasst braucht, das ist sowohl Fachkompetenz. Also sie sollte ein profundes Fachwissen haben über frühkindliche Bildung, aber sie sollte auch ein profundes Wissen haben über über Leitungsaufgaben. Und der Bereich, den ich eben noch gar nicht beschrieben habe und das ist eben dann vielleicht auch etwas, was oft den Unterschied ausmacht zwischen Trägern, das ist quasi die Betriebsführung. Also die Leitung ist ja verantwortlich für alles, was in der KiTa passiert. Also sie muss auch die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen. Und das sind ja nicht nur die Bildungspläne, das sind, das sind bauliche Vorschriften, das sind Finanzierungsbedingungen, das sind Hygienebedingungen, der Brandschutz, der Arbeitsschutz, Gesundheitsmanagement und so weiter. Also darum ist das ein ziemlich umfassendes Feld. Und was Leitungen eben brauchen, das ist Fach- und Feldkompetenz. Feldkompetenz, dann eben auch das Feld zu kennen, die Finanzierungsbedingungen und eben auch Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus dem Unterstützungssystem und so weiter. Also ein sehr, sehr vielfältiges Tätigkeitsfeld, ein sehr vielfältiger Tätigkeitsbereich. Und dafür brauchen Leitungen einfach Zeit. Und da haben wir.

Anna Hoff

Und das könnte als Bundesstandard sozusagen aber auch klar definiert werden dann, ja oder?

Prof. Dr. Petra Strehmel

Ja, genau. Und da hatte ich ja quasi einen Vorschlag entwickelt, da hatte ich KiTa-Leitungen dazu befragt, habe Tagebücher führen lassen, um eine Formel zu finden, die man auch übergreifend für unterschiedlich große Einrichtungen einsetzen kann. Da kam dann zum Beispiel heraus, dass eigentlich jede KiTa, egal wie groß, etwa so einen Sockel von 42 Prozent eines Vollzeitäquivalents braucht, davon etwa ein Drittel Verwaltungsaufgaben plus variable Anteile, wo eben zum Tragen kommt, ob bei einer KiTa drei oder auch 50 Mitarbeitende hat, dass man eben dann pro Kind und auch pro Mitarbeitende dann variable Anteile hinzuzählt. Und was wichtig ist, und das hatten wir ja auch für den Fachkraft-Kind-Schlüssel so definiert, es braucht einfach auch noch mehr Ressourcen, wenn eben mehr pädagogische Herausforderungen vorliegen.

Anna Hoff

Vielen Dank an dieser Stelle. Mit Blick auf die Uhr, stelle ich Ihnen jetzt allen noch eine Frage aus dem Chat. Dann ist unsere Zeit und unsere Perspektive auf dieses Gesetz auch schon wieder vorbei. Frau Steltner-Merz eine Frage gerade, wir leben in einer sehr heterogenen Gesellschaft und die Bedarfe der Kinder sind sehr unterschiedlich und sie arbeiten ja auch mit multiprofessionellen Teams zusammen. Eine Frage ist: Wie wird man diesen ganzen unterschiedlichen Bedarfen der Kinder gerecht? Wie machen sie das in ihrer Einrichtung?

Gabriele Steltner-Merz

Also das ist natürlich eine große Frage.

Anna Hoff

Mit einer kurzen Antwort.

Gabriele Steltner-Merz

Es gibt nur große Fragen. Also ganz grundsätzlich ist es so, dass man, also die Diskussion, dass man irgendwelche Angebotspädagogik macht, ich meine, das ist ja wirklich jetzt von vorgestern. Aber der erste Schritt ist immer zu schauen, in welchem sozialen Kontext leben diese Familien, die Kinder und die Familien? Was bringen die an Bedürfnissen mit? Also es ist nicht damit getan, dass wir sozusagen uns gute Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder in der KiTa ausdenken, sondern wir müssen die Familie mit unterstützen. Und da gibt es eben hier in Maintal, und das war auch bei mir der Fall, aufgrund dieser ganzen Untersuchungen haben wir als Team entschieden, wir können nicht nur als KiTa arbeiten, sondern wir müssen ein Familienzentrum sein. Wenn wir die Familien stützen, stützen wir sozusagen auch die Entwicklung der Kinder und können die besser sicherstellen. Also ich sage jetzt mal, es geht immer darum, gleiche Bildungs- und Entwicklungschancen zu schaffen. Und das ist ein ganz großes, hohes Ziel, ein ganz hohes Ziel. Und wir sind auch dran irgendwie Antworten zu finden. Sagen wir mal so, aber wir haben uns als Familienzentrum, irgendwann haben wir das geschafft, da hinzukommen und wir konnten eben eine Koordinatorin einstellen, irgendwann. Aber bis dahin haben das pädagogische Personal und wir als Leitungskräfte das gemacht. Aber es gibt eben jetzt Deutschkurse für Mütter. Es gibt jetzt eine Sozialberatung, also dass Eltern überhaupt wissen, wo wende ich mich hin, wenn ich das und das habe. Es gibt Schwangerschaftsberatung. Wir bieten Eltern-Cafés an, wir bieten jetzt in Corona-Zeiten Spaziergänge gegen die Einsamkeit an, also wir versuchen immer gute Lösungen, gute pädagogische Antworten zu finden und auch rauszugehen. Also „das ist nicht meine Aufgabe“, so was geht nicht. Wenn man in dem Beruf arbeitet, dann muss man es zu seiner Aufgabe machen. Und das ist wirklich sehr wichtig.

Anna Hoff

So eine Haltungsfrage sozusagen.

Gabriele Steltner-Merz

Das ist immer, es ist immer eine Haltungsfrage, aber es hat immer sehr viel mit Leitung zu tun. Also man muss natürlich auch in der Lage sein, sein Team dahin zu qualifizieren und auch mal den Finger in die Wunde legen. Von selbst, sage ich jetzt mal, passiert das natürlich nicht, aber es hat auch was damit zu tun, wie fördere ich so ein Team und die Anforderung, ich sage jetzt mal hier zu arbeiten, die sind schon hoch, die sind aber auch sehr klar. Und ich biete natürlich darüber hinaus, ein unglaublich gutes System an Fort- und Weiterbildung. Und durch so eine Professionalisierung kommt man auch natürlich dazu, die eigene Rolle und die eigene Haltung zu hinterfragen. Und das muss man aber sozusagen befördern. Das sind dann im Grunde wieder diese Leitungsaufgaben, die Sie eben genannt hatten. Das ist eine Menge von Aufgaben.

Anna Hoff

Frau Viernickel, letzte Frage an Sie, weil gerade natürlich ein Familienzentrum wahrscheinlich anders agieren kann als kleine Einrichtungen und doch der Spagat zwischen Personalmangel und der Weiterentwicklung von Qualität irgendwie ein Dilemma darzustellen scheint, zumindest lese ich das auch hier in den lebhaften Kommentaren. Wie geht man damit um? Was, aus Sicht der Wissenschaft, wie kann man sozusagen dieses Dilemma auflösen? Oder was braucht es dafür, um das aufzulösen? Eben gerade was kleinere Einrichtungen betrifft und vielleicht wirklich jetzt weniger ressourcenstarke?

Prof. Dr. Susanne Viernickel

Ja, also grundsätzlich würde ich darauf auch wieder mehrere Antworten geben. Angesichts der Zeit natürlich nur anreißen. Zum einen glaube ich, dass sehr viele Einrichtungen vor dem Dilemma stehen und Träger, dass diese vielfältigen Aufgaben nicht mit der zur Verfügung stehenden Ressourcen geleistet werden können. Und wenn ich mich da jetzt mal auf diese Fachkraft-Kind-Schlüssel und die Personalschlüssel beziehe, dann haben wir da eben noch Lücken. Dann haben wir in Deutschland nicht die gleichwertigen Lebensverhältnisse, sondern sehr unterschiedliche. Und ich denke, das ist ja heute auch unser Thema, da sollte sich der Bund auf seine Kernzuständigkeit konzentrieren und auf die Schaffung gleicher beziehungsweise gleichwertiger Strukturen hinarbeiten in einer Weiterentwicklung des Gute-KiTa-Gesetzes zu einem KiTa-Qualitäts-Gesetz. Und damit profitieren sowohl größere als auch kleinere Einrichtungen. Allerdings haben größere Einrichtungen etwas anders gelagerte Situationen und anders gelagerte Probleme als kleine Einrichtungen. Und ich kann mir gut vorstellen und habe das auch schon häufig gehört, dass sich dann Personalmangel oder ein Personalausfall natürlich bei kleineren Einrichtungen stärker auswirkt. Dass es da auch schwierig wird, zum Beispiel mit einer, einem System, einem Unterstützungssystem drumherum. Eine Lösung könnte darin liegen, sich Strukturen zu schaffen, also sich zusammenzuschließen und gemeinsame Strukturen zu schaffen, gemeinsame Fachberatung, auf die man zurückgreifen kann. Das geht ja auch darüber, also dass auch der Paritätische Verband, zum Beispiel, solche Strukturen bereitstellt. Da denke ich noch mal eine Bedarfsanzeigen, gemeinsame Runde Tische, wo man daran an Lösungen arbeitet, könnte ich mir da gut vorstellen. Im Detail ist es wahrscheinlich so, wie wir auch heute gehört haben, dass jede Einrichtung schauen muss, darauf, was sind eigentlich unsere Ziele? Was ist unser pädagogisches Profil, unsere pädagogische Aufgabe? Worin sehen wir die prioritär und angelehnt daran, an dieser Profilentwicklung und dieser Profilbildung muss ich schauen, wie verteile ich die Ressourcen, die ich habe und wie gehe ich damit um, wenn Ausfälle da sind oder nicht? Dieses Thema Klarheit, was eben angesprochen wurde, halte ich in dem Zusammenhang für sehr wichtig.

Anna Hoff

Vielen Dank an dieser Stelle. Danke für diesen Ritt oder diesen schnellen Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis und auch die Zukunftsideen zur Weiterentwicklung des Gesetzes. Ich danke sehr, Frau Gabriele Steltner-Merz, Frau Professor Susanne Viernickel und Frau Professor Petra Strehmel für ihre Zeit und teilweise sind sie heute Nachmittag in den Workshops ja auch noch vertreten und da können auf jeden Fall auch die ein oder anderen Fragen noch gestellt werden.

Anna Hoff

Wir hüpfen weiter und beschäftigen uns mit öffentlichen und freien Trägern und fragen dort wiederum, was braucht es, um die gute KiTa der Zukunft gemeinsam zu gestalten? Und ich begrüße sehr herzlich an dieser Stelle Jörg Freese. Er ist Beigeordneter für Jugend, Schule, Kultur und Gesundheit beim Deutschen Landkreis und vertritt heute hier die öffentlichen Träger. Schön, dass Sie da sind. Hallo, Herr Freese. Und Doris Beneke, herzlich willkommen auch an Sie. Sie ist Diplom-Pädagogin und leitet das Zentrum Kinder, Jugend, Familie und Frauen der Diakonie Deutschland und spricht heute oder vertritt heute hier die freien Träger. Also nicht nur die Diakonie, sondern insgesamt alle. Schön, dass Sie beide da sind. Und ich frage Sie als erstes, Herr Freese, gerade die Träger spielen ja eine Schlüsselfunktion. Sie haben eine wesentliche Verantwortung, gerade für die Arbeit in den Einrichtungen. Und ganz konkret, wenn sie für die öffentlichen Träger in der Gesamtheit sprechen und mal so eine Bilanz ziehen können. Was bedeutet das Gute-KiTa-Gesetz für die öffentlichen Träger insgesamt? Was ist da sozusagen, welche Auswirkungen sind schon aus Ihrer Sicht zu erkennen?

Jörg Freese

Ja, erst mal herzlichen Dank für die Einladung und schön, dass ich ein bisschen was dazu sagen darf. Natürlich kann man nur schwerlich für die vielen tausenden kommunalen Einrichtungen und ihre Träger sprechen. Aber es gibt ein hohes Maß an, das Gesetz gibt den Trägern, den kommunalen Trägern, viele Möglichkeiten, ihre Angebote zu verbessern. Ich gehe davon aus, dass die Gelder, die der Bund zur Verfügung stellt, dass die auch ankommen. Und dass wir dadurch in der Lage sind, eben im Rahmen dessen, was die Länder in ihre Gesetze geschrieben haben, was sie an Qualitätsverbesserungen erwarten, dass wir dafür, dass wir das dann auch umsetzen. Und dann gibt es immer auch einen gewissen Freiraum, um vielleicht auch im Rahmen dieser Standards, die natürlich für alle Träger gelten, dann auch eigene Akzente zu setzen. Wenn dafür, und das ist immer das Problem im Moment, wenn dafür natürlich nicht nur das Geld, sondern auch das notwendige Personal zu gewinnen ist. Und das ist, glaube ich, die ganz große Engstelle im Moment, die wir halt haben. Aber ansonsten gibt es viele Möglichkeiten, um da was auszubauen. Es ist immer noch nicht genug und es gibt auch viel Kritik, selbstverständlich auch aus der kommunalen Praxis, kein Thema. Ich will die auch nicht kleinreden, aber natürlich ist es ein ganz großer Schritt nach vorne. Wichtig ist nur, dass der Schritt nicht nach fünf Jahren endet, sondern dass er dann auch weitergegangen wird und dass wir das dann auch verstetigen und die Qualitätsentwicklung auch weiterhin fortgesetzt wird. In welchem Rahmen das sein wird, darüber wird ja noch zu sprechen sein. Die Koalitionsvereinbarung macht da einen Vorschlag, aber ich glaube, da müssen wir noch mal ein bisschen drüber sprechen. Das muss ja auch alles im Rahmen der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland sich abspielen. Das ist nicht ganz einfach. Danke.

Anna Hoff

Aber Sie sagen es gerade, die Trägerlandschaft ist ja extrem heterogen und trotzdem, und da haben wir jetzt schon auch darauf abgezielt, dass ja schon Geld jetzt zur Verfügung gestellt wurde, was sozusagen im Idealfall ankommt. Und das bräuchte es aber jetzt gerade im Blick auf die Verstetigung auch des Gesetzes. Aus ihrer Sicht, was muss der Bund sozusagen oder was kann er dann auch darüber hinaus vielleicht leisten, um eben Qualität oder den Rahmen noch besser zu setzen, um die Qualitätsentwicklung weiterzuentwickeln und voranzutreiben? Vielleicht auch gerade im Hinblick auf den Fachkräfteausbau?

Jörg Freese

Das sind natürlich ganz unterschiedliche Ansätze. Es gibt ja eben Kolleginnen und Kollegen, gerade im Bereich der Verbände, der Kinderbetreuungseinrichtungen und ihrer Träger, die zum Teil sagen, wir wollen, dass der Bund fachliche Standards festlegt, die bundesweit einheitlich überall gleich gelten. Das ist eine Meinung, der wir nicht angehören, weil wir ganz gut gefahren sind mit gewissen Unterschieden zwischen den Ländern. Aber ich glaube, wir sind inzwischen in einer gesellschaftlichen Bedeutung der Kindertagesbetreuung gelandet, dass wir sagen, es ist durchaus sinnvoll und erforderlich, vielleicht auch ein Stück weit, dass Bund und Länder und die Kommunen sich weiterhin zusammentun, um zu sagen, was sind die Gemeinsamkeiten? Was erfordern, was erwarten wir? Und da ist die Grundlage, Frau Ministerin Spiegel hat das ja schon völlig zu Recht gesagt, was wir damals in dieser Arbeitsgruppe erarbeitet haben: Was ist überhaupt Qualität? Das kann man vielleicht aktualisieren, aber das ist weiterhin Grundlage der Verhandlungen. Und dann muss man sagen: Wie kann der Bund sich daran sinnvoll beteiligen, auch im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz? Und da gibt es vielleicht noch Spielräume nach oben. Das wird meines Erachtens kein Bundesqualitätsgesetz mit Personalschlüssel und sonst so was sein, die auf Bundesebene verabschiedet werden. Aber da gibt es ja noch Spielraum, viel Spielraum zwischen dem, was jetzt ist, und einem solchen Bundesqualitätsgesetz. Die Länder, das muss man ganz deutlich sagen, die Länder haben sich, indem sie die Standards quasi für sich festgeschrieben haben und dem Bund gegenüber versprochen haben, dass dafür zu verwenden, die werden sie nicht absenken können, so ohne Weiteres nach Ablauf der fünf Jahre. Weil das zwar rechtlich theoretisch möglich ist, aber politisch so eine Art Selbstmord wäre. Also ich glaube, das macht niemand. Kann ich mir nicht vorstellen. Aber den Status quo zu erhalten ist ja nicht das Ziel, sondern wir wollen Qualität ja auch weiterentwickeln. Und deswegen brauchen wir sicherlich da auch weiterhin einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen und den freien Trägern. Um Doris Beneke auch mal zu Wort kommen zu lassen.

Anna Hoff

Genau. Danke schön für die Überleitung. Frau Beneke, da wäre ich natürlich sofort zu Ihnen gesprungen, um zu fragen, ob es tatsächlich aus Ihrer Sicht Unterschiede gibt in der Auswirkung des Gesetzes auf die freie Trägerlandschaft oder ob das sozusagen nicht auszumachen ist zwischen öffentlichen und freien Trägern?

Doris Beneke

Ja, guten Tag, auch erst mal in die Runde. Vielen Dank für die Einladung. Also Unterschiede zwischen freien und kommunalen Trägern in dem Sinne kann ich erst mal nicht ausmachen beziehungsweise da liegen uns auch einfach keine validen Daten dazu vor. Man muss sich ja noch mal vergegenwärtigen, wie sieht denn die Struktur aus der Unterstützung? Die Steuerung liegt bei den Ländern. Die Länder konnten nach Handlungsfeldern entscheiden, in welche Qualitätsbereiche sie sozusagen investieren wollen, welche Bereiche für ihr Land wichtig sind. Und da wird auch noch mal finde ich sehr deutlich, wie unterschiedlich die Ausgangslage schon in den Ländern ist. Es gibt ja keinen Bundesdurchschnitt von qualitativen Standards, den wir hier vorfinden. Sondern wir finden in jedem Land eine völlig andere Ausgangslage, was die Rahmenbedingungen anbetrifft, was die Richtlinien anbetrifft, was die Finanzierung anbetrifft. Und von daher ist sozusagen ein Unterschied zwischen freien und kommunalen, denke ich erst mal so nicht zu sehen. Für die freien Träger ist das Gute-KiTa-Gesetz auf jeden Fall ein Fortschritt gewesen und wird es auch hoffentlich weiter sein, weil auch wir von den Mitteln profitieren konnten. Allerdings immer in Abhängigkeit davon, wie das jeweilige Bundesland die Mittel gesteuert hat, in welche Bereiche sie die investiert hat und ob es dann auch die Bereiche waren, die für die freien Träger tatsächlich relevant sind. Ich nenne mal ein Beispiel für ein Handlungsfeld, was zumindest von einem Bundesland ja extrem gewählt wurde, nämlich die Gebührenbefreiung. Das ist nun kein Qualitätsmerkmal, das für die freien Träger im Vordergrund stand oder wichtig war. Für uns sind die personellen Standards wichtig, sind die Leitungsstandards wichtig, wie sie in der vorigen Runde auch sehr deutlich von Professor Strehmel beschrieben wurden. Also das sind Qualitätsbereiche, wo wir uns Unterstützung wünschen und wo wir ähnlich, wie Jörg Freese das schon gesagt hat, als Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege unbedingt die Fortsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes auch wollen, allerdings mit einer klaren Umsteuerung, was die Qualitätsbereiche und die Prioritätensetzung anbetrifft.

Anna Hoff

Jetzt sagt gerade Herr Freese, dass er nicht unbedingt diese Bundesstandards da im Vordergrund sieht. Und wir haben hier viele Stimmen, die sozusagen aber genau das auch noch mal betonen. Wir brauchen endlich einheitliche Standards, die in KiTas, egal ob in Kommunen oder freier Trägerschaft, gleiche Grundlagen schaffen. Wie sehen Sie das, Frau Beneke? Wie stehen Sie zu bundeseinheitlichen Standards im Hinblick auf die Qualitätsentwicklung?

Doris Beneke

Also in der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege gibt es dazu unterschiedliche Positionen. Das heißt, ich kann hier nicht eine einheitliche Position vertreten, will aber noch mal ein paar, sage ich jetzt mal, strukturelle Hinweise dazu geben. Natürlich ist es ein erstrebenswertes Ziel, irgendwann mal vergleichbare Standards in dieser Bundesrepublik zu haben. Aber wir müssen noch mal genau hingucken, was ist die Ausgangslage? Die ist in den Ländern dermaßen unterschiedlich. Also sowohl bezogen auf zum Beispiel Öffnungszeiten der KiTas. Wie viel Personal brauche ich denn da? Dann gibt es unterschiedliche Ausgangslagen, mit welchem Fachkraftprofil, mit welcher Fachkraft oder Fachkraft-Kind-Schlüssel gearbeitet wird. Auch da ist die Frage, welche Form von Einrichtungen haben wir? Wir hatten eben in der ersten Runde ein Familienzentrum. Ist unter Umständen eine andere personelle Ausstattung notwendig, als wenn es eine ganz andere Einrichtung ist, mit ganz anderen Schwerpunkten. Und ich möchte nur darauf hinweisen, wenn Bundesstandards gewollt werden, heißt das, dass man die gesamte Finanzierungsstruktur, wie sie derzeit existiert, verändern muss. Derzeit sieht das SGB Acht vor, dass die Länder die Hoheit haben bei der Finanzierung und der Ausstattung der Kindertageseinrichtungen. Wenn sie in Richtung bundeseinheitliche Standards gehen wollen und ich fokussiere hier mal auf personelle Ausstattung, nicht auf die anderen Bereiche, dann bedeutet das für mich, dass sie quasi eine Änderung des Sozialgesetzbuches Acht vornehmen müssen und der Bund dann tatsächlich dauerhaft in die Finanzierung einsteigen muss, zum Beispiel von Personalkosten. Das sind Schritte, die kann man wollen, die kann man nicht wollen. Sie werden aber auf jeden Fall Zeit brauchen. Und ich gucke aus der Perspektive der freien Träger im Moment eher auf den Prozess, der jetzt gelaufen ist. Der ja nach vielen, vielen Jahren, wo nichts möglich schien an Verständigung, doch ein Riesenerfolg ist. Es ist gelungen, alle Länder in diesen Prozess einzubinden. Alle machen mit. Alle Träger machen mit. Das, finde ich, ist eine Basis, von der aus man sich weiterentwickeln kann. Und ich würde eher empfehlen zu sagen, es muss eine nächste Runde geben. Noch in der Struktur, wie wir es jetzt hier hatten. Mit aber neu gesteuerten Prioritätensetzungen. Also Handlungsfelder bitte neu sortieren und neu priorisieren und dann gucken, wie weit kommt man damit, wenn es um die Vergleichbarkeit geht? Und wenn es die nicht gibt, woran liegt die? Was sind denn die Ursachen für die mangelnde Vergleichbarkeit? Es kann ja auch sein, dass je nachdem, wie das Angebot ausgestaltet ist, wieder Stichwort Öffnungszeiten, dass wir tatsächlich unterschiedliche Ausstattungen brauchen. Dann kann man sich vielleicht auf Beschreibungen verständigen. Aber Sie müssen immer im Kopf behalten, was das von der Umstrukturierung auch auf rechtlicher Basis bedeutet, wenn Sie das angehen. Und mir wäre im Moment ehrlich gesagt lieber, die Länder bleiben im Boot, um mal in diesem Bild zu bleiben und machen weiter mit. Weil ich fürchte, wenn das zu früh gestellt wird, diese Forderung, dass sowohl die kommunalen Spitzenverbände als auch einige Länder aussteigen. Und dann haben wir sozusagen nicht mal mehr das, was wir jetzt haben. Das fände ich bedauerlich. Also pragmatisch im Weiteren vielleicht eher in Einzelschritten vorangehen.

Anna Hoff

Herr Freese, gerade die Qualitätsentwicklung oder ein Auftrag oder Aufgabe der Träger ist es sozusagen, die Qualitätsentwicklung in den KiTas auch zu begleiten und voranzubringen. Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Fachberatung, gerade auch der Träger für die einzelnen Einrichtungen? Wie sehen Sie das? Wird das genutzt? Muss es mehr genutzt werden? Wie funktioniert das sozusagen?

Jörg Freese

Ja, da fragen Sie jemanden, die Landkreise sind ja diejenigen, die Fachberatung auch anbieten selbst und zwar trägerunabhängig. Gerade in der freien Trägerlandschaft ist es natürlich so, dass meistens die Träger als Institution, die Organisation, die Kreis- oder Landesverbände da eigene Fachberatung anbieten, sodass sie die öffentliche nicht unbedingt in Anspruch nehmen. Aber diese Aufgabe nehmen wir natürlich sehr ernst, weil wir letztlich als Kreise und Städte ja den Auftrag haben, Quantität und Qualität der Kindertagesbetreuung sicherzustellen.

Anna Hoff

Und haben Sie genug Zeit dafür und Ressourcen sozusagen, das durchzuführen?

Jörg Freese

Also das ist immer die Frage, die man immer ganz pauschal so beantworten kann: Nein, natürlich nicht. Haben wir nie. Das ist so. Weil das, wenn man es ernst nimmt, dann ist es natürlich und das tun wir, müsste man tatsächlich die Einrichtung noch viel stärker, sozusagen noch viel stärker monitoren und vieles von dem, was Frau Kuger an tollen Zahlen sozusagen bundesweit darstellt, vielleicht auch einiges davon einfach wissen für das, was im Preis passiert oder was im Pflegebereich passiert und so weiter. Dafür ist nie genug Zeit da. Aber es reicht letztlich, um tatsächlich Qualität zu beurteilen und sicherzustellen, dass das, was landesrechtlich vorgegeben ist, dass das auch eingehalten wird. Und mehr werden wir sicherlich auch in Zukunft so nicht hinkriegen, weil wir die Fachkräfte, die wir haben, dringend. Ich bin auch für den Gesundheitsbereich zuständig. Da sagt man immer die Pflegekräfte, die brauchen wir am Bett und hier brauchen wir sie am Kind, die Fachkräfte, und nicht unbedingt noch mehr Fachkräfte mehr oder weniger in der Verwaltung und Aufsicht. Ich habe ja gesagt, das ist das große Nadelöhr, das wir haben. Und das wird sich auch leider absolut nicht ändern, sondern wir müssen alle Anstrengungen darauf kaprizieren, dass wir da die Fachkräfte gewinnen, die wir brauchen in den nächsten Jahren und dass wir die Fachkräfte, die wir haben, halten und dass wir die, die Teilzeit arbeiten, möglichst motivieren, so viel Stunden wie möglich zu arbeiten und so weiter. Also und Männer in die KiTas und so weiter. All diese Fragen, das müssen wir noch mit viel mehr Nachdruck machen. Das ist eigentlich die wesentlich entscheidendere Frage, weil ansonsten können wir über Personalstandards ganz viel reden. Meine These ist, kein Land hat mir das jemals bestätigt, aber meine These ist: Viele sind auch in Beitragsfreiheit geflüchtet sozusagen beim Gute-KiTa-Gesetz, weil sie Sorge hatten, dass sie Personalstandards zwar einführen könnten, aber die Träger es letztlich nicht schaffen würden, das Personal zu gewinnen. Wir haben ja vereinzelt immer noch Kindertageseinrichtungen, die fertig gebaut sind, neu, die nicht eröffnet werden können, weil Personal fehlt. Das ist kein Massenphänomen, aber das gibt es. Und insofern ist es natürlich wichtig, dass wir an dieser Schraube was drehen. Und da bin ich der festen Überzeugung, wenn das gelingt, wenn wir absehbar genug Personal gewinnen können, dass wir dann auch die Standards tatsächlich sukzessive anpassen können nach oben. Ich war nicht auch für ein Bundesqualitätsgesetz. Ich bitte nur einen Satz dazu sagen zu dürfen. Jeder, der dafür ist, soll immer bedenken, wo sind dann die Standards, die bundesweit festgelegt sind? Die sind dann ganz unten, die sind dann beim Schwächsten, die sind nicht beim Besten. Das wird nicht passieren. Also insofern bitte aufpassen.

Anna Hoff

Da kann man wahrscheinlich auch länger drüber streiten.

Jörg Freese

Danke, ich höre schon auf.

Anna Hoff

Entschuldigung, ich will Sie gar nicht unterbrechen, nur auch mit Blick auf die Zeit. Und wahrscheinlich kann man da jetzt auch wieder länger drüber diskutieren. Habe ich eine Frage an Frau Beneke, weil gerade hier, wir haben natürlich sehr viele KiTa-Leitungen oder Einrichtungsleitungen auch hier, die mit uns gemeinsam diesen Fachtag bestreiten. Und die Frage der Leitungskapazitäten ist immer eine sehr, sehr große, auch gerade hier im Chat. Und gerade Träger und KiTa-Leitung können sich ja durchaus gegenseitig entlasten beziehungsweise da geht es ja ganz klar um eine klare Aufgabenverteilung. Und wie sieht Ihrer Meinung nach eine ideale Aufgabenverteilung zwischen der KiTa-Leitung und den Trägern aus? Gibt es sowas, die ideale Aufgabenverteilung, das ideale Zusammenspiel? Wie müsste das beschaffen sein?

Doris Beneke

Also eine ideale Aufgabenteilung, finde ich einen schwierigen Begriff dafür, dass es einfach unterschiedliche Aufgaben gibt für Träger und für Leitungen. Welche Aufgaben es für Leitungen gibt, haben wir, glaube ich, in der vorigen Runde sehr eindrücklich von der Einrichtungsleitung gehört. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Der Träger hat aus meiner Sicht die Leitung in all diesen Belangen zu unterstützen. Und das bedeutet eben auch, dass die Leitung Zeitkapazitäten dafür braucht. Und das ist sicherlich noch nicht mal ansatzweise ausreichend umgesetzt, egal in welches Land ich gucke. Der Träger hat sozusagen die übergeordnete Aufgabenwahrnehmung. Also er hat natürlich dafür Sorge zu tragen, dass die Finanzmittel entsprechend beantragt werden, die möglich sind, dass er dort, wo notwendig, die Eigenanteile einbringt. Er hat natürlich auch die Dienst- und Fachaufsicht über die Leitung, allerdings die Leitung dann wiederum über das KiTa-Personal. Und er hat natürlich die Leitung in all den Fragen, Konzeptionsentwicklung, Kommunikation mit Eltern, Weiterentwicklung der Einrichtung insgesamt natürlich auch zu unterstützen. Aber der Träger hat natürlich nicht sozusagen die direkte Aufgabenwahrnehmung in der Einrichtung selber oder gegenüber dem Team in Permanenz umzusetzen. Von daher gibt es da getrennte Aufgabenbereiche für Träger und für Einrichtungsleitungen. Auf der Trägerebene fällt mir auf, dass wir immer von den Trägern reden, aber eigentlich differenzieren müssen zwischen den unterschiedlichen Trägerstrukturen, die wir haben. Wir haben große Träger, wir haben Trägerverbünde, in der die Aufgaben auf sehr professionellem Niveau wahrgenommen werden. Da gibt es pädagogische Leitungen, da gibt es betriebswirtschaftliche Leitungen in großen Zusammenschlüssen. Wir haben aber eben auch am anderen Ende kleine Einrichtungen. Träger, die überwiegend ehrenamtlich arbeiten, die das sozusagen ehrenamtlich, zeitlich und auch von ihrem Engagement einbringen und die nicht unbedingt die professionelle Kompetenz haben, die große Träger haben. Also da macht sich ein riesiges Spektrum auf, an dem auch gearbeitet werden muss und da spielt dann unter Umständen die Fachberatung noch mal eine ganz entscheidende Rolle, die natürlich auch Träger unterstützen kann, die Einrichtungen unterstützt. Das, finde ich, ist ein wichtiges Pfund, was wir auch im Bereich der freien Träger haben. Wir haben immer auch, teilweise komplett aus Eigenmitteln, Fach- und Praxisberatung unterstützt, eingestellt und finanziert. Da ist sicherlich eine Ausbaufähigkeit da. Trotz Fachkräftemangel darf man das, glaube ich, nicht nach hinten stellen. Aber in der Aufgabenwahrnehmung der Träger hängt es eben auch noch mal sehr stark davon ab, welche Möglichkeiten sie überhaupt haben, welche Rahmenbedingungen sie haben. Und ich glaube, wir sind uns einig bei den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, dass auch die Qualifizierung der Träger in den Blick genommen werden muss. Das ist jetzt kein Votum für ein neues Handlungsfeld im Gute-KiTa-Gesetz. Da müssen wir, glaube ich, auch selber noch mal gucken, wie wir das unterstützen können durch eigene Angebote. Aber das ist für mich eine große Herausforderung, auch die Träger bei der Qualitätsentwicklung mit Bezug auf ihre eigenen Aufgaben stärker in den Blick zu nehmen.

Anna Hoff

Danke schön an dieser Stelle. Erste Frage an Sie aus dem Chat, Herr Freese, oder an Sie beide vielleicht auch noch mal, wenn Sie beide noch einen kurzen Satz dazu sagen möchten. Ehrenamtliche Träger dürfte es nicht geben. Die Professionalisierung der Träger müsste ein bundesweiter Standard sein. Das wäre ein erster Schritt. Möchten Sie eine abschließende Bewertung gerade zu der Sicht der Bundesstandards für allgemein die Trägerstruktur? Was ist Ihr Eindruck auf diese Frage?

Jörg Freese

Ich versuche einfach mal zu antworten und dann können Sie gerne. Also ich bin etwas überrascht, habe ich so noch nie gehört, weil ich kenne da keine Zahlen. Aber ich glaube, es ist die Zahl der betreuten Kinder, die in solchen ehrenamtlichen Trägerstrukturen betreut werden, ist wahrscheinlich nicht übermäßig hoch. Insofern ist das wahrscheinlich gar nicht so eine zahlenmäßig so ganz relevante Frage. Das würde ich gerne mal sozusagen an unsere Praxis rückkoppeln und sagen: Haben Sie da Eindrücke? Was ich in meiner Privat-Empirie gehört habe in meinem neuen Heimatkreis, ist eher nicht so, weil die Strukturen leicht zusammenbrechen. Deswegen – das würde eher dafür sprechen: Ja, lasst es lieber sein, so ehrenamtlich, weil sie halt eben schneller wieder kaputt gehen, solche Strukturen. Während die Träger doch wesentlich mehr Gewähr dafür bieten, dass sie es langfristig machen. Aber wie gesagt, das würde ich nicht zu einer bundesweiten Gesetzgebung jetzt aufnehmen. Aber ist eine interessante Idee.

Anna Hoff

Alles klar. Frau Beneke, ein Gedanke dazu?

Doris Beneke

Ja, vielleicht bin ich auch falsch verstanden worden. Wenn ich von ehrenamtlichen Trägern spreche, meine ich die Strukturen wie zum Beispiel Elterninitiativen oder auch Kirchengemeinden, wo ehrenamtliche Gremien oder Gremien, die ehrenamtlich tätig sind und nicht hauptberuflich dafür bezahlt werden, die Trägerschaft und die Trägerverantwortung für KiTas übernehmen. Wenn sie das bundeseinheitlich gestalten wollen, würden Sie die Trägervielfalt aufgeben. Das glaube ich, da möchte, glaube ich, keiner dran. Von daher ist die Forderung nach bundeseinheitlichen Standards an dieser Stelle aus meiner Sicht falsch. Es muss darum gehen, wie man die Trägerstrukturen, die es gibt und die sich bewährt haben. Kein Mensch möchte doch Elterninitiativen oder hoffentlich auch nicht Kirchengemeinden als Träger abschaffen. Wir müssen einfach gucken, wie wir qualifizieren und Qualifizierungsinstrumente auf den Weg bringen. Das wäre für mich der Ansatz und bundeseinheitliche Standards an dieser Stelle, das ist für mich auch mittlerweile ein ziemlich ausgenudelter Begriff, der die Differenzierungen, die in diesem Feld nötig sind, egal ob auf Einrichtungsebene oder auf Trägerebene, in der Regel einfach nicht trifft.

Anna Hoff

Danke an dieser Stelle. Das lassen wir mal so stehen. Danke an Herrn Freese und Frau Beneke für die Trägerrunde.

Gesprächsrunde 3: Bund und Land
Aziz Bozkurt, Staatssekretär für Schuldigitalisierung, Jugend und Familie bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie
Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Anna Hoff

Und wir gehen weiter in die nächste Runde und schauen uns an, wie das Zusammenspiel beim Gute-KiTa-Gesetz zwischen Bund und Ländern beschaffen ist und was wir da für die Zukunft lernen können. Und ich freue mich sehr auf meine beiden nächsten Gesprächsgäste Ekin Deligöz. Sind Sie schon da? Ah, da sind Sie, jetzt kann ich Sie sehen. Hallo zusammen. Sie ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages, sitzt dort für Bündnis 90/Die Grünen und ist seit Dezember 2021 Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Und sie vertritt heute hier in unserer Runde den Bund. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie da sind. Und ich begrüße Aziz Bozkurt. Er ist Staatssekretär für Jugend, Familie und Schuldigitalisierung in der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und vertritt hier die Anliegen quasi der Bundesländer. Herzlich willkommen! Sie kriegen es vielleicht so ein bisschen mit: Wir haben viele Menschen hier mit uns im digitalen Raum. Es ist sehr lebendig, es geht sehr lebendig zu hier auch im Chat. Ich versuche an der einen oder anderen Stelle, alle oder viele Ihrer Anmerkungen und Fragen einzubringen. Ich freue mich. Es ist auf jeden Fall – es sind viele. Ich würde gerne mit Ihnen, Herr Bozkurt, starten und eigentlich ja mit einer kleinen Erfolgsgeschichte vielleicht starten, weil alle 16 Bundesländer den Vertrag mit dem Bund im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetz geschlossen haben. Ich denke, so viel können wir sagen, das ist auf jeden Fall ein Erfolg so weit. Die Motivation für diese Art der Kooperation ist eben hoch. Und was würden Sie sagen jetzt im Hinblick auf die letzten dreieinhalb Jahre oder nicht ganz. Was sind so die Erfolgsfaktoren dieser Bund-Länder-Kooperation so im Bereich der frühkindlichen Bildung?

Aziz Bozkurt

Also ich glaube, den Prozess muss man ja erst einmal – erst einmal Hallo – den Prozess muss man ja etwas länger betrachten. Seit 2014, wo wir ja ein Verfahren haben und einen Prozess, wo wir miteinander im Gespräch waren und wir das als tatsächlich sehr wertschätzend auch empfunden haben, wie der Umgang mit Akteuren war und das ganze Zusammenspiel. Das ist eine Säule, das wertschätzende Zusammenarbeiten. Und das zweite ist natürlich ein besonderer Erfolgsfaktor des Gute-KiTa-Gesetzes, dass die Gegebenheiten vor Ort beachtet werden, dass man Raum lässt und Handlungsspielraum setzt mit einem gewissen Rahmen. Dass jedes Bundesland, je nachdem, wie die Voraussetzungen sind, wie die Geschichte des Landes ist, reagieren kann und eigene Maßnahmen dann auf den Weg bringt. Immer in Kooperation und Absprache mit dem Bund. Und ich glaube, das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, dass wir Qualitätsverbesserung erreicht haben.

Anna Hoff

Jetzt bin ich wieder da, Entschuldigung. Danke schön, Herr Bozkurt. Frau Ekin, was würden Sie sagen? Eine Frage, die hier immer vielfach gestellt wird, ist natürlich, wie der Bund auch nachhaltig an der Qualitätsentwicklung der Kitas und der Kindertagespflege-Einrichtungen beteiligt werden kann. Wie kann das sichergestellt werden?

Ekin Deligöz

Liebe Frau Hoff, der Nachname ist Deligöz, der Vorname ist Ekin, aber wenn es Ihnen lieber ist, können Sie mich auch gerne Ekin kennen. Geschätzter Kollege Bozkurt, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir sind überwältigt über die Menge der Menschen, die heute Vormittag mit uns heute hier sind. Sie haben das ja schon an den technischen Schwierigkeiten gesehen, dass wir nicht ganz auf diese Masse vorbereitet waren. Aber umso wichtiger ist es und es bestätigt uns im Ministerium, wie wichtig dieses Thema ist, nicht nur für uns im Ministerium, sondern insbesondere für Sie, die ja Expertinnen und Experten der Sache sind und die tagtäglich daran arbeiten und Ihre Erfahrungen Gott sei Dank mit uns teilen, sodass wir gemeinsam zu besseren Ergebnissen kommen können. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir nicht nur ein Thema anpacken, sondern dranbleiben, es fortsetzen, hohe Ziele stecken und versuchen, diese hohen Ziele zu erreichen. Einer dieser hohen Ziele ist sicherlich nach wie vor, dass wir noch gar nicht am Ende des Ausbaus sind. Wir brauchen auch quantitativ immer mehr Plätze, immer mehr Ganztagseinrichtungen übrigens, auch das ist ein Thema. Und der zweite Punkt und darüber reden wir ja im Gute-KiTa-Gesetz-Bereich: die Qualität in den Einrichtungen. Es geht darum, die besten Bedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort zu schaffen. Und warum sage ich das? Zu diesen Bedingungen gehört das, wofür die meisten Menschen sich für diesen Beruf entscheiden, nämlich pädagogische Kräfte zu sein, die Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen, ihnen Chancen schaffen, Türen öffnen, Möglichkeiten geben, sich zu entwickeln, sich einzubringen. Und genau dafür brauchen wir die besten Rahmenbedingungen. Und am besten erreichen wir diese Rahmenbedingungen, wenn Bund und Länder, also die politischen Kräfte, zusammenhalten und gemeinsam mit den Verbänden, mit den Trägereinrichtungen, mit Ihnen, die vor Ort arbeiten, ein Bündnis – ein starkes Bündnis – gründen, um das auch gemeinsam voranzubringen. Und damit nicht nur die Kultur in diesem Land ein Stück weit damit verstetigen, sondern auch nach außen hin signalisieren, dass es ein sehr, sehr wichtiges Feld ist für jedes Kind.

Anna Hoff

Vielen Dank. Und entschuldigen Sie bitte die Namensverwechslung. Herr Bozkurt, die praktische Umsetzung des Gesetzes einmal in den Ländern: Welche Erfahrungen haben die Länder gerade mit der ganz konkreten Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetz gemacht? Was würden Sie sagen, lief aus Ihrer Sicht schon ganz gut und was sollte jetzt gerade bei einer Weiterführung des Gesetzes berücksichtigt werden?

Aziz Bozkurt

Wir hatten ja die Vorgaben der Handlungsfelder und haben auf der Basis dann individuell zugeschnittene Maßnahmen umsetzen können. Und das Vorgehen haben wir als Berliner sehr förderlich empfunden. Und der Rahmen und der Partizipationsprozess war sehr gut. Der Partizipationsprozess hat aber auch schon dazu geführt, dass wir einen langen Zeitraum hatten, bis wir einen Vertragsschluss hatten in allen Bundesländern bis Ende 2019, sodass viele Maßnahmen dann später begonnen werden konnten und rückwirkend tatsächlich nur vereinzelt und in begrenztem Maße Maßnahmen umgesetzt werden konnten. Das war ein Punkt. Und womit wir alle nicht gerechnet haben, war das Thema Kommune und dass gewisse teilweise Maßnahmen nicht beginnen konnten, später beginnen konnten, zeitverzögert. Und da haben wir mit der Unterstützung des Bundes eine Vielzahl von Maßnahmen noch mal umsteuern können. Das ist natürlich auch ein wichtiger Punkt, den man betrachten muss. Nicht, dass Fälle wie Corona jetzt permanent auftreten sollten oder werden, aber dass man da eine gewisse Flexibilität mit betrachtet. Und hervorzuheben ist tatsächlich noch der Punkt der wissenschaftlichen Begleitung des Gute-KiTa-Gesetzes. Und wir haben ja auch durch diese Begleitung noch neue Datenmengen, die Befragung der Eltern und so weiter, was viel Neues an Informationen zutage gefördert hat. Und das sind wichtige Punkte.

Anna Hoff

Danke schön. Frau Deligöz, hier im Chat habe ich einige Stimmen. Jenseits des Gute-KiTa-Programms gibt es ja eine Vielzahl von Bundesprogrammen, die die frühkindliche Bildung prägen und es scheint hier sehr viele Menschen sehr umzutreiben. Deswegen stelle ich einmal diese Frage: Inwiefern gerade das Bundessprachprogramm „Sprach-Kitas“ in irgendeiner Form auch weitergeführt wird oder vielleicht auch mit als Bundesstandard sozusagen gesetzt wird? Weil gerade Sprache natürlich ein Schlüssel zur Welt ist und auch im Rahmen von Förderungen irgendwie eine zentrale Rolle spielt. Ich stelle Ihnen diese Frage, weil sie vielfach gestellt wurde heute Vormittag schon, und Sie sind die Frau, die für uns vielleicht Aufschluss geben kann.

Ekin Deligöz

Ja, Frau Hoff, vielen Dank für diese Frage. Ich habe natürlich zeitweise den Chat mitverfolgt, bin ja auch schon seit heute Morgen drin. Ich bedaure sehr, dass auch ich zu denen gehöre, die leider die Rede der Ministerin nicht mitgehört haben, weil selbst wir hier sind nicht sofort reingekommen. Aber ich würde das gerne nutzen, um mit einer anderen Sache anzufangen, nämlich mit der Haltung von Herrn Freese in der vorherigen Runde. Ich bin ja jetzt schon sehr lange im Bundestag und kämpfe und arbeite und setze mich sehr lange schon für den Ausbau der Kindertagesbetreuung ab dem ersten Lebensjahr ein. Und viele dieser Diskussionen, die wir hier auch erleben, wiederholen sich. Ich weiß, dass die Kommunen und die Landkreise immer schon mit einer gewissen angezogenen Handbremse gelaufen sind, weil natürlich sie diejenigen sind, die das Ganze umsetzen müssen, weil sie natürlich die Konsequenzen des politischen Handelns auf der Bundesebene am Ende austragen müssen. Es geht um Geld, es geht um Kapazitäten, es geht um Möglichkeiten, es geht um Steuerung, vieles mehr. Das ist mir alles bewusst. Und zeitgleich habe ich mich immer gefragt: Warum können wir nicht alle etwas ehrgeiziger sein? Als Mutter von zwei Kindern war ich dankbar, dass ich wirklich gute Kinderbetreuungseinrichtungen hatte, weil ich wusste, bei manchem, was ich nicht kann, helfen mir die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen und klären mich als Mutter auf und sie sind für meine Kinder da. Und das war das Wichtigste und das war das Notwendigste. Und da geht es nicht nur – und das betone ich, weil das immer oft darauf reduziert wird – um Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für alle Mütter, alle Väter, die ihre Kinder in der Kita abgeben, in einem frühkindlichen Bereich oder später, geht es nicht nur darum, dass wir dann nebenher toll arbeiten können, sondern es geht um unsere Kinder. Wir wollen die besten Startchancen ins Leben für unsere Kinder schaffen. Die meisten von uns freuen sich immer wieder, wenn dann unsere Kinder nach Hause kommen und erzählen, was sie gebastelt, was sie gemalt, was sie gelernt haben. Durch meine Kinder habe ich nämlich unheimlich viel übrigens über Fledermäuse gelernt. Mein Sohn war in einer Fledermaus-Gruppe wohlgemerkt, aber an vielen anderen Stellen auch. Und gerade weil meine Biografie so ist, wie sie ist als Migrantenkind, weiß ich auch, wie wichtig es ist, Sprache von Anfang an gefördert zu bekommen. Sprache ist der Zugang zum Lernen, zur Integration, zu Teilhabe nicht nur mit den gleichaltrigen Kindern, sondern auch in die Gesellschaft hinein, in die Bildungseinrichtungen hinein. Und je früher wir damit anfangen, unsere Kinder darin zu fördern. Und wohlgemerkt: Mir geht es nicht darum, dass die Kinder möglichst früh Englisch oder eine andere Fremdsprache lernen, sondern dass sie kommunizieren können, dass sie in der Sprache des Landes, wo sie sind, kommunizieren können, dass auch ihre Muttersprache nicht zu kurz kommt. Und das steckt hinter der Idee der Sprach-Kitas. Wie können wir Kinder abholen, wo sie sind, sie unterstützen? Übrigens: Es geht längst nicht mehr nur um Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, wo womöglich zu Hause eine andere Sprache gesprochen wird. sondern es geht auch um deutsch-deutsche Kinder, die auch in die Kita kommen und durch die Sprachförderung profitieren in ihrer Kommunikationsfähigkeit. Deshalb gibt es ein Modell – das ist auch ein Schritt gewesen, an die Kommunen zu sagen: Hier gibt es einen Bedarf. Wie können wir euch von der Bundesebene her möglichst gut unterstützen in den Kapazitäten, Möglichkeiten, auch Finanzstruktur? Wir sind jetzt gerade wieder im Haushaltsaufstellungsverfahren und wir kämpfen wieder darum, dass es eine Verlängerung von diesem Erfolgsprogramm geben wird. Und dass das ein Erfolgsprogramm ist, das zeigen uns die Zahlen, die sprechen eine ganz klare Sprache. Die Nachfrage ist groß, die Erfahrungen sind gut. Die Menschen, die dort arbeiten, bestätigen uns, wie gut auch die Voraussetzungen dafür sind. Und der Erfolg: Das misst sich dann an dem Bildungserfolg, Teilhabe- und Chancenerfolg unserer Kinder. Das werden wir nicht von jetzt auf sofort messen können. Aber darum geht es auch gar nicht, sondern es geht darum, die Rahmenbedingungen fürs Aufwachsen in Deutschland zu setzen. Am liebsten wäre es mir, wenn wir genau dieses Programm, weil es erfolgreich ist, verstetigen können, aber nicht in Form von einem Programm, sondern in Form von Qualitätsmaßstäben, die wir in einem Gesetz überführen, so dass wir das als einen Teilbereich unseres Qualitätsinstrumentariums mit aufnehmen. Aber das wird die weitere Debatte und auch der Verhandlungsprozess zeigen. Und da komme ich wieder zurück zu dem, womit ich angefangen habe. Erst dann, wenn wir ein großes Bündnis in dieser Gesellschaft haben: Bund, Länder, Kommunen, die Kolleginnen und Kollegen in Berlin, aber nicht nur dort, sondern in allen Bundesländern und Sie nicht nur als Träger, sondern auch als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Institutionen. Wir alle müssen ein Bündnis für unsere Kinder schließen und das bedeutet auch den Willen dazu, bestimmte Maßstäbe auch festzuschreiben. Und das wäre dann das Qualitätsgesetz.

Anna Hoff

Herzlichen Dank, Frau Deligöz, für dieses sehr starkes Statement. Herr Bozkurt, wie können einheitliche Bundesstandards und individuelle Länderschwerpunkte langfristig nebeneinander gut bestehen und sich weiterentwickeln Ihrer Meinung nach?

Aziz Bozkurt

Damit das nicht ganz abgehakt ist, das Gespräch, wenn ich kurz darauf eingehen kann, was Frau Deligöz gesagt hat. Ich möchte das gerne unterstreichen, was sie gesagt hat. Gerade das Thema Sprach-Kitas, welche Bedeutung das hat und auch, dass es tatsächlich um alle unsere Kinder in Deutschland in unseren Städten geht. Also nur mal ein Beispiel auch meine Kinder. Ich wurde am Anfang gefragt, als meine Kinder in die Kita kommen sollten, ob wir auch noch eine zweite Sprache sprechen und habe das bejaht. Ob ich das dann ganz durchgehalten habe, ist eine andere Frage, weil es tatsächlich sehr anspruchsvoll ist. Die Kita kriegt dann eine höhere Förderung, sage ich mal, aber ich glaube, Kinder, die es jetzt nicht mit einem Elternteil zu tun haben, die sich sehr mit dem System beschäftigt haben, die einen Aufstieg hinter sich haben, die sind dann trotzdem benachteiligt, obwohl sie vielleicht keine zweite Herkunftssprache haben. Von daher geht es wirklich um alle unsere Kinder. Das sollten wir immer dabei bedenken. Und was Frau Deligöz gesagt hat, kann man gut machen, glaube ich, in so einem Qualitätsgesetz dann mit reinzugießen. Aber was wichtig ist und nicht vergessen werden sollte, ist, dass es einen Übergang geben muss. Das heißt, dass nicht die Programme, die wir jetzt haben mit den Sprach-Kitas, abrupt enden und dann beginnt irgendwann etwas Neues. Der Übergang muss da gut bedacht sein. Das ist uns da aus Berliner Perspektive noch mal sehr wichtig. Und zu Ihrer Frage einheitliche Bundesstandards. Also das Gute-KiTa-Gesetz gibt ja einen sehr guten Rahmen. Wir haben die Oberziele, die definiert sind. Wir haben die Handlungsfelder, an denen man sich orientiert. Und durch eine wissenschaftliche Begleitung ist der Rahmen ja auch sehr eng gesteckt und wird auch immer wieder kontrolliert. Von daher finden wir, das hat sich bewährt und sollte weiterhin behalten werden. Und beim Thema bundeseinheitliche Standards ist ja auch immer wieder die Frage: Wer meint was, wenn er über Standards redet? Und das ist ja tatsächlich sehr unterschiedlich in den Bundesländern. Und wie gesagt, die Herausforderungen sind sehr unterschiedlich. Die historischen, soziokulturellen Entwicklungen sind ganz anders und die Ausgangslagen. Von daher muss man da vorsichtig sein, wenn man von einheitlichen Qualitätsstandards spricht. Und wie gesagt, muss dann alles miteinander genau betrachten. Es sollte nicht zu festgesteckt sein. Wie gesagt, sonst verlieren wir tatsächlich an Qualität, die wir mit dem Gute-KiTa-Gesetz haben. Und in die Richtung sollte das tatsächlich nicht gehen.

Anna Hoff

Und trotzdem ist ja jetzt im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass es ein bundesweites Qualitätsstandard oder ein Qualitätsgesetz geben soll. Wie können da die Länder dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag bestmöglich unterstützen, Ihrer Meinung nach?

Aziz Bozkurt

Also die Länder nehmen ja schon ihre Verantwortung sehr ernst. Das heißt beispielsweise in Berlin stecken wir auch jährlich 2,2 Milliarden in das Kita-System rein. Das heißt, da muss jedes Bundesland natürlich auch die eigene Verantwortung wahrnehmen, was wir sehr tun. Aber es gibt halt auch Themen wie den Fachkräftemangel, der aufgezeigt wird, und das heißt allein mit bundesweiten Qualitätsstandards wird die Herausforderung – ja, also man muss die Herausforderungen dann gemeinsam betrachten. Berlin ist auf jeden Fall sehr dankbar für das enge Engagement. Vielleicht eine Idee mitgegeben, weil ich auch im Bereich Schuldigitalisierung eine Verantwortung habe: Dort haben wir beispielsweise im Digitalpakt den Punkt, dass wir einen gewissen Anteil der Mittel als länderübergreifende Maßnahmen umsetzen müssen. Das wäre jetzt auch noch einmal eine Idee, die man vielleicht mit rein gibt. Wollen wir vielleicht nicht einen kleinen Teil des Gesamtbudgets auch als Verpflichtung, länderübergreifende Ideen zu entwickeln, sodass gemeinsam auch über Qualitätsstandards – jetzt nicht unbedingt immer bundesweit – nachgedacht werden muss? Aber vielleicht auch zwei Länder, die ähnliche Herausforderungen haben, die ähnliche Hintergründe haben, dass die vielleicht sanft gezwungen werden, da einen gemeinsamen Weg zu gehen. Das könnte vielleicht noch einmal eine Idee sein. Wie gesagt, ein Korsett auf Bundesebene über alles zu legen, das wäre tatsächlich sehr schwierig. Vielleicht abschließend doch noch zwei Punkte, die man bedenken sollte. Einmal ist es wichtig, wenn man das Gute-KiTa-Gesetz verlängert, dass wir tatsächlich da auch eine Übergangsphase herstellen. Das heißt, bis Ende 2022 alle Maßnahmen abzuschließen, wird, glaube ich, schwierig und vielleicht auch nicht an jeder Stelle sinnvoll. Das heißt, man sollte schon gucken, dass man ins Jahr 2023, bis ins Ende im ersten Halbjahr, einen Übergang bewerkstelligen kann. Und ein Punkt, den man auch, glaube ich, noch nicht so bedacht hatte, den man mit bedenken sollte: Die Umsetzung, die Planung der Maßnahmen bedürfen ja auch personeller Ressourcen. Vielleicht sollte das auch noch einmal in einem zukünftigen Gesetz mit bedacht werden.

Anna Hoff

Danke schön. Frau Deligöz, Herr Bozkurt, ich würde Sie gerne abschließend zu unserer dritten Fachrunde fragen – gerade auch im Hinblick darauf, dass wir mit sehr vielen Einrichtungsleitungen und auch Trägern hier im Netz unterwegs sind: Woran merken die Menschen da draußen, gerade auch in den Kita-Leitungen und pädagogische Fachkräfte und alle, die sozusagen tagtäglich in den Einrichtungen sich um gute Kita, Bildung und auch um gute Pflege kümmern, dass sie von der Politik in Bund und in den Ländern ernst genommen werden?

Aziz Bozkurt

Wer darf?

Anna Hoff

Bitte. Wer möchte. Als abschließendes Statement.

Aziz Bozkurt

Während der Pandemie bis zum 24. Dezember war ich ja noch nicht Staatssekretär und war noch in Teilzeit. Von daher kann ich aus der Perspektive auch berichten. Einmal ist es wichtig, dass viele Familien auch während der Pandemie das Gefühl hatten, so das letzte Stückchen oder der letzte Part zu sein, an den gedacht wird und um den es geht. Wir haben häufig aus medizinischer Perspektive um vulnerable Gruppen uns unterhalten, meinten damit aber nicht die Kinder beispielsweise, nicht die Familien, die Unterstützung brauchen. Das heißt, Politik muss da, glaube ich, gerade in so herausfordernden Zeiten wie der Pandemie Familien in den Fokus rücken, Kinder in den Fokus rücken, die meistens nicht so eine große Lobby haben. Und in dem wir natürlich einen echt guten Koalitionsvertrag auf Bundesebene haben, der auch mit Leben gefüllt werden muss. Das heißt, einen Finanzminister, wie wir es jetzt gerade auch immer wieder mitbekommen, dass einige Rückmeldungen – Richtung Sprach-Kitas, Richtung Gute-KiTa-Gesetz – eher zurückhaltend sind, sage ich mal. Da muss Politik deutlich machen, dass diese Themen sehr wichtig sind und Zukunftsaufgaben für die Gesellschaft und nicht einfach mal etwas, was so nebenherläuft. Und ich glaube, wenn Politik das schafft, dann wären wir auf einem guten Weg. Und das war in den letzten zwei Jahren noch nicht ganz optimal, sagen wir.

Anna Hoff

Frau Deligöz, Ihnen gehört das Wort.

Ekin Deligöz

Ich möchte, glaube ich, vier Punkte aufführen, die das beweisen, dass es so ist. Erstens mal fangen wir mal mit den Fakten an: Seit 2006 hat sich der Anteil von Menschen, die im Bereich der frühkindlichen Pädagogik arbeiten, nahezu verdoppelt auf 700.000. Das ist der Bereich, der in Deutschland am meisten Aufwuchs kriegt auf dem Arbeitsmarkt. Das heißt, wir haben nicht nur mehr Plätze und mehr Menschen, die dort arbeiten, sondern auch die Nachfrage ist viel höher geworden. Und die Bedürfnisse und die Anforderungen der Eltern als auch der Träger sind andere geworden. Die Bedeutung insgesamt in dieser Gesellschaft ist gestiegen. Übrigens ein Satz zur Trägervielfalt: Natürlich brauchen wir Trägervielfalt. Ich komme aus Bayern und ich kann Ihnen sagen, ohne manche Elterninitiative hätten wir keinen einzigen Waldkindergarten. Ohne die engagierten Menschen in den Kirchen hätten wir manch eine Einrichtung nicht. Ohne Elterninitiativen hätten wir keine einzige Montessori-Kindergarten oder -Schule. Sie alle bringen aber uns gemeinsam nach vorne. Die Erfahrungen, die dort geteilt werden und gemacht werden, sind ja positiv, wirken sich auch positiv wieder zurück auf das, was wir dann in der Politik daraus gestalten, daraus lernen, daraus profitieren können. Von daher: Das ist ein Zeichen, dass es ein gesellschaftliches Streben danach gibt, die besten Einrichtungen für unsere Kinder zu schaffen. Und unsere Kinder haben es verdient, die besten Einrichtungen in diesem Land zu kriegen. Der zweite Punkt ist die COPSY-Studie, die ist diese Woche herausgekommen. Es wurden dreimal hintereinander die gleichen Fragen an Kinder und Jugendliche gestellt: Wie geht es euch eigentlich mitten in dieser Pandemie? In der ersten Runde kam ein Satz, der hat sich übrigens über viele Studien, auch über die Frankfurter Studie, immer wieder drübergelegt. Unsere Kinder und Jugendlichen haben uns gesagt: Wir sind einsam, wir sind alleine. Diese technischen Ausstattungen ersetzen uns nicht unsere Freund,e ersetzen uns nicht das wahre Leben. In der dritten COPSY-Studie, die diese Woche rausgekommen ist, hat sich das auf einem recht hohen Niveau trotzdem verbessert. Wo die Kinder gesagt haben: Es war gut, ich durfte wieder raus, ich durfte Sport machen, ich durfte meine Freunde sehen, ich durfte mal mit der einen oder anderen einfach nur abhängen, chillen oder chillaxen, wie es so schön in der Jugendsprache heißt. Das heißt, wir brauchen unsere Einrichtungen, unsere Institutionen, unsere Kindergärten für unsere Kinder, weil Kinder brauchen Kinder. Eltern sind nicht Freundinnen und Freunde. Eltern sind manchmal noch nicht mal die besten Pädagogen. Also versuchen Sie es mal, dem eigenen Kind schwimmen beizubringen – ist manchmal schon eine ganz schöne Herausforderung. Und der dritte Punkt ist, dass wir das ja auch nicht nur politisch hier thematisieren, sondern dass Sie alle da sind, dass wir so überwältigt werden mit so einer Veranstaltung von den Teilnehmerzahlen. Auch das ist ein Hinweis dafür, dass die Bedeutung des Themas in dieser Gesellschaft gestiegen ist. Und der vierte Punkt, den kann man hier auch nicht vernachlässigen, dass Sie zwei Staatssekretäre haben, die beide willens sind und gemeinsam an diesem Thema arbeiten und sich gegenseitig hoffentlich unterstützen und auch weiterhin an einem Strang ziehen. Auch das ist ein Signal dafür: Wir in der Politik haben das verstanden, wie wichtig das ist, was wir hier voranbringen wollen.

Anna Hoff

Vielen herzlichen Dank für dieses klare Statement. Auch noch mal zum Schluss vielen Dank an Aziz Bozkurt und Ekin Deligöz. Vielen Dank für Ihre Zeit, vielen Dank für Ihr vieles Engagement und dass Sie sich hier heute Morgen zu Wort gemeldet haben.

Science Slam

Zu Abwechslung gab es anschließend noch einen unterhaltsamen Programmpunkt: Eine Science Slammerin und zwei Science Slammer gaben kurzweilige Einblicke in ihr jeweiliges Fachgebiet, von Hirnforschung über Klima bis hin zu Linguistik. Die Vorträge im einzelnen:

  • Monja Reuser: „Romanze und Kekse – von der Wissenschaft des Wollens“
  • Prof. Dr. Gerhard Reese: „Ein Herz für den Klimawandel“
  • Dr. François Conrad: „Warum klingt das Deutsche so schön und so schön hart im Vergleich mit anderen Sprachen?“

Science Slam

Anna Hoff:

Nach so viel geballter Fachlichkeit dürfen Sie sich jetzt alle einmal schütteln und einmal durchatmen. Und wir kommen zu einem weiter nicht minder fachlichen Programmpunkt, aber vielleicht einem etwas kurzweiligeren. Ich hoffe, kurzweilig war es hoffentlich bis jetzt auch für Sie, weil Sie sich sehr, sehr vielseitig und intensiv hier auch im Chat mit uns gemeinsam getummelt haben. Und ich danke Ihnen sehr für all Ihre Anmerkungen und Kommentare und bitte um Verständnis, dass wir im Hinblick auf die Zeit immer nur so kleine Häppchen hier mit ins Programm ziehen können. Aber ich gehe davon aus, oder ich denke, dass die meisten Fragen und Perspektiven auf jeden Fall ihren Platz bekommen haben. Nun gehen wir zum Science Slam-Programm über. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal in den Genuss gekommen ist, an einem Science-Slam teilzunehmen. Es geht darum, in relativ unanstrengender Art und Weise, sagen wir es mal so, wissenschaftliche Erkenntnisse zu präsentieren. Und relativ kurzweilig. Und eigentlich geht es um einen Wettbewerb. Viele verschiedene Forscherinnen und Forscher treten auf die Bühne und legen ihre Forschungsergebnisse in möglichst amüsanter oder kurzer oder wie auch immer Verarbeitungsform dar. Und am Ende haben die Teilnehmenden die Möglichkeit abzustimmen über die beste Performance. Diesen Teil können wir heute leider nicht gewährleisten, sondern sie haben die Möglichkeit, gleich wunderbar drei Science Slams zu ganz unterschiedlichen Wissenschaftszweigen zu hören. Und Sie dürfen danach wieder im Chat einfach ihre Zustimmung oder ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen. Wenn möglich relativ kurz, damit wir das hier auch verarbeiten können am Ende in der Kürze der Zeit. Und es gibt keinen Gewinner. Am Ende sind alle Gewinner, wie das idealerweise auch in der frühkindlichen Bildung so ist. Am Ende dürfen alle mit einem guten Gefühl sozusagen nach Hause gehen. Und wir starten in eine erste Runde mit dem ersten Science Slam und der ersten Science Slamerin. Und ich freue mich, dass Monja Neuser mit uns hier auf der Fachkonferenz ist. Ist sie schon da? Oha, da sehen Sie wunderbar: Da ist auch mal in ganzer Schönheit das Studio zu sehen in Berlin. Hallo Frau Neuser.

Monja Neuser:

Hallo.

Anna Hoff:

Viele Grüße nach Berlin.

Monja Neuser:

Ja, viele Grüße an die ganze Gute-KiTa-Community.

Anna Hoff:

Yes! Sie sind Kognitionswissenschaftlerin und promovieren zurzeit an der Universität Tübingen.

Monja Neuser:

Das ist richtig.

Anna Hoff:

Ich höre mich gerade mit Hall. Ich hoffe, die anderen hören das nicht. Aber genau. Ich hoffe, es ist angenehm. Sie beschäftigen sich sozusagen mit dem Gehirn, Frau Neuser. Und das Thema, was Sie uns jetzt hier slammen werden, ist: Sie untersuchen quasi Mechanismen dabei, inwieweit sie stärker oder weniger stark ausgeprägt sind. Oder Motivationen oder Mechanismen und wie sie sich auswirken. Sagen wir es mal so.

Monja Neuser:

Genau.

Anna Hoff:

Und das machen wir jetzt. In der Regel gibt es so einen ganz klaren Ablauf bei so einem Slam. Da sitzen dann hundert Leute oder zwei- oder dreihundert Leute im Publikum und man zählt dann rückwärts den Slammer oder die Slammerin ein und dann geht die Zeit los. Ich mache das mal stellvertretend für uns alle. Ich sage: Drei, zwei, eins, Gute-KiTa-Slam und dann starten Sie, Frau Neuser. Okay? Sind sie bereit?

Monja Neuser:

Alles klar. Habe ich verstanden.

Anna Hoff:

Alles klar. Ich sage drei, zwei, eins: Gute-KiTa.

Monja Neuser:

Ja, hallo, ich bin Monja und ich bin Psychologin, Kognitionswissenschaftlerin und Hirnforscherin. Das heißt, ich beschäftige mich mit dem Denken von Menschen und ich möchte euch heute neben meiner Forschung auch erzählen, wo ich selber ein großes Rätsel im Denken der Menschen entdeckt habe.

[Grafik wird eingeblendet: Unter dem Titel „Romanze und Kekse – von der Wissenschaft des Wollens“ steht der Name und Daten der Vortragenden. Im Hintergrund sind Kekse zu sehen. In der Kopfzeile sind die Logos der Universität Tübingen und des Universitätsklinikums Tübingen.]

Das fängt an mit einer kleinen romantischen Anekdote. Die ist vor der Zeit der großen weltweiten Virus-Pandemie passiert. Nicht, dass sich jemand wundert. Und die ist einer entfernten Bekannten von einer Freundin, von meiner Nachbarin, deren Schwester … Ich glaube, das ist nicht ganz glaubwürdig. Also, sie ist mir passiert. Ich war schwer verliebt. Diesen Typen hatte ich in einer Bar kennengelernt und es war von Anfang an klar, dass wir füreinander bestimmt sind. Ich meine, er trank Bier, ich trank Bier. Wir passten einfach zueinander. Der sah auch noch gut aus. Der war sprachgewandt, der war humorvoll und Musiker. Was soll ich sagen? Was für ein toller Typ!

[Grafik wird eingeblendet. Nacheinander erscheinen Zeichnungen auf einem weißen Hintergrund, passend zu der Reihenfolge des Erzählten. Gezeichnet ist eine Frau, über deren Kopf drei Herzen schweben. Daneben erscheint ein Mann in einer Zickzacksprechblase. Unter ihm steht auf einer Banderole „toller Typ“.]

Na ja, und schon bald starteten wir mit der ersten Initiative wahrhafter Romantik im 21. Jahrhundert und schrieben WhatsApp-Nachrichten. Naja, also ich schrieb. Ich schrieb: Hi, das war ein chilliger Abend mit dir und toll, dass wir uns getroffen haben. Hier ist also meine Nummer. Du kannst ja mal was von dir hören lassen. Ja. Und dann wartete ich und wartete auf eine Antwort und war tatsächlich sehr nervös und wartete. Und was machte ich? Ich checkte mein Telefon ungefähr alle zehn Sekunden. Ich nahm es zur Hand. Ich drückte auf den Home-Button. Ich schaute in meinem Posteingang nach und keine Nachricht erschien. Na ja, gut. Innerhalb von 24 Stunden – das ist ja eine annehmbare Zeit – kam seine Antwort.

[Grafik wird eingeblendet. Eine Zeichnung von einem Smartphone mit offenem Chat-Verlauf. Nacheinander erscheinen Emojis im Chat, passend zu der Reihenfolge des Erzählten. Von ihr gesendet wurde ein Hai-Emoji, ein Chili-Emoji und ein Darts-Emoji. In der nächsten Nachricht von ihr steht ein Kontaktbuch-Emoji und ein Trompeten-Emoji. Daraufhin antwortet der „tolle Typ“ mit „cool.“.]

Cool, dachte ich. Jetzt habe ich ihn und schrieb gleich die nächste Antwort: Hey, das mit dem Bier, das muss ja kein Einzelfall bleiben. Wollen wir das vielleicht mal wiederholen? Und wieder wartete ich und wartete. Und ich hatte das Gefühl, ich werde völlig verrückt. Ich ließ mein Telefon überhaupt nicht mehr los und so ein Verhalten kannte ich gar nicht von mir. Wie so eine Laborratte, die ständig auf so einen Hebel drückt, um irgendwas zu essen zu bekommen. Also völlig gaga. Okay, schrieb er mir.

[Grafik wird eingeblendet. Eine Zeichnung von einem Smartphone mit offenem Chat-Verlauf. Nacheinander erscheinen Emojis im Chat, passend zu der Reihenfolge des Erzählten. Von ihr wird ein Bier-Emoji und ein Einzeller-Emoji gesendet, sowie ein Wollknäuel-Emoji und Wiederholen-Emoji. Daraufhin die Antwort „okay“.]

Nun ja, ich gab nicht auf und startete die letzte Initiative. Ich ging aufs Ganze und schrieb: Du bist die Kirsche auf meinem Sahnestückchen. Na ja, was soll ich sagen? Punkt, Punkt, Punkt war keine Antwort, mit der ich viel anfangen konnte.

[Grafik wird eingeblendet. Eine Zeichnung von einem Smartphone mit offenem Chat-Verlauf. Nacheinander erscheinen Emojis im Chat, passend zu der Reihenfolge des Erzählten. Sie schickt ein Finger-Emoji, Kirschen-Emoji und Torten-Emoji. Er antwortet: „…“ Daraufhin wird eine Zeichnung einer Frau mit drei Fragezeichen über ihren Kopf neben dem Smartphone eingeblendet.]

Ich hatte mir also überlegt, ich muss der Sache auf den Grund gehen. Ich bin ja nun Wissenschaftlerin. Also designte ich ein Experiment, um diese Gedanken, das menschliche Denken besser zu verstehen. In einem Experiment von Wissenschaftlern explodieren allerdings keine Chemikalien oder es gibt irgendwelche Lauten Knalls. Nein, nein. Wir programmieren mehrere hundert Zeilen Code und präsentieren dann so ein Paradigma auf dem Computerbildschirm an unsere Versuchspersonen. In meinem Fall waren das zunächst alle meine Freundinnen und Mitbewohnerinnen und ich bedanke mich an der Stelle noch mal herzlich für die Mithilfe.

[Grafik wird eingeblendet. Auf einem weißen Hintergrund erscheinen Zeichnungen, die nacheinander passend zum Erzählten erscheinen. Zunächst von einer Frau mit einer Gedankenblase mit der Überschrift „Experiment“. In der Gedankenblase sind Reagenzgläser zu sehen, in denen eine Reaktion abläuft. Danach erscheint daneben ein Laptop und die Reagenzgläser werden durchgestrichen.]

Ich brauchte für mein Experiment also eine Belohnung. Da habe ich Kekse gewählt. Süßigkeiten mag ja eigentlich jeder. Und die Teilnehmerinnen an meinem Experiment konnten also was zu essen gewinnen. Eine Anstrengung brauchte ich auch noch, um dieses Verhalten besser zu studieren. Und da gibt es ein sogenanntes Grip-Force-Device, also so ein schwarzes Gerät. Das nimmt man in die Hand und drückt feste zu.

[Grafik wird eingeblendet. Es erscheinen wieder Zeichnungen, die passend zu dem Erzählten eingeblendet werden. In der Gedankenblase der Frau steht „Belohnung“ mit einem Pfeil, der auf eine Zeichnung von dem „tollen Typ“ zeigt, dieser wird dann durch einen Keks ersetzt. Darunter wird der Schriftzug „Anstrengung“ eingeblendet. Von da aus zeigt ein Pfeil auf eine Zeichnung von einer Hand, die eine Art Joystick hält, was das Grip-Force-Device darstellen soll.]

Auf dem Bildschirm sahen die Versuchsteilnehmerinnen dann dieses Gefäß mit einem roten Ball darin und wenn sie dieses Grip-Force-Device fest zugedrückt haben, dann ist der Ball nach oben gestiegen. Das sah dann ungefähr so aus. Oberhalb von der roten Linie, wenn sie also ganz fest gedrückt hatten, hat der Ball Punkte gesammelt. Da ging dann so ein Zähler los und das über mehrere Durchgänge. Also tatsächlich hat das Ganze eine halbe Stunde gedauert und immer wieder mussten sie drücken und Punkte gewinnen.

[Grafik wird eingeblendet. Erneut Zeichnungen, die in der Reihenfolge des Erzählten eingeblendet werden. Zunächst ist in der Mitte des Bildes das Gefäß dargestellt als kantiges „U“. Darin schwebt im oberen Drittel eine rote Linie und unten im Gefäß liegt ein blauer Ball. Links vom Gefäß ist der Keks zu sehen. Rechts unten die Zeichnung der Hand mit dem Grip-Force-Device. In der oberen rechten Ecke ist ein Punktezähler.
Danach drückt die Hand das Grip-Force-Device zu und der Ball steigt im Gefäß nach oben. Der Ball steigt über die rote Linie. Daraufhin steigt die Punktezahl von Null auf Fünf in dem Punktezähler.]

Das ist wahnsinnig anstrengend. Immer 24 Sekunden für einen Durchgang. Ja, und dann haben wir natürlich verschiedene Bedingungen gehabt. Wir haben die Belohnungshöhe verändert, so dass es für die gleiche Zeit der Anstrengung mehr Punkte zu gewinnen gab. Wir haben auch mehr Anstrengung von den Versuchspersonen gefordert, indem wir einfach die rote Linie etwas höher gelegt haben. Dann mussten sie also mehr drücken, um Punkte zu gewinnen.

[Zusätzlich zu der bestehenden Zeichnung taucht am rechten Bildrand eine Uhr auf und verschwindet wieder. Der Schriftzug „mehr Belohnung“ erscheint und ein Pfeil zeigt davon ausgehend auf viele Kekse. Der Punktestand ist auf 50 gestiegen. Danach wird der Titel „mehr Anstrengung“ eingeblendet mit einem Pfeil auf den Ball, der es nicht mehr über die rote Linie schafft.]

Und dann haben wir uns die Daten angeguckt. Hier sieht man jetzt: Im oberen Bereich für die wenige Belohnung haben sich die Leute ein bisschen angestrengt. Im unteren Bereich von diesem bunten Plot sieht man, dass allerdings auch oft der Ball eher am Boden liegen geblieben ist. Das heißt, die Leute haben sich gar nicht angestrengt. Im Bereich der großen Belohnungshöhe da sieht das ganz anders aus. Da sieht man, dass sich alle sehr angestrengt haben, weil sie einfach viele Punkte bekommen wollten. Mehr Anstrengung für viel Belohnung, mehr Pausen und weniger Anstrengung für wenig Belohnung.

[Eine Grafik wird eingeblendet. In der Mitte ist nach wie vor das Gefäß mit dem Ball. Rechts und links vom Gefäß erscheinen Plots. Über dem linken Plot ist ein Keks und über dem rechten Plot sind viele Kekse. Der linke Plot zeigt geringere Ausschwenkungen im Bereich der roten Linie als der rechte Plot, hingegen eine größere Ausschwenkung auf Bodenhöhe. Auf dem rechten Plot erscheint der Schriftzug „mehr Anstrengung“, auf dem linken Plot der Schriftzug „mehr Pausen“.]

Habe ich verstanden. Klingt auch erstmal trivial, aber diese Aufgabe mussten wir erst mal validieren. Das muss man in der Wissenschaft so machen, bevor man irgendwelche Aussagen trifft. Da kann man nicht einfach sagen, der Menschenverstand hat das so schon verstanden. Jetzt wusste ich aber immer noch nicht, woher mein verrücktes Verhalten kommt: Dass ich mein Telefon gar nicht mehr zur Seite legen konnte, dass ich mich so angestrengt habe und dass ich ständig drauf geguckt habe.

[Eine Grafik wird eingeblendet. Es ist erneut die Zeichnung einer Frau und ihrer Gedankenblase zu sehen. In dieser ist eine Zeichnung des „tollen Typ“, auf den ein Pfeil gerichtet ist mit dem Schriftzug „Belohnung“. Außerdem taucht das Smartphone und Fragezeichen in der Sprechblase auf.]

Ich habe also noch eine zweite Bedingung eingeführt in diesem Experiment. Statt der roten Linie sahen die Versuchspersonen in der Hälfte aller Durchgänge einfach nur so eine rote Fläche und die rote Linie lag irgendwo darin. Wenn sie dann wieder gedrückt haben und der Ball nach oben stieg, dann konnten sie gar nicht wissen, ob sie gerade Punkte gewinnen.

[Eine Grafik wird eingeblendet. Es ist wieder das Gefäß zu sehen mit dem blauen Ball darin. Links davon sind viele Kekse zu sehen. Anstatt der roten Linie befindet sich jetzt eine größere rote Fläche im Gefäß, auf die ein Pfeil zeigt mit dem Schriftzug „Unsicherheit“. Es wird wieder die Hand mit dem Grip-Force-Device gezeigt, daneben Fragezeichen. Der Ball steigt auf bis in die rote Fläche.]

Wenn wir uns dann die Daten dafür angucken, dann sehen wir, dass hier ein roter Bereich und ein weißer Bereich, der so rot umrandet ist, anzeigt, dass die zwei Bedingungen sich gar nicht so viel unterscheiden für die niedrige Belohnung. Für die hohe Belohnung allerdings – und da sind jetzt diese roten Spitzen ganz am oberen Ende des Plots entscheidend – sehen wir, dass die Leute sich völlig verrückt angestrengt haben. Die sind total eskaliert mit dieser Aufgabe. Wenn es viel zu gewinnen gab und sie nicht wussten, ob es sich lohnt.

[Links neben dem Gefäß erscheint wieder ein Plot, darüber ein Keks. Rechts neben dem Gefäß ist ein weiterer Plot, darüber viele Kekse. Der linke Plot zeigt geringe Ausschwenkungen auf der Höhe der roten Fläche des Gefäßes. Der rechte Plot zeigt hingegen extreme Ausschwenkungen auf derselben Höhe. Ein Pfeil mit dem Schriftzug „völlige Eskalation“ zeigt auf die Ausschwenkungen des rechten Plots.]

Die Aufgabe haben wir tatsächlich auch noch angewendet, um die sogenannte Binge-Eating-Störung zu untersuchen. Das ist eine Essstörung, bei der Menschen große Mengen von Essen auf einmal essen und das Gefühl haben, völlig die Kontrolle zu verlieren und nicht mehr aufhören zu können. Wir haben also Menschen eingeladen, die diese Essstörung haben, und haben sie die Aufgabe machen lassen und das mit gesunden Versuchsteilnehmer verglichen. Und wir haben erwartet, dass die Menschen mit der Essstörung tatsächlich viel mehr auf diese Unsicherheit reagieren und sich sehr viel mehr anstrengen als Menschen, die keine Essstörung haben. Es ging also weniger um das Dating-Verhalten, sondern die darunterliegenden Mechanismen, die verantwortlich sind für so eine Essstörung. Wir haben das Ganze auch noch im MRT-Scanner gemacht und konnten sozusagen das Gehirn dabei beobachten, während die Menschen diese motivationale Entscheidung getroffen haben.

[Eine Grafik wird eingeblendet mit dem Titel „Binge Eating Störung“. Weitere Zeichnungen, die in der Reihenfolge des Erzählten eingeblendet werden. Es erscheint wieder das Gefäß mit der roten Linie. Dieses füllt sich mit Essen bis über die rote Linie hinaus. Rechts wird ein Plot gezeigt, mit großen Ausschwenkungen oberhalb der roten Linie. Wiederum rechts vom Plot tauchen Zeichnungen vom Smartphone, einem Gehirn und MRT-Scanner auf.]

Ja. Und dann ist mir was aufgefallen. Dieser tolle Typ, von dem ich am Anfang gesprochen habe, der hat dieses Experiment die ganze Zeit mit mir gemacht, indem er mich über die Erfolge meiner Bemühungen so völlig im Unklaren gelassen hat und mir gar nicht gesagt hat, wie hoch die Latte liegt. Hat er mich dazu gebracht, mich komplett eskalativ anzustrengen und mich eigentlich gar nicht mehr gesund zu verhalten?

[Eine Grafik wird eingeblendet. Erneut die Zeichnung des Gefäßes mit dem blauen Ball und der roten Fläche. Oben links im Bild sind viele Kekse zu sehen. Anstelle der Kekse werden Herzsymbole eingeblendet. Die rote Fläche im Gefäß wird durch den oben erwähnten Chat-Verlauf mit der Nachricht „cool.“ ersetzt.]

Naja, und als ich das verstanden habe, da habe ich den Spieß aber umgedreht und gewartet. Ich habe abgewartet und gedacht: Jetzt zeige ich ihm mal, worauf er sich nämlich gar nicht verlassen kann. Ich habe mich zurückgelehnt. Und ein paar Tage verstreichen lassen. Und siehe da, irgendwann kam eine Nachricht. Huhu, schrieb er, ich wollte ja nur mal sagen, du bist die Schokolade in meinem Keks. Und das ist das offizielle Ende der Geschichte.

[Eine Grafik wird eingeblendet. Die Zeichnung des Smartphones mit dem leeren Chat-Verlauf mit dem „tollen Typ“ taucht auf. Der „tolle Typ“ schickt ein Winken-Emoji, ein Sprechblasen-Emoji, ein Schokoladen-Emoji und ein Keks-Emoji.]

Nun ja, heute habe ich noch eine abgewandelte Version dieser Aufgabe für euch mitgebracht. In den großen Hallen, in denen wir sonst Science Slam machen, kann man das immer ganz toll mit Applaus noch einmal zeigen. Diese Aufgabe ist jetzt so programmiert, dass sie den Jubel erfasst. Also vor euren Rechnern zu Hause könnt ihr einfach mal mir einen großen Applaus zuteilwerden lassen. Und mal sehen, ob wir mit gemeinsamer Anstrengung diesen Ball noch ein bisschen über die rote Linie heben können. In diesem Sinne bedanke ich mich für eure Aufmerksamkeit, euren Applaus und wünsche euch noch einen schönen Tag. Danke schön.

[Eine Grafik wird eingeblendet. Das Gefäß mit dem Ball und der roten Linie erscheint. Darüber steht die Überschrift "Jubel!". Der Ball steigt über die rote Linie. Die Grafik verschwindet. Man sieht Anna Hoff und Monja Reuser.]

Anna Hoff:

Deshalb gibt es Applaus von mir. Bravo! Monja Neuser! Bravo, Bravo! Sie dürfen jetzt, meine Damen und Herren, wenn Sie wollen, in dem Abstimmungstool rechts neben dem Livestream ganz kurz gerne reinschreiben, wie supertoll, bravo – irgendwie eine eine Art Reaktion auf den ersten Science Slam, den wir hier haben. Aber es ist natürlich im digitalen Raum einfach etwas schwieriger, sozusagen so was umzusetzen. Und ich sehe auf jeden Fall, es sind einige Menschen mit uns hier und es haben einige Menschen zugeschaut. Das Abstimmungstool ruht gerade noch ein bisschen auf sich. Wie ist es denn mit deiner Motivation so bestellt, Monja? Welche Belohnungsmechanismen greifen besonders bei dir?

Monja Reuser:

Na ja, wir haben uns ja nicht umsonst die Essstörung angeguckt, weil Essen tatsächlich der basale Motivator für Verhalten ist. Und zwar für alle Lebewesen gilt das. Und tatsächlich kann ich sagen: Bei mir zieht Essen auf jeden Fall. Und je mehr Kalorien es hat, desto mehr springe ich auch drauf an!

Anna Hoff: Ich kenne das persönlich auch, diese Idee, also das mit dem Handy, dass man immer das Gefühl hat. Oder irgendwelche E-Mails refreshen. Und ich glaube, das haben wir alle, die jetzt im digitalen Zeitalter viel vor dem Computer sitzen. Und die Frage ist ja tatsächlich: Ist das eine Wissenschaft, die durchaus auch irgendwie eine generelle … also wie arbeitet ihr damit jetzt weiter? Das macht ja auch viel sozusagen, oder? Es gibt ja viele Erkenntnisse, dass man ständig, auch als Jugendliche: Die sind immer damit beschäftigt, irgendwie Nachrichten zu überprüfen. Habt ihr auch ein Mittel, wie kann man dem begegnen? Was gibt es zum Beispiel für jenseits der digitalen Welt für Belohnungsmechanismen oder was kann man so als Detox-Mittel einsetzen?

Monja Reuser:

Oh, das sind jetzt viele Fragen auf einmal. Ich fange mal an zu erklären, dass wir diese Aufgabe natürlich mit Essenspunkten gemacht haben. Aber gleichermaßen gab es auch Durchgänge, in denen wir Geld vergeben haben als allgemeineren Belohnungsfaktor. Und damit können wir also ganz allgemeine Prozesse im Gehirn untersuchen, die mit Belohnungen zusammenhängen. Dopamin spielt bei dem Ganzen eine ganz große Rolle. Viele glauben ja, das Dopamin die Glücksdroge oder das Glückshormone ist. Ich sage an der Stelle immer, dass Dopamin uns zwar glücklich macht, wenn wir etwas gemacht haben, was uns gefällt und guttut, aber eben nur für einen kurzen Moment, sodass wir geneigt sind, es zu wiederholen. Und das spielt natürlich auch bei dieser ganzen Social-Media- und Technik-Nutzung eine große Rolle, weil das Dopamin immer wieder ausgeschüttet wird, aber uns immer auch die Motivation steigert, das Verhalten zu wiederholen. Ja und das ist natürlich jetzt auch meine Aufgabe – mit Science Slam, mit anderen Kommunikationswegen – diese Erkenntnisse auch in die Welt zu tragen und zu verbreiten, was wir im Labor herausgefunden haben.

Anna Hoff:

Vielen Dank an dieser Stelle, noch mal Applaus von mir. Applaus nach Berlin und danke für diesen ersten Slam-Beitrag. Schön, mal hier so einen Einblick in euer Studio zu bekommen. Großer Applaus hier virtuell von mir aus Bonn für Gerhard Reese. Hallo, Herr Reese. Hallo, Gerhard. Sie sind Umweltpsychologe und Professor an der Universität Koblenz-Landau und Leiter des Studiengangs Mensch und Umwelt, Psychologie, Kommunikation und Ökonomie. Ist das korrekt soweit?

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Ja, ich glaube, besser hätte ich es gar nicht sagen können.

Anna Hoff:

Perfekt. Und das Thema des zweiten Slams in dieser zweiten Performance ist: Sie legen dar, welche Mechanismen dazu führen, dass man sich trotz besseren Wissens klimaschädlich verhält und wie man das Verhalten positiv beeinflussen kann. Ein großes Thema in einer Zeit von klimageprägten News jeden Tag. Und ich sage wieder: Drei, zwei, eins, Gute-KiTa-Slam und dann geht es los. Ja? Kurz zur Orientierung. Jetzt sehe ich auch gerade, dass zum ersten Slam noch Feedback gekommen ist. Das sieht super aus. Das machen wir auf Reset schon mal für die Technik und machen Feedback für den zweiten Slam, damit wir hier vorbereitet sind für Gerhard Reese. Perfekt, Technik läuft und ich sage: drei, zwei, eins Gute-KiTa-Slam.

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Ja, schönen guten Tag auch noch mal von mir in die Republik, wo auch immer Sie und ihr vor ihren Rechnern sitzt und sitzen. Mein Science Slam heute trägt den Titel „Ein Herz für den Klimawandel“. Und was ich präsentieren möchte, ist: vier Thesen zur Sicherstellung einer Zukunft ohne gefährliche Eisbären. Und mal sehen, wie weit wir kommen. Das Ganze hat ja hier auch einen Bildungsauftrag. Ich werde am Ende auch zu dem Thema Eisbären noch mal konkret was sagen.

[Eine Grafik erscheint. Im Hintergrund ist ein Eisbär auf einer Eisscholle zu sehen, der sich im Wasser spiegelt. Rechts im Bild ist eine andere Grafik, und zwar ein rotes Herz auf schwarzem Hintergrund mit dem Titel „Ein Herz für Klimawandel“. Darunter steht in roter Farbe die Überschrift „4 steile Thesen zur Sicherstellung einer Zukunft ohne gefährliche Eisbären“.]

Eisbären, muss man wissen, sind gefährlich. Die sind größer, zum Beispiel größer als die Frau da im Bild. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Auf dem Planeten Erde sind wir in einem absoluten Risikogebiet, was Angriffe angeht von Eisbären. Die Erde ist der einzige Planet auf der Welt, wo wirklich das Risiko besteht, von einem Bären attackiert zu werden.

[Links im Bild wird ein Foto eingeblendet. Eine Frau steht neben einer Eisbär-Statue, welche deutlich größer ist als die Frau. Im Vordergrund erscheint eine weitere Grafik mit dem Titel „Chart to help determine risk of bear attack“. Zu sehen ist das Sonnensystem und der Planet Erde ist der einzige Planet, auf den ein Pfeil zeigt mit dem Schriftzug „really very high risk of bear attack“. Die anderen Planeten sind mit den Schriftzügen „No Risk Of Bear Attack“ und „Also No Risk Of Bear Attack“ ausgestattet.]

Was hat das alles mit dem Klima zu tun? Weiß ich noch nicht, werden wir sehen. Auf jeden Fall ist klar: Die Sommer werden wärmer. Wir wissen aus der Klimaforschung, dass die mittlere Temperatur auf der Erde permanent steigt. Wir wissen auch, dass sämtliche Vorhersagen, die getroffen wurden in den letzten Jahrzehnten, stimmen und es ist immer wärmer wird. Das hat natürlich Vorteile. Wenn wir uns anschauen, wie diese beiden Aktivistinnen hier – Rob und Lesley heißen sie – ja eigentlich fast schon touristische Werbung machen, weil sie zeigen, dass wir auch an den Polen baden können. Das ist natürlich super, weil wir eben nicht mehr nur auf die Strände angewiesen sind, die es schon gibt, sondern einfach durch das Abschmelzen der Pole auch weitere Möglichkeiten entstehen. Genauso gibt es natürlich ganz andere neue Sportmöglichkeiten. Wir sehen hier bei der Überschwemmung in Houston diesen Typen, der aussieht wie Jon Schnee, der es schafft, mit einem Waveboard oder einem Surfboard durch die Straßen von Houston zu fahren.

[Alle bisherigen Grafiken werden ausgeblendet. Zu sehen bleibt der Hintergrund mit dem Eisbären. Linksoben steht der Titel „Die Sommer werden wärmer“. In der Reihenfolge des Erzählten werden Grafiken eingeblendet. Zunächst ein Bild von einem Thermometer, dessen Anzeige auf über 20 Grad Celsius steht. Danach ein Foto von einer Frau und einem Mann in Badekleidung, die in der Polregion auf dem Eis sitzen und den Anschein machen, als würden sie sich sonnen. Schließlich erscheint ein Foto von einem Mann, der auf einem Surfboard steht, sich an einem Seil festhält und auf einer Straße, die überschwemmt ist, surft.]

Na ja, allerdings: So schön diese Konsequenzen des Klimawandels auch sind. Der Klimawandel selbst ist bedroht. Sie wissen das möglicherweise selbst. Barack Obama und seine Amtskollegin damals haben beschlossen, dass was gegen den Klimawandel gemacht werden soll. Genauso gerade in Deutschland gibt es so eine rückwärtsgewandte Rentier-Romantik, die irgendwie suggeriert, dass wir schon immer weiße Weihnachten hatten und jetzt auch alle wieder weiße Weihnachten wollen. Dann gibt es so Graswurzelbewegungen, so hippieske, die auch wieder möchten, dass wir uns alle irgendwie ökologischer und so verhalten. Die neuere Version ist eben Fridays For Future. Also wirklich Menschen, die auf die Straße gehen, damit wir was gegen den Klimawandel tun. Na ja, aber Gott sei Dank gibt es auch Politiker und Politikerinnen, die sich vehement für den Klimawandel einsetzen. Und neben Politikern und Politikerinnen natürlich auch viele Leute des öffentlichen Lebens, die durch ihre mediale Darstellung dafür sorgen, dass wir immer mehr und immer mehr konsumieren und immer mehr Ressourcen auch verbrauchen. Und genau, die nennt man Influencer. Hat nichts mit der Influenza zu tun. Mittlerweile nennt man das ja auch noch mal ganz anders.

[Alle bisherigen Grafiken werden ausgeblendet. Es ist wieder nur der Hintergrund zu sehen. Rechtsoben steht der Titel „Doch: Der Klimawandel ist bedroht!“. In der Reihenfolge des Erzählten werden Grafiken eingeblendet. Zunächst ein Foto, in dem Ban Ki-moon (links) Barack Obama (rechts) die Hand schüttelt. In der Mitte steht Xi Jinping und lächelt. Danach erscheint ein Foto von dem Weihnachtsmann in einem Schlitten, der von einem Rentier durch den Schnee gezogen wird. Hiernach wird ein Foto von nackten Menschen gezeigt, die, sich an den Händen haltend, im Kreis auf einer Wiese tanzen. Dieses Bild wird überdeckt von einem Foto von einer Fridays for Future Demonstration. Danach wird ein Bild von Donald Trump gezeigt. Schließlich wird ein Bild der Influencerin Bianca Claßen und ihrem Abonnentenstand von circa 4.5 Millionen gezeigt. Danach erscheint ein Foto von Viren.]

Na ja, aber wir dürfen dabei nicht vergessen: Natürlich ist es ja wichtig, die Erde zu schützen. Es ist ja der einzige Planet im Sonnensystem, der uns bekannt ist, wo es Katzen gibt. Oder ist auch der einzige Planet, wo es Hunde gibt, falls Sie Katzenhasser sind. Es ist auch der einzige Planet, wo es Pferde gibt. Also falls Sie Zuhörer sind, die jetzt besorgt sind: Zu Recht! Es ist der einzige Planet mit Pferden, auch der einzige mit Schokolade. Wir haben eben gehört, wie wichtig Ernährung ist. Wenn Sie keine Schokolade mögen: Es ist auch der einzige Planet mit Kaffee. Und ich glaube, das motiviert manche Menschen dann doch, wirklich aktiv zu werden. Es ist auch der einzige Planet mit Gummibärchen. Und für die jüngeren Zuschauer: Vielleicht wisst ihr, es ist auch der einzige Planet mit Fortnite. Also wenn die Erde nicht mehr da ist, dann gibt es auch keine Möglichkeit mehr Fortnite zu spielen.

[Alle bisherigen Grafiken werden ausgeblendet. Es ist wieder nur der Hintergrund zu sehen. Nun werden nacheinander Fotos eingeblendet, die alle den Schriftzug „Rettet die Erde! Sie ist der einzige Planet mit …!“ haben. Da wird dann immer das Wort des jeweiligen Fotomotivs eingesetzt. Als erstes erscheint ein Bild einer Katze, dann eines Hundes, eines Pferdes, Schokolade, einer Tasse Kaffee und schließlich Gummibärchen. Zum Schluss wird alles überdeckt mit einem Bild von Charakteren des Videospiels „Fortnite“, welches durchgestrichen ist.]

Na ja, nichtsdestotrotz schaffen wir es ja irgendwie, uns eben nicht klimaschonend zu verhalten. Vielleicht ist so was wie die Klimakrise … das wabert bei uns im Hinterkopf so ein bisschen rum. Aber trotzdem gibt es immer wieder attraktive Verhaltensweisen, die wir zeigen wollen. Etwa, wenn wir zu einem Yoga-Retreat nach Thailand oder nach Indien fliegen wollen.

[Ein sehr bekanntes Meme wird eingeblendet. Zu sehen ist eine Frau, der von einem Mann hinterherguckt wird. Dieser wird wiederum von seiner Partnerin verächtlich angeschaut. Auf der Frau, der hinterhergeguckt wird, steht in einem Textfeld „Cheap Flight to Thailand“. Auf dem Mann steht in einem Textfeld „Me“ geschrieben. Und auf seiner Partnerin steht in einem Textfeld „Climate Crisis“.]

Und was ich jetzt aufzeigen will, sind die psychologischen Prozesse, die uns wirklich daran hindern können, Klima schonend zu handeln. Wie kriegen wir es hin, dass der Klimawandel mit voller Wucht uns trifft? Wie können wir wirklich Umweltschutz erhalten? Und ich habe da aus der Psychologie mal so ein paar Prozesse mitgebracht. Einmal „Verzicht ohne Reue“ habe ich es genannt, dann wirklich „dem Selbst mal zuhören“, in sich selbst reinhören, „Gerechtigkeit zulassen“ und sich „einfach mal zurücklehnen“. Das sind so ein paar Prozesse, die wir uns anschauen können, damit wir so was wie Generationengerechtigkeit uns überhaupt erst mal gar nicht anschauen müssen.

[Es ist erneut der Hintergrund mit dem Eisbären zu sehen. Die Überschrift „Umweltschutz verhindern, Klimawandel fördern“ erscheint. Rechts im Bild wird in einem Rahmen folgendes eingeblendet „1. Verzichten ohne Reue“, „2. Dem Selbst zuhören“, „3. Gerechtigkeit zulassen“, „4. Einfach mal zurücklehnen“. Links im Bild taucht ein Foto von einem Mädchen auf, das bei Sonnenschein in einem Feld steht und mit einem Fernglas in die Ferne guckt. Das Bild ist durchgestrichen.]

Na ja, Verzicht ohne Reue. Was meine ich damit? Man hört ja immer wieder Klimaschutz ist Verzicht. Aber wir können es ja auch schön drehen und sagen: Wir verzichten einfach auf internationale Kooperation und verzichten darauf, dass wir ein Gefühl haben, dass wir als Menschheit doch eigentlich im selben Boot sitzen. Denn wir wissen, da gibt es eine Reihe von Forschungsarbeiten zu, dass je stärker wir uns so als Weltbürger sehen, je mehr wir das Gefühl haben, dass wir ja eigentlich doch so eine Menschheitsfamilie sind, um so umweltbewusster, umso kooperativer agieren wir. Allerdings es ist wird verschwiegen: Das geht natürlich auch in die andere Richtung. Je weniger wir uns also als Weltbürger sehen, umso weniger sind wir auch bereit zu kooperieren und uns umweltbewusst zu verhalten. Wenn das jetzt zu kompliziert war, ich habe das mal hier aufgezeichnet. Ich habe einen Laserpointer, den können Sie aber leider nicht sehen. Ich weiß gar nicht, was passiert, wenn ich den in die Kamera halte. Soll ich das mal tun? Kann man das hier so sehen? Da ist irgendwas Grünes vielleicht. Naja, wie auch immer. Also, was Sie hier sehen können letzten Endes auf dieser Grafik: Da ist diese globale Verbindung irgendwie oben angezeigt und rechts unten Klimawandel-Reaktion. Und wenn das eine hochgeht und das … egal, das ist jetzt vielleicht nicht so wichtig.

[Erneut der Hintergrund mit dem Eisbären. Rechtsoben steht die Überschrift „1. Verzicht ohne Reue“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund. Es wird ein Foto von einem Briefumschlag der „Deutschen Rentenversicherung“ eingeblendet, auf dem ein simpler Graph gezeichnet ist. Die X-Achse geht von 5 bis 1 und ist mit „Klimawandel“ benannt. Die Y-Achse geht auch von 5 bis 1 und ist als „Globale“ benannt. Beide Linien im Graphen bilden ein „X“. Unten stehen außerdem Literaturangaben zu Fachliteratur.]

Zweite Punkt ist, dass wir es schaffen, dem Selbst zuzuhören. Also versuchen Sie doch einfach mal, andere zu ignorieren. Wir sind als Menschen soziale Wesen. Das heißt, wir sind sehr darauf angewiesen, was andere Menschen von uns denken. Wir machen auch oft das, was andere Menschen um uns herum tun und das beeinflusst unser alltägliches Handeln. Wir nennen das den Einfluss sozialer Normen. Wenn Sie durch die Stadt gehen und Sie sehen zehn Leute nach oben gucken, dann machen Sie das ganz automatisch auch. Problem ist, das beeinflusst halt auch unser Handeln wie Energiesparen und Müllreduktion. Und ist es aber das, was wir wirklich wollen? Das ist die Frage. Stellen Sie sich vor, Sie gehen irgendwie auf eine Party – wenn es das mal wieder gibt – auf eine größere. Und da ist so ein Buffet, wo jeder was mitbringt. Und wenn Sie einen Freundeskreis haben, wo eine sehr starke Umweltnorm, sehr starke Klimaschutznorm ist, dann kommen sie ans Buffet und sehen dann plötzlich: Ach herrje, das ist alles Soja-Lupinen-Desserts! Und wer wünscht sich da nicht die in Schinken eingewickelte Flugananas zurück? Wichtig ist, dass wir es hier lernen, einfach auf uns selbst zu hören. Das kann man machen, indem man in sich geht, meditiert oder sogenannte Egoismus-Trainings durchführt. Wer da Interesse hat, kann mir gerne mal eine E-Mail schreiben, da kann ich mir mehr dazu sagen.

[Auf dem Hintergrund steht rechtsoben die Überschrift „2. Dem Selbst zuhören“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund. Es wird ein Balkendiagramm mit dem Titel „Anzahl Soja-Lupinen-Desserts“ gezeigt. Auf der y-Achse sind drei Kategorien: „Umweltnorm niedrig“, „Umweltnorm mittel“, „Umweltnorm hoch“. Auf der x-Achse stehen die Zahlen 0-12. Der Balken bei „Umweltnorm hoch“ weist den größten Wert auf der x-Achse auf. Der Balken ist kleiner bei „Umweltnorm mittel“ und am kleinsten bei „Umweltnorm niedrig“.]

Genau. Dritter Punkt: Gerechtigkeit. Also wir müssen einen klaren Fokus auf die Menschen setzen, um die es wirklich geht. Nämlich um uns hier vor Ort, jetzt in dieser Generation. Das heißt also, wenn wir einen klaren Fokus auf unsere Region und auf unsere Generation setzen, dann können wir gerechtes Verhalten gegenüber uns schaffen. Denen, die jetzt hier sind, die, die am wichtigsten sind. Und da haben wir auch mal eine Studie dazu gemacht, wo man ganz schön sehen kann, dass so verschiedene Arten von Gerechtigkeitswahrnehmungen eben auch dann mit so einer Verantwortung zusammenhängen. Mit so einem Ärger-Gefühl, was dann wiederum bestimmte Intentionen vorhersagen kann, auch jeweils in die andere Richtung. Also je weniger Gerechtigkeit wir empfinden, umso weniger Verantwortungsgefühl verspüren wir, umso weniger sind wir bereit, irgendwas zu ändern. Und der statistisch versierte oder die statistisch versierte Person, die sieht hier auch schon in dieser Grafik, in dieser statistischen Abbildung das Herz für den Klimawandel perfekt darin schon versteckt.

[Auf dem Hintergrund steht rechtsoben die Überschrift „3. Gerechtigkeit“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund. Es erscheint eine Grafik eines Baumdiagramms. Die Pfade formen ein Herz. Links daneben erscheint erneut die Grafik des roten Herzes auf schwarzem Hintergrund mit dem Titel „Ein Herz für Klimawandel“.]

Naja. Und letzter Punkt ist immer so ein bisschen mein Lieblingspunkt. Wir wissen, dass unüberwindbare Probleme uns lähmen. Das ist bei der Klimakrise wie bei vielen anderen Krisen auch der Fall. Wenn wir irgendwie das Gefühl haben: Boar, das erschlägt uns! Dann fühlen wir uns gelähmt. Und ich sage: Lassen Sie das doch einfach zu. Es gibt einfach Situationen im Leben, das ist es vollkommen egal, was man tut, es hat sowieso keinerlei Effekt. Und je geringer dann ihre Selbstwirksamkeit ist – wir nennen das in der Psychologie Selbstwirksamkeit, das Gefühl, selbst was bewegen zu können. Je geringer das ist, umso weniger müssen Sie sich auf so was wie Umwelt oder den Klimawandel scheren. Das können Sie einfach die anderen machen lassen.

[Auf dem Hintergrund steht nun rechtsoben die Überschrift „4. Bedrohungen erlauben, Kontrollverlust erleben“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund. Es wird eine Grafik einer Computer-Warnung eingeblendet. Darauf steht „Proceeding with the operation ‚Delete‘ will erase the contents of your hard drive. What do you wish to do?“. Dabei kann zwischen den zwei Optionen “Proceed” und “Delete” gewählt werden.]

Was hat das für Konsequenzen für das Verhalten, was ich gerade erzähle? Einfache Antworten suchen und finden. Das ist der erste Hinweis. Dann reden Sie nur mit Menschen, die so sind und so denken wie Sie. Das vereinfacht die Kommunikation ungemein. Treffen Sie heuristische Konsumentscheidungen, also wirklich so ein bisschen nach Bauchgefühl, ja? Also, wenn Sie auf eine Party kommen und da stehen nur Bio-Soja-Lupinen-Desserts mit Hafersahnecreme und Chiasamen, dann wissen Sie: Sie sind am falschen Ort. Kündigen Sie Ihren Generationenvertrag, der bringt ohnehin keine Rendite, und führen Sie aktiv Kontrollverlust herbei. Das können Sie machen, indem Sie auf eine TTIP-Demo gehen und merken zum Beispiel, dass sich überhaupt nichts ändert. Oder VW oder irgendein Autokonzern boykottieren wegen Abgasmanipulationen. Sie stellen fest: Es bringt doch eigentlich überhaupt nichts. Und fliegen statt radeln – das wäre auch noch so der kleine Hinweis für jene, die wirklich aktiv noch den Klimawandel befeuern möchten.

[Auf dem Hintergrund steht nun rechtsoben die Überschrift „Verhaltenskonsequenzen“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund.]

Und wenn Sie sich jetzt fragen: Okay, was Herr Reese da jetzt hält, das ist ja schön und gut, aber gibt es denn in Deutschland – also Donald Trump gibt es ja irgendwie – und gibt es denn in Deutschland eine Partei, die da wirklich mich auch unterstützen würde? Gibt es tatsächlich. Ich wollte jetzt keine Parteiwerbung machen, deswegen habe ich das rechts geschwärzt. Es ist leider ein bisschen verrutscht. Egal. Es gibt Parteien in Deutschland, die so etwas sagen wie, dass CO2 kein Schadstoff ist, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens. Oder dass dieses Klima-Panel und die deutsche Regierung die positive Wirkung von CO2 unterschlagen und dass sich das Klima doch schon immer wandelt. Also wenn Sie diese Sachen glauben, dann sind Sie bei dieser Partei möglicherweise an der richtigen Adresse.

[Ein Screenshot des Parteiprogramms der AfD wird eingeblendet. Darin wird der Punkt „Energiepolitik“ behandelt. Passend zum Gesagten werden jeweilige Programmpunkte mit roten Boxen umrandet.]

Na ja, und dann habe ich am Anfang gesagt, es hat ja hier natürlich auch einen Bildungsauftrag, Kita und so weiter und so fort. Deswegen möchte ich auch an dieser Stelle noch mal einen ganz klaren Punkt setzen. Wenn Sie sich die Statistik anschauen: In den letzten 25 Jahren gab es zwei Tote durch Eisbären und das allein auf Spitzbergen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen Das sind noch keine Daten aus Afrika drin, das sind noch keine Daten aus Asien drin. Da sind auch keine Daten aus Nord und Südamerika drin. Sprich: Wenn man das mal hochrechnet, dann ist es vielleicht wirklich die logische Konsequenz, dass wir uns mit Freude von den Eisbären verabschieden. Und an der Stelle danke ich Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit, sofern Sie denn da war. Ich sehe hier nichts, aber vielleicht haben Sie ja zugehört.

[Auf dem Hintergrund steht nun rechtsoben die Überschrift „Abschluss: Bildungsauftrag!“. Das Gesagte erscheint in Stichpunkten auf dem Hintergrund. Zum Abschied wird eine Sprechblase ausgehend von dem Eisbären im Hintergrund gezeigt. Darin steht „Vielen Dank!“. Die Grafik verschwindet. Zu sehen sind Anna Hoff und Professor Doktor Gerhard Reese.]

Anna Hoff:

Und wieder ein großer Applaus von mir, stellvertretend für das Publikum. Ich sehe hier einige Daumen hoch, viele Smileys. Jede Menge knackige Pointen steht hier. Sehr gut. Und so weiter. Cool. Das vielleicht so als kleines Feedback nach Berlin ins Studio das ist. Ich merke gerade schon, in der Science Slam-Welt rutscht man immer schnell ins Du, die Arbeitssprache ist Dus.

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Gerne.

Anna Hoff:

Deswegen fange ich immer mit Sie an und ende mit Du, habe ich gerade festgestellt

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Du ist super.

Anna Hoff:

Ich habe mich gefragt, der Studiengang Mensch und Umwelt, Psychologie, Kommunikation, Ökonomie – das ist ja sehr fortschrittlich. Ist das einzigartig in Deutschland?

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Ich tue mich immer mit dem Begriff einzigartig schwer. Aber als wir den eingeführt haben 2016, da gab es zu dem Zeitpunkt keinen vergleichbaren Studiengang, der wirklich versucht, diese verschiedenen Perspektiven zu integrieren. Und ich glaube, er ist weiterhin schon einer der ganz wenigen Studiengänge, die das machen, ja.

Anna Hoff:

Aber eure Forschung ist wahrscheinlich mehr ironiefrei sozusagen und weniger ironisch gemeint als das, was jetzt hier sozusagen dargestellt worden ist, oder?

Prof. Dr. Gerhard Reese:

Ja, natürlich. Ich gehe davon aus, dass 99 % der Zuhörer die ironische Schlagseite mitbekommen haben. Aber genau, wir schauen uns in unserer Forschung tatsächlich an, welche psychologischen, aber auch strukturellen Barrieren, Prozesse letzten Endes Klimaschutzhandeln motivieren oder eben nicht motivieren.

Anna Hoff:

Ein wichtiger Beitrag im aktuellen Zeitalter sozusagen. Und ich hoffe, meine Damen und Herren, dass Sie merken, dass sozusagen die Idee dieser Science Slams oder auch dieser Beiträge ist: Wir alle bereiten junge Menschen tagtäglich auf das Leben in dieser Gesellschaft vor. Und diese Welt ist geprägt von Fragen der Motivation, von Fragen des Klimas und, was jetzt als nächstes kommt, auch von Fragen sprachlicher Natur. Ein großer Applaus noch mal an dieser Stelle für Gerhard Reese, ein großer Applaus nach Berlin ins Studio. Und ich sage das in dem Fall, weil ich durchaus auch an der einen oder anderen Stelle vielleicht schon Irritation gelesen habe. Aber das Ganze ist natürlich zum einen eine Idee, Sie auch kurzweilig jetzt mal nach so viel Input ein bisschen durchatmen zu lassen, aber eben auch gleichzeitig das große Ganze in den Blick zu nehmen. Und Thema Sprache war ja heute schon häufiger auch für Sie ein sehr relevanter Aspekt und dementsprechend freue ich mich über den dritten Beitrag und stelle François Conrad vor. Großer Applaus wieder hier von Bonn nach Berlin. Sie sind Linguist und arbeiten am Deutschen Seminar der Leibniz Universität in Hannover und sind Forscher und Lehrer für Linguistik und Spezialist für luxemburgische und deutsche Sprache sozusagen. Und Sie erklären jetzt die Besonderheiten der deutschen Sprache, die dazu führt, dass sie oft als weniger schön wahrgenommen wird. Das finde ich persönlich auch sehr spannend und gerade im Kontext von anderen europäischen Sprachen. Wie geht es Ihnen gerade, nach Berlin?

Dr. François Conrad:

Mir geht es super. Vielen Dank.

Anna Hoff:

Ja? Sehr schön. Sie kennen das Spiel. Wir haben ja, wie gesagt, kein großes Auditorium. Aber ich zähle wieder, versuche ein bisschen Ihre Stimmung anzuheizen und zähle sie ein und freue mich auf Ihren Beitrag. Und Sie alle dürfen gerne wieder das Abstimmungstool nutzen und ich gebe das kleine Feedback zurück in die Runde. Wir starten. Sie sind startklar, Herr Conrad?

Dr. François Conrad:

Ja.

Anna Hoff:

Das ist super. Ich sage drei, zwei, eins Gute-KiTa-Slam. Los geht's.

Dr. François Conrad:

Ein Thema, was ja auch in der Kita durchaus eine Rolle spielen kann. Warum klingt das Deutsche so schön und so schön hart im Vergleich mit anderen Sprachen? Das Deutsche hat weltweit einen relativ schmeichelhaften Ruf. Das zeigt ein Zitat eines irischen Comedians Dylan Moran, der sagt: Deutsch klingt wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst und die Kellertreppe hinunter getreten wird. Das ist alles andere als charmant.

[Eine Grafik wird eingeblendet. Das gesagte Zitat steht niedergeschrieben auf weißem Hintergrund. Rechts unten ist eine Schreibmaschine abgebildet.]

Ich als Sprachwissenschaftler habe mich mal gefragt: Ist das denn wirklich so? Klingt Deutsch in fremden Ohren tatsächlich so hart oder ist es nur ein Klischee, was eben Comedians und Andere verwenden? Dafür habe ich eine Umfrage geschaltet weltweit und habe Menschen gefragt: Geben Sie doch bis zu fünf Adjektiven, die das Deutsche beschreiben in euren Ohren? Und das Ergebnis war dann doch sehr klar. Je größer, desto häufiger die Nennung. Wir haben: harsch strong, rough, sharp heart, dry, precise, angry und rigid. Also wirklich alles Attribute, die in diese Richtung deuten, dass das Deutsche wirklich hart klingt auf der ganzen Welt. Und es gab nur einzelne Nennungen wie cute oder sexy. Also das waren viel, viel weniger. Häufig wurde das genannt. Es ist also hoffentlich etwas dran. Weltweit für das Deutsche als besonders hart wahrgenommen.

[Auf einem weißen Hintergrund steht linksoben die Überschrift „Forschungsfrage 1: Klingt Deutsch in fremden Ohren tatsächlich hart?“. Darunter erscheint eine Word Cloud, mit den genannten Adjektiven, wobei „harsh“ am größten ist. Danach werden rechts davon die Worte „cute“ und „sexy“ in pinker Farbe ein- und wieder ausgeblendet. Im Anschluss erscheinen an derselben Stelle drei Ausrufungszeichen.]

Jetzt blieb ich dabei natürlich nicht stehen, sondern hab mich gefragt: Gibt es hierfür denn Gründe? Warum ist es denn so? Ist es nur eine Wahrnehmung oder gibt es vielleicht wirklich auch sprachwissenschaftliche Gründe? Einer der Gründe ist sicherlich die deutsche Vergangenheit. Dafür gibt es ein sehr schönes Meme: Wie hören Deutsche sich selber sprechen? Bla bla bla mit Herzchen, alles sind gut drauf, alles smilen. Das Gegenstück sieht so aus: Wie sehen Ausländerinnen und Ausländer Deutsche sprechen? Schlaren, Rutznefutz, Krach, Rutzne, Frachranz, Bruns, Ritzen, Reibs Strutzen, Grutzen, Kranzen, Brachen. Dazu das nicht mehr ganz zeitgemäße Schnäuzchen und die entsprechende Frisur. Das ist natürlich nach wie vor leider so, dass dem Deutschen dieses Nazi-Gebelle immer noch anhaftet. Das wäre der kulturhistorische Aspekt, der natürlich weltweit immer wieder hervorgeholt wird.

[Auf einem weißen Hintergrund steht linksoben die Überschrift „Forschungsfrage 2: Gibt es hierfür Gründe?“. Links darunter wird eine Grafik eingeblendet. Zu sehen sind vier Strichmännchen mit einem fröhlichen Gesicht. In Sprechblasen steht „bla bla bla“ geschrieben und Herz-Emojis sind zu sehen. Darüber steht die Überschrift „How Germans see Germans talking to each other…“. Rechts daneben wird eine weitere Grafik in das Bild eigefügt mit denselben Strichmännchen. Nur diesmal haben sie böse Gesichter und einen Schnauzer und eine Frisur wie Adolf Hitler. In den Sprechblasen stehen Laute wie „Strutzen, Grutzen, Kranzen“ und in einer Sprechblase ist ein Totenkopf-Symbol. Darüber steht die Überschrift „How foreigners see German people talking“.]

Jetzt habe ich mich als Sprachwissenschaftler gefragt: Was gibt es für sprachliche Gründe, die eine Rolle spielen, die unabhängig sind von der deutschen Geschichte? Und da gibt es relativ viele Gründe. Und die fünf Hauptgründe, die zähle ich euch heute auf. Wir starten mit dem deutschen Lautsystem. Jede Sprache hat ein System an Lauten, die verwendet werden, andere, die nicht verwendet werden. Und es gibt auf den Sprachen der Welt eine Lautklasse, die nennt sich Frikative. Das entsteht, wenn man Luft aus der Lunge durch eine enge Bildung im Mundraum presst. Die meisten Sprachen der Welt haben bis zu vier solcher Frikative. Das Deutsche hat elf. Und zwar sind das f, w, fs, s, ch, j, sch, kch, gch, gchh, h. Das ist eine ganze Menge. Die Kita-Kinder können nicht alle von diesen Frikativen in dem Alter, aber spätestens mit fünf oder sechs können alle deutschen Kinder diese Frikative verwenden. Das tun wir alle täglich und zwar sehr, sehr häufig. Und ein Synonym, ein anderes Wort für Frikative ist Reibegeräusche und das sagt schon alles. Und das wusste auch die charmante Lady von vorhin, wir nennen sie mal passenderweise Sigrid, wenn sie sagt: Schlaren Rutznefutz Krach. Das ist der erste Grund.

[Auf weißem Hintergrund wird linksoben die Überschrift „1. Das Deutsche Lautsystem“ eingeblendet. Darunter erscheint in roter Farbe das Wort „Frikative“ und die genannten Laute in schwarzer Farbe. Danach wird darunter das Wort „Reibegeräusche“ in blauer Farbe eingeblendet, wobei das „R“ und „Sch“ rot sind. Hiernach wird ein Strichmännchen von der vorigen Grafik eingeblendet, in dem Kleid, dass es anhat, steht der Name „Sigrid“. In dessen Sprechblase stehen die Laute „Schlaren Rutznefutz Krach“.]

Jetzt sprechen wir natürlich nicht die Laute einzeln, so wie ich das gerade nachgemacht habe, sondern wir sprechen in Silben. Worte bestehen aus Silben. Das kennt man vielleicht aus den früheren Klatschspielen: Co-ro-na ist blöd. Das sind alles einzelne Silben. Es gibt jetzt in den Sprachen der Welt eine sogenannte optimale Silbe. Optimal gilt eine Silbe, wenn sie aus einem Konsonanten, und zwar nur einem, und einem Vokal besteht. Das lässt sich besonders gut aussprechen. Das kennt man aus international wichtigen Wörtern wie Mama oder Papa. Und es ist kein Zufall, dass weltweit Kinder, wenn sie Mama oder Papa meint, tatsächlich ein ähnliches Wort verwenden. Ob es in China sitzt, im Iran oder in Deutschland. Die Wörter sind sehr oft ähnlich für die Eltern, weil das die ersten Silben sind, die Kinder produzieren können. Mama, Mama, Mama, Mama, Papa, Papa. Wenn Kinder brabbeln, entsteht das ganz von selbst. Das sind optimale Silben, die lassen sich sehr gut aussprechen, die gibt es in zahlreichen Wörtern, die weltweit sehr wichtig sind. Und es gibt Sprachen wie das Spanische, die genauso aufgebaut sind. Das sind sogenannte Silbensprachen. Die sind so aufgebaut, dass die Silben immer dieser optimalen Silbe entsprechen. Ein Beispiel: Como se llama – wie heißt er oder sie? Immer schön KV, KV, KV, KV. Das Deutsche sieht demgegenüber ziemlich anders aus.

[Auf einem weißen Hintergrund steht linksoben der Titel „2. Die Deutsche Silbenstruktur“. Darunter steht „optimale Silbe: KV“. Die Wörter „Mama“, „Papa“ und „banana“ werden in diese Konsonanten-Vokal-Struktur unterteilt und kenntlich gemacht. Über dem Wort „banana“ erscheint ein Bild von einem „Minion“, das Bananen umarmt. Rechts davon wird eine Grafik von einem Lama und der Frage „Como se llama?“ eingeblendet. Darunter wird dieser Satz wieder in Konsonanten und Vokale unterteilt.]

Surprise. Surprise. Sorpresa. Sorpresa. Überraschung.

[Es wird ein Video gezeigt, in dem klischeehaft gekleidete Menschen aus den Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien, Mexiko und Deutschland in den jeweiligen Landessprachen das Wort „Überraschung“ aussprechen.]

Papillon. Butterfly. Farfalla. Mariposa. Schmetterling.

[Es wird ein Video gezeigt, in dem klischeehaft gekleidete Menschen aus den Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien, Mexiko und Deutschland in den jeweiligen Landessprachen das Wort „Schmetterling“ aussprechen.]

Natürlich sprechen wir nicht alle so wie der charmante Herr am Ende, aber es zeigt ganz gut, worum es jetzt geht. Wir nehmen mal ein Beispiel hervor. Mariposa – mexikanisches Spanisch für den Schmetterling, ganz einfache KV, KV, KV-Strukturen. Das deutsche Gegenstück Schmetterling sieht ganz anders aus. Alles was rot ist, weicht von dieser optimalen Silbenstruktur ab. Und Schmetterling ist noch sehr, sehr harmlos. Ein einfaches deutsches Wort wie Platz gilt bereits, was die Silbenstruktur angeht, als sehr komplexe Silbe. Man hat zwei Konsonanten vor dem Vokal, zwei danach – weltweit gilt das bereits als sehr komplex. Und das ist im Deutschen noch längst nicht alles. Ein Wort wie Strumpf: Drei Konsonanten, davor ein Vokal, drei danach. Str-umpf, weltweit können sehr viele Menschen das gar nicht aussprechen. Die machen daraus Stu-rumpf oder so was Ähnliches, lösen das in zwei Silben aus, weil es zu komplex ist. Und auch das ist im Deutschen noch nicht alles, was geht. Meine Lieblingsfarbe, die komplexeste, die ich überhaupt kenne, ist: Du pfropfst. Da hört der Spaß dann wirklich auf. Wir haben drei Konsonanten vor dem Vokal, vier danach. Pfropfst. Das fällt selbst deutschen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern gar nicht so einfach. Und um noch einen Schritt weiterzugehen: Zusammengesetzte Wörter wie Impfpflicht – also da ist dann wirklich jeder Spaß vorbei. Zweiter Grund.

[Bildausschnitte der gezeigten Videos zeigen die Personen aus Mexiko und Deutschland. Unter dem Bild des Mexikaners steht „Mariposa“ und unter dem Bild des Deutschen steht „Schmetterling“. Diese Wörter sind in Silben unterteilt und die Konsonanten-Vokal-Struktur ist kenntlich gemacht. Genauso bei den Wörtern „Platz“, „Strumpf“ und „(du) pfropfst“, die darunter erscheinen. Links von dem Wort „Platz“ ist ein Piktogramm eines Menschen, der seinem Hund gerade diesen Befehl gibt.]

Der dritte Grund ist ein Laut, den Sie vielleicht nicht unbedingt kennen, aber den wir alle sehr häufig verwenden, wenn wir Deutsch sprechen. Man spricht vom glottalen Verschlusslaut, auch noch Knacklaut genannt. Das ist das phonetische Symbol dafür. Um den zu verstehen, müssen wir kurz in den Kehlkopf schauen. Also der Bereich, wo die Männer ihren Adamsapfel haben, dahinter, das sind die Stimmbänder oder auch Stimmlippen genannt. Wenn die vibrieren, entsteht ein Ton. Und wenn man das ganz langsam macht, ganz langsam vibriert, entstehen Knackgeräusche. Das mache ich mal vor. Das geht am besten, wenn man morgens aufsteht, noch ein bisschen müde ist. Aaaeeeiii. Und wenn man das beschleunigt, entstehen unsere Vokale a, e, i, aaaa. Eine ganz langsame Bewegung der Stimmlippen. Das sind einzelne Knacklaute.

[Auf weißem Hintergrund steht linksoben der Titel „3. Der glottale Verschlusslaut“. Darunter steht „Knacklaut“. Daneben wird das phonetische Symbol dafür eingeblendet, welches aussieht wie ein Fragezeichen ohne Punkt. Rechtsunten ist ein schwarzer Umriss eines Menschen dargestellt. Eine Grafik von der Anatomie der Stimmbänder, die links daneben ist, zeigt mit einem Pfeil auf den Bereich des Kehlkopfes bei dem Menschen.]

Warum ist das wichtig? Wenn wir im Deutschen ein Wort haben, das mit Vokal anfängt, wie zum Beispiel das Wort Eimer, verwenden wir davor automatisch einen Knacklaut. Das machen wir im Deutschen automatisch. Sieht man auch hier an dieser Darstellung, was wir in der Phonetik verwenden. Oben sieht man ein Oszillogramm, das kennt man vielleicht von Musikbearbeitungsprogrammen. Und unten ist das Spektrogramm, das ist jetzt hier wichtiger. Man sieht da links, der Bereich, der rosa markiert ist: Das ist der kleine Knacklaut, der ist sichtbar, der ist wirklich real. Und der wird eben immer gesprochen, wenn wir ein Wort haben, das mit Vokal anfängt im Deutschen.

[Es sind Bilder von einem Oszillogramm (oben) und einem Spektrogramm (unten) des Wortes „Eimer“ zu sehen. Dabei ist jeweils eine Ausschwenkung zu erkennen, bevor das Wort gesagt wird. Diese ist rot markiert. Darunter stehen die phonetischen Symbole der einzelnen Laute.]

Und der Effekt davon ist, dass sie eben nicht in diesem Satz, zum Beispiel wie in den allermeisten anderen Sprachen der Welt, die einzelnen Wörter binden würden und sagen würden: Alles ist in Ordnung, alles ist in Ordnung. Sondern im Deutschen funktioniert dieser Knacklaut wie ein kleines Hackebeilchen und trennt schön sauber die einzelnen Wörter klack, klack, klack voneinander ab. Wir sagen eben nicht alles ist in Ordnung, sondern alles ist in Ordnung. Dieser Knacklaut ist ein Grenzsignal vor diesen Wörtern und markiert, dass hier ein neues Wort anfängt. Dadurch entsteht dieser Staccato-Rhythmus, ist aber sehr gut verständlich und viel besser, als wenn man die Wörter bindet.

[Der Satz „Alles ist in Ordnung“ steht auf weißem Hintergrund. Darunter wird eine Grafik eines kleinen Hackebeils neben dem phonetischen Symbol des Knacklautes eingeblendet. Darunter wiederum wird derselbe Satz nochmals dargestellt, diesmal allerdings ist der Knacklaut vor jedem einzelnen Wort gekennzeichnet.]

Der vierte Grund ist jetzt am rechten Wortrand, man spricht von der Auslautverhärtung. Das ist tatsächlich der Fachbegriff, das Wort hart kommt automatisch mit drin vor. Was ist da gemeint? Ein Beispiel: Wir haben viele kleine süße Schäferhündchen, sagen dafür Hunde und schreiben auch Hunde. Also wir schreiben mit D wir sprechen auch ein D ganz normal. Wenn wir jetzt aber nur einen solchen Vierbeiner haben, schreiben wir zwar Hund mit D, wir sagen aber nicht Hunde, sondern Hund. Aus dem D machen wir ein T. Und das machen wir ganz kategorisch bei ganz vielen Wörtern im Deutschen, zum Beispiel auch bei bleib oder brav.

[Auf weißem Hintergrund erscheint linksoben der Titel „4. Auslautverhärtung“. Darunter werden sechs Schäferhund Welpen gezeigt mit der Unterüberschrift „Hunde“. Rechts daneben ist ein Bild von einem einzigen Schäferhund mit der Unterüberschrift „Hund“. In eckigen Klammern wird die jeweilige Aussprache gekennzeichnet. Bei „Hunde“ mit D und bei „Hund“ mit T. Rechtsunten werden die Wörter „Bleib“ und „Brav“ eingeblendet, die auf dieselbe Weise gekennzeichnet sind.]

Und die Regel dazu lautet: Am Ende einer Silbe wird im Deutschen immer b, d, g, z, v, was relativ weiche Laute sind, zu p, t, k, s, f, was härtere Laute sind ohne Stimme gesprochen. Und diese Regel ist sehr, sehr, sehr konsequent. Was im Deutschen gilt, gilt aber in anderen Sprachen nicht. Zum Beispiel ein Franzose oder Französin würde das Wort Hund im Deutschen als 'und aussprechen. Davon abgesehen, dass er oder sie tatsächlich kein H am Anfang eines Wortes sprechen kann, würde er oder sie tatsächlich ein D sprechen und daraus kein T machen. Im Deutschen ist die Regel aber so fest, dass Deutsche, selbst wenn sie Englisch sprechen, aus dem Dog ganz schnell mal einen Dok machen.

[Der Wechsel von „b, d, g, z, v“ zu „p, t, k, s, f“ ist auf weißem Hintergrund geschrieben. Rechts daneben steht in roter Schrift „= hart“. Darunter ist dasselbe Bild von dem vorigen Schäferhund mit derselben Unterüberschrift. Daneben ist ein Bild von einem Mops und die französische Aussprache vom deutschen Wort „Hund“ steht darunter geschrieben. Rechts davon ist ein Bild von einer englischen Bulldogge. Darunter steht die deutsche Aussprache vom englischen Wort „dog“ geschrieben.]

Und der letzte Grund betrifft den Wortakzent, also wie wir Wörter betonen. Hier noch mal der Vergleich zum Französischen: Ein Franzose, eine Französin würde baguette, fromage oder slameur sagen, also auf der letzten Silbe betont. Das Deutsche ist genau andersherum. Im Deutschen ist meist die Stammsilbe betont, das ist meistens die erste Silbe. Also ein deutscher Hund isst einen Kuchen, Käse oder ist eine Slammerin. Und das geht so weit, dass sogar mit fiktiven Wörtern, wenn man auch Kita-Kindern Wörter wie diese beiden Wörter zeigt, die würden ohne zu zögern beide vorne betonen. Die würden nie sagen rusEL telKEN, sondern ganz grundsätzlich RUSel und TELken.

[Auf weißem Hintergrund steht der Titel „5. (Wort)Akzent“. Darunter ist erneut das Bild von dem Mops und eine Sprechblase mit den genannten französischen Wörtern. Rechtsunten ist das Bild von dem Schäferhund und eine Sprechblase mit den genannten deutschen Wörtern. Die Aussprache der Wörter wird jeweils durch einen Bogen über den Wörtern in der Sprechblase dargestellt. Beim Französischen geht dieser am Ende nach oben und beim Deutschen nach unten.]

Fassen wir zusammen: Wir haben ein lautes Deutsch mit ganz vielen frikativen Reibegeräuschen, die auch schon Kinder natürlich verwenden. Wir haben komplexe Silbenstrukturen, sogar sehr komplex im Vergleich zu den Sprachen der Welt. Wir haben den Knacklaut, den wir immer automatisch einfügen, wenn wir ein Wort sprechen, das mit einem Vokal beginnt und eine Grenze auf der linken Seite des Wortes. Und die Auslautverhärtung ist auf der rechten Seite. Wie verhärten die Laute am Ende, die dann härter klingen. Und schließlich der Wortakzent. Wenn wir Wörter haben, die aus mehr als einer Silbe bestehen, wird in der Regel die erste Silbe betont. Und das alles zusammen bewirkt, dass das Deutsch so hart klingt, wie es nun mal klingt.

[Auf weißem Hintergrund erscheinen die genannten Punkte von Eins bis Fünf. Diese werden nochmal zusammenfassend dargestellt. Im Anschluss ist eine Sprechblase, ausgehend von dem Schäferhund, zu sehen, in der die Konsonanten, Vokale, der Knacklaut, die Auslautverhärtung und der Akzent dargestellt ist.]

Bleibt am Ende die Frage: Ja, warum denn überhaupt? Haben wir denn davon? Wir wollen ja nicht unbedingt klingen wie ein Hund. Die Lösung ist: Wir haben vorhin von Silbensprachen gesprochen – also Sprachen, die so aufgebaut sind, dass sie immer der optimalen Silbe entsprechen. Das Deutsch ist das genaue Gegenstück. Deutsch ist eine Wortsprache. Wortsprachen sind so aufgebaut, dass sie zwar schwer zu sprechen sind, aber sehr, sehr gut zu verstehen sind. Und jeder, der selber einen Hund besitzt, weiß das natürlich gerade im Deutschen sehr zu schätzen. Vielen Dank!

[Auf weißem Hintergrund erscheint die Überschrift „Warum denn überhaupt?!“. Darunter steht „Deutsch = Wortsprache“ geschrieben. Es ist erneut am rechten Bildrand der Schäferhund zu sehen. Links davon ein weiterer Hund, der vor einer Tafel sitzt, auf der Wörter stehen wie „Sitz“ und „Bleib“. Die Grafik verschwindet. Es sind Anna Hoff und Dr. François Conrad zu sehen.]

Anna Hoff:

Bravo, ein großer Applaus wieder von Bonn nach Berlin. Herzlichen Dank an François Conrad und seine Einblicke in die deutsche Sprache. Ich lese hier: Super spannend, klasse, interessant, wieder was dazugelernt, habe begeistert zugehört, vielleicht doch lieber Spanisch in den Kitas beibringen als Deutsch? Also große Resonanz. Vielen Dank. Mit Blick auf die Zeit habe ich nur eine kurze Frage an dich: Was ist deine Lieblingssprache nach all dem, was du schon weißt und gelernt hast?

Dr. François Conrad:

In der Kürze der Zeit das zu beantworten! Ich würde sagen, meine Muttersprache Luxemburgisch, das liegt mir dann doch am nächsten. Aber Deutsch mag ich auch sehr gerne.

Anna Hoff:

Emotional verbunden. Vielen, vielen herzlichen Dank an François Conrad und den dritten Science Slam-Beitrag zum Thema Sprache.

Workshops

In fünf Workshops erhielten die Teilnehmenden nicht nur spannenden Input aus Praxis und Wissenschaft, sondern sie konnten mitdiskutierten und ihre eigenen Perspektiven einbringen.

Die Themen der Workshops im einzelnen:

  • „Guter Betreuungsschlüssel“ mit Prof. Dr. Susanne Viernickel, Universität Leipzig
  • „Qualifizierte Fachkräfte“ mit Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin, Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF)
  • „Starke Kitaleitung“ mit Prof. Dr. Petra Strehmel, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
  • „Starke Kindertagespflege“ mit Prof. Dr. Gabriel Schoyerer, Katholische Stiftungshochschule München
  • „Die Sicht der Kinder auf ihre Kita“ mit Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse, Pädagogische Hochschule Freiburg

Stichpunktartige Dokumentation der Diskussionen in den Workshops

Anna Hoff

Einen wunderschönen guten Tag, meine Damen und Herren, herzlich willkommen zurück! Ich begrüße Sie wieder zurück hier im Live-Raum und hoffe Sie hatten erst eine entspannte Mittagspause und dann einen inspirierenden Workshop bzw. konnten sich von den Impulsen aus den unterschiedlichen Einrichtungen inspirieren lassen. Jetzt starten wir in den Bilanzierungsteil dieses Fachtages sozusagen. Unsere Oberfrage lautete ja: Wie gestalten wir gemeinsam die gute Kita der Zukunft? Sie und ich, wir wissen alle: Es braucht auf jeden Fall Geld. Es braucht eine Form von Nachhaltigkeit, es braucht Personal. Es braucht auf jeden Fall auch politischen Willen. Aber es braucht auch ganz besonders kreative Konzepte und Ideen. Und die haben Sie jetzt in den letzten anderthalb Stunden in Ihren Workshops erarbeitet oder zumindest skizziert und skizzenhaft zu bestimmten Themen Lösungen oder Ideen für die Zukunft entwickelt. Und wir werfen jetzt schlaglichtartig auf diese fünf Workshops und diese fünf Themen ein Licht und können tatsächlich immer nur so einzelne Stimmen jetzt hören, aber mit einer guten Idee vielleicht dann nach Hause gehen. Und ich habe gehört, Workshop zwei ist schon wieder zurück hier bei uns und deswegen freue ich mich, dass Frau Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin jetzt hier zu mir kommt. Hallo! So schnell ist man die Nummer eins.

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Hallo, guten Tag. Genau, so schnell ist man die Nummer eins.

Anna Hoff

Sehr schön. Sie sind vom Deutschen Jugendinstitut in München und haben jetzt gerade die letzten anderthalb Stunden zum Thema qualifizierte Fachkräfte gearbeitet. Und wir haben die Möglichkeit, eine Visualisierung auch aus den Workshops zu sehen. Vielleicht können wir die mal einblenden und dann parallel dazu von Ihnen zu hören, was sozusagen – wir können es nur grob skizzieren – aber was so die Grundideen zum Thema: Wie qualifizieren wir Fachkräfte in Zukunft und nachhaltig? Was haben Sie dazu erarbeitet?

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Genau. Also eine Visualisierung habe ich jetzt nicht mitgebracht. Ich weiß nicht, ob jemand anderes eine hat.

Anna Hoff

Genau, eigentlich sollte uns die jetzt eingeblendet werden. Ah, schauen Sie mal, da ploppt etwas auf.

[Grafik wird eingeblendet: eine Visualisierung zum Thema „Handlungsfeld Qualifizierte Fachkräfte“. In einer Wortwolke zum Thema „Impulse für das Monitoring & Maßnahmen“ stechen Worte wie „Rahmenbedingungen“, „Gut“, „Qualitätsmanagement“, „wertschätzend“ und „Eine Gute Arbeitsbedingung und gute Zusammenarbeit“ groß hervor. Unter der Frage „Was brauchen Kitas eigentlich, um Fachkräfte zu werben und zu halten?“ befinden sich in einer Mindmap viele Post-its in den Kategorien „Strategie der Bindung und Gewinnung“, „Bedingungen, dass Fachkräfte bleiben“ und „Perspektiven schaffen“.]

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Okay, das hatte ich noch nicht wahrgenommen. Alles klar. Okay, gut. Ich würde jetzt einfach ein paar Schlaglichter berichten aus einer Diskussion. Wir hatten eine sehr lebhafte und sehr konstruktive Diskussion. Das war mir eine richtig große Freude, dabei zu sein.

Anna Hoff

Schön.

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Wir haben so ein paar Dinge herausgearbeitet … oder ich sage jetzt mal, was ich so besonders herausgehört habe.

Anna Hoff

Unbedingt.

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Also ganz stark hängengeblieben ist mir jetzt, was ganz zum Schluss von einer Teilnehmerin kam: Wir müssen eigentlich auf allen Hochzeiten tanzen. Das heißt, wir brauchen auf vielen verschiedenen Ebenen Zugänge zum Arbeitsfeld. Das, glaube ich, ist fast so ein bisschen auch der Grundtenor gewesen.

Anna Hoff

Das war jetzt gerade ganz kurz, der Ton war nicht so ganz klar. Wir brauchen auf vielen verschiedenen Ebenen Zugänge zum Arbeitsfeld. Ist das richtig angenommen?

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Ja, genau. Eigentlich auf allen Ebenen. Also wir brauchen die Personen, die aus der Ausbildung rauskommen, aus der Erzieherinnenausbildung. Wir brauchen aber auch Weiterqualifizierungsmöglichkeiten, die in Richtung Anerkennung von Fachkräften gehen für Personen, die schon auf eine lange Ausbildung zurückblicken, die aber vielleicht nur eine affine Ausbildung ist oder vielleicht sogar eine fachfremde Ausbildung. Wir brauchen auch den Einsatz von Hilfskräften. Also wir müssen die Fachkräfte und Leitungskräfte entlasten. Wir brauchen Bürokräfte, wir brauchen Hauswirtschaftskräfte und da muss eben auch die Finanzierung geklärt sein. Die sind offensichtlich nicht immer über die Personalfinanzierung, über die Personalschlüssel abgedeckt. Als ein Hinderungsgrund für Personalbindung, wir haben auch über Personalbindung gesprochen: Was ist da wichtig? Also für Fachkräfte ist auch wichtig, sich in einer langfristigen Perspektive beruflich weiterentwickeln zu können in Richtung Fachkarrieren. Da ist es aber häufig mit der Honorierung schwierig. Also die Tarifsystem sind da relativ unflexibel, sodass man eine längerfristige berufliche Qualifizierung gar nicht entsprechend honorieren kann. Es gab keinen Konsens bei dem Thema multiprofessionelle Teams. Es wird einerseits als eine ganz große Bereicherung erlebt, weil jemand was ganz Neues mitbringt, ganz neue Kompetenzen mitbringt. Es ist aber oftmals ganz schwierig, in eine Einrichtung oder in ein Team mit Erzieherinnen zu kommen, wenn man einen völlig anderen Hintergrund hat. Das ist ja auch etwas, was wir bei Berufseinsteiger:innen häufig sehen. Also: Wie komme ich überhaupt in ein Team hinein? So ein Prozess muss auch gut begleitet sein. Also einerseits sozusagen ist es ein Gewinn, andererseits birgt es gewisse Problematiken. Und es hat vor allem das Problem, wenn das Fachfremde sind und sie keine Fachkraftanerkennung haben, dann erhalten sie eigentlich ein Gehalt, das nicht wirklich attraktiv ist. Also wenn sie nur auf eine Ergänzungskraftstelle können. Wir haben ganz lange über das Thema von Vertretungskräften gesprochen und das war auch ganz unterschiedlich. In manchen Bundesländern gibt es da Lösungen, dass man zum Beispiel für eine bestimmte Zeit von sechs Wochen aus einem Vertretungspool Kräfte beschäftigen kann. In anderen Ländern oder Kommunen gibt es diese Möglichkeit nicht. Das war so ein Thema.

Anna Hoff

Eine letzte Frage sozusagen von mir. Also zum einen gehe ich davon aus, dass wir diese Dokumentation Ihnen auf jeden Fall auch zur Verfügung stellen werden. Das haben wir für alle fünf Workshops, da gibt das Zusammentragen Ihrer guten Gedanken und Ideen. Vielleicht noch eine letzte Frage zum Thema Fachkräftequalifizierung: Wen würden Sie so am ehesten und als ersten in der Pflicht sehen, dieses Thema anzugehen? Gibt es da irgendwie so jemanden, dem wir auf die Füße treten müssen?

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Vielleicht ist Teil des Problems, dass es etwas ist, da kann nicht ein einzelner Akteur zuständig sein, sondern wir brauchen wahrscheinlich eine Abstimmung zwischen den vielen verschiedenen Akteuren, die da im System steuern. Wir haben die Länderverantwortung, wir haben eine Trägerpluralität, wir haben Kita-Kulturen und -Mentalitäten. Vielleicht müsste man eher in Richtung eines integrativen …

Anna Hoff

Eine Art runden Tisch?

Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin

Aber ich glaube, Maßgabe müsste sein: Wir müssen Spielräume eröffnen. Wir müssen Spielräume eröffnen, damit Träger oder auch Kita-Leitungskräfte eine gewisse Flexibilität bekommen. Die Problematik dabei ist: Wie tun wir das, ohne dass wir das, was wir jetzt an Qualität erreicht haben im Kita-System – wir liegen ja ohnehin unter allen anderen Bildungsbereichen in der Kita – also dass wir das nicht gefährden dürfen. Also Flexibilität, Spielraum, ja, das ist total wichtig und da scheinen Finanzierungsmodalitäten eine große Rolle zu spielen. Das habe ich jetzt rausgehört aus dem, was die Leitungskräfte gesagt haben – es waren sehr viele Leitungskräfte dabei. Aber wie kriegen wir das hin, ohne dass wir das, was wir erreicht haben, gefährden? Das ist für mich die Herausforderung.

Anna Hoff

Vielen herzlichen Dank. Es bleibt bei einem Impuls. Danke schön, Frau Fuchs-Rechlin, für diesen kurzen Einblick in Ihren Workshop. Und wir springen wieder zurück in Workshop eins sozusagen. Und ich begrüße noch einmal Frau Prof. Dr. Susanne Viernickel von der Universität Leipzig. Wir hatten heute Vormittag schon das Vergnügen. Frau Viernickel, Sie hatten Ihren Workshop zum Thema guter Betreuungsschlüssel. Dazu haben wir auch schon viel gehört heute Vormittag. Und auch da bleibt mir nur wirklich kurz die Frage zu stellen. Was ist so der Impuls, den Sie aus Ihrem Workshop mitnehmen zur Oberfrage: Wie gestalten wir die gute Kita der Zukunft? Was braucht es für einen guten Betreuungsschlüssel?

[Grafik wird eingeblendet: eine Visualisierung zum Thema „Handlungsfeld Guter Betreuungsschlüssel“. In einer Mindmap sind viele Post-its unter den Kategorien „Monitoring-Ergebnisse“, „Einordnung“ und „Diskussion“.]

Prof. Dr. Susanne Viernickel

Also ich muss auch erst einmal sagen, dass der Workshop ausgesprochen gut lief, fand ich, und sehr, sehr interessante Fachbeiträge dabei waren. Es waren insgesamt 39 Teilnehmer:innen, die sich auch rege beteiligt haben. Und es waren sich, glaube ich, alle einig, dass das gut ist, dass sich die Personalschlüssel langsam kontinuierlich verbessern. Dass sie aber insbesondere auch in den Bundesländern, wo sie eben doch eher an den oberen Rändern sind – und das sind nun mal mehrheitlich die östlichen Bundesländer – dass das immer noch überhaupt nicht ausreicht für eine gute pädagogische Arbeit. Das ist so ein Konsens, der da war. Und in dem Zusammenhang konnte ich noch mal verweisen auf die Expertise, die ja dazu auch vorliegt. Wenn man jetzt in Richtung Kita-Qualitätsgesetz geht, liegen ja schon Vorschläge vor für die Berechnung von solchen Fachkraft-Kind-Relationen und dann Personalschlüsseln. Das war nämlich der zweite wichtige Punkt, dass die Teilnehmenden doch sehr stark darauf verwiesen haben, dass ein Personalschlüssel eben nicht das einzig Seligmachende ist, sondern dass da viele Dinge noch berücksichtigt werden müssen. Also ein Personalschlüssel ist ja zum einen ein rechnerischer Schlüssel und berücksichtigt nicht, dass Personal auch ausfällt durch Krankheiten oder auch durch Urlaubszeiten. Und da ist dann klar, dass in großen Einrichtungen dann schnell mal viele, viele Tage, mehrere hundert Tage zum Teil oder Stunden, nein Tage, direkt auch fehlen. Dann in der alltäglichen Arbeit, die durch den Personalschlüssel erst mal suggeriert werden, dass sie da sind, die aber nicht in der täglichen Arbeit da sind. Und ein zweiter Punkt, der dazugehört, ist die mittelbare pädagogische Arbeitszeit, die ja auch im Personalschlüssel mit eingerechnet ist, die aber auch notwendig ist für eine gute pädagogische Arbeit. Und allen war klar, dass man in diese Richtung denken muss, um da zu angemessenen und auskömmlichen Personalressourcen zu kommen. Ein Punkt war auch noch, dass es problematisch ist, wenn Personalberechnung sich nicht auf Kinder, sondern eben nur auf Stunden, wo die Kinder da sind, bezieht. Weil dann gerade in den Kernzeiten alle Kinder da sind und die mit dem Personalschlüssel dann oder mit dem zur Verfügung stehenden Personal schlecht aufgefangen werden können. Oder dass dann gerade in dieser wichtigen Zeit der Bildungsarbeit viel zu viele Kinder für zu wenig Personal da sind. Das haben wir ein bisschen kontrovers auch diskutiert, aber es wurde auf jeden Fall sehr deutlich, dass das ganze Problem oder die ganze Berechnungslogik komplexer ist und unter anderem auch besondere Bedarfe einbeziehen muss, wie wir es ja auch schon vorher gehört haben. Dass also Einrichtungen und Teams, die zum Beispiel mit einem hohen Anteil an Kindern und Familien mit Migrationshintergrund arbeiten, andere Bedingungen haben und da auch Personalzuschläge benötigen. Genauso wie wir es ja auch schon in der Unterscheidung von unter 3-jährigen und über 3-jährigen Kindern machen. Und auch da wurde gesagt, das ist nicht unbedingt korrekt so und man müsste auch die ganz jungen Kinder noch einmal anders behandeln als die, die schon dann schon fast 3 Jahre alt sind. Da in diese Richtung ging das so auch.

Anna Hoff

Da braucht es dann offensichtlich so eine Form von Flexibilisierung, mehr oder weniger und nicht einheitlicher, eine einheitliche Antwort auf alle für alle Einrichtungen.

Prof. Dr. Susanne Viernickel

Es muss auf der einen Seite eine Einheitlichkeit geben. Nämlich in der Art und Weise der Berechnung, dass das transparent ist, dass das einheitlich ist. Aber diese Berechnung wiederum muss flexibel auf die individuellen Situationen vor Ort angepasst sein. Ich will noch kurz auf den zweiten Punkt eingehen, den wir diskutiert haben, nämlich den der Personalgewinnung. Da schließen wir uns ja auch ein bisschen an den anderen…

Anna Hoff

Den vorherigen Workshop?

Prof. Dr. Susanne Viernickel

Ja, genau. Da wurde die Frage gestellt: Wie gewinnen wir das Personal und wie machen wir den Beruf so attraktiv, dass wir weiter Personal gewinnen können? Und da haben wir diskutiert, dass das natürlich auch wieder mit dem Fachkraft-Kind-Schlüssel zusammenhängt als wesentliche Stellschraube guter Arbeitsbedingungen. Wenn der Fachkraft-Kind-Schlüssel besser wird, fällt es vielleicht auch leichter, Fachkräfte oder Nachwuchs zu motivieren. Das ist aber nur eine von mehreren Stellschrauben, wo man auch zum Beispiel die Ausbildungsqualität und überhaupt auch die Ausbildungskapazität berücksichtigen muss. Und ein Plädoyer war am Schluss, und das ist auch etwas, was man in die Zukunft mitnehmen kann: Selbst wenn die Personalbedarfe jetzt rein rechnerisch am Wissenstand bemessen in Zukunft in den östlichen Bundesländern sinken sollten, sollten wir das nicht zum Anlass nehmen, auch die Personalausbildungskapazitäten herunterzufahren, sondern im Gegenteil beizubehalten, damit wir auf diese Weise eventuell zu einer Verbesserung von Personalschlüsseln und dazu kommen können, dass die qualitativen Standards gehalten werden. Also auf keinen Fall reagieren, indem Ausbildungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Anna Hoff

Vielen Dank. An dieser Stelle machen wir wieder einen Punkt, Frau Viernickel. Danke für Ihre Zeit, danke für den Workshop. Und wir schauen uns an, was Frau Prof. Dr. Strehmel in ihrem Workshop zum Thema starke Kita-Leitung erlebt hat und welche Impulse von dort in die Zukunft ausgehen. Hallo, Frau Strehmel. Schön, Sie wiederzusehen.

Prof. Dr. Petra Strehmel

Ja, hallo.

Anna Hoff

Wie war Ihr Workshop?

[Grafik wird eingeblendet: eine Visualisierung zum Thema „Handlungsfeld Starke Kitaleitung. In einer Mindmap sind viele Post-Its unter den Kategorien „Wo besteht aus Ihrer Praxissicht stärkster Handlungsbedarf?“, „Was benötigen Leitungen, um ihre Aufgaben effizient erfüllen zu können?“ und „Was benötigen Leitungen zur kontinuierlichen professionellen Weiterentwicklung?]

Prof. Dr. Petra Strehmel

Ja, also in unserem Workshop waren eben auch viele starke Kita-Leitungen, auch mit entsprechender Erfahrung. Und das erste, was auch Frau Buchmann uns aus den Ergebnissen noch einmal präsentiert hat, das war quasi die große Diskrepanz zwischen dem, was so an Zeit zur Verfügung steht und was an Aufgaben eigentlich da ist. Also das war überall deutlich, dass Leitungen viel, viel mehr Entlastung brauchen, dass sie sehr viel Zeit für Vertretungen bei fehlendem Personal, also bei Personalausfällen, brauchen. Und auch wir haben dann diskutiert, wie kann man das Feld insgesamt attraktiver machen? Und da wurde eben auch genannt: die-Kita Helfer:innen, die quasi in einigen Bundesländern eingesetzt wurden, die manchmal dann auch den Weg in eine pädagogische Ausbildung gefunden haben. Dann auch Hauswirtschaftskräfte, Vertretungskräfte. Dass das alles wichtig wäre und für Leitungen insbesondere dann auch Verwaltungskräfte. Es wurde auch immer wieder gesagt: Also die bürokratischen Regelungen sind halt sehr, sehr sperrig, sehr, sehr aufwendig. Und Kita-Leitungen sind in manchen Bundesländern oder in manchen Kommunen dann eben für alles zuständig, also nicht nur für Personal- und Finanzen-, sondern auch für Bauangelegenheiten. Es gibt nicht überall garantiert Hausmeister und so was müsste im Prinzip ausfinanziert werden und das Geld auch dann wirklich in den Einrichtungen ankommen. Was bei uns auch gesagt wurde: Auch in sozialen Brennpunkten ist die zusätzliche Zeit, die notwendig ist, eben auch für Leitungskräfte sehr, sehr wichtig, um eben mit Jugendämtern, mit Familien, mit allen möglichen anderen Stellen im Sozialraum dann auch zusammenarbeiten können bzw. auch Hilfen innerhalb der Kita dann zu organisieren. Was auch noch rauskam: Dass manchmal kirchliche und freie Träger nicht wirklich ausfinanziert werden in dem, was sie an Verwaltungs- oder Leitungsstunden eigentlich brauchen. Oder dass eben Kommunen dann Gelder aus dem Gute-KiTa-Gesetz quasi auch hernehmen, um so ihre Löcher zu stopfen, aber nicht die Gelder weiterreichen an die Kitas, dass die also letztlich nichts davon haben. Also dass die quasi ihren Pflichtaufgaben, dieses System auszufinanzieren, gar nicht wirklich nachkommen. Es wurde auch der Wunsch geäußert, dass Leitungskräfte auch die Möglichkeit haben sollten für Karrierewege, wo sie auch noch am Kind arbeiten können. Da wurde dann auch das Bundesprogramm „Fachkräfteoffensive“ genannt. Wir sind auch noch zur Ausbildung gekommen. Das gehört auch zu dem attraktiven Arbeitsfeld, dass natürlich die Ausbildungen kostenlos sein sollten und dass wir da eine Qualitätskontrolle brauchen, weil in einigen Bundesländern es eben auch noch viele private Fachschulen gibt. Die Bedeutung von Fachberatung wurde diskutiert und schließlich auch, dass die Träger im Prinzip eine Struktur benötigen, die sie unterstützt, weil wir haben viele ehrenamtliche Träger. Und das ist in manchen Bereichen schon gut geregelt. Aber dass die Träger quasi eine Begleitung insbesondere durch die Verbände haben, die sie halt dabei unterstützen, dass das Kita-Personal Zugang zum Fachdiskurs hat und die sie auch unterstützen bei der Ausfinanzierung der Einrichtungen.

Anna Hoff

Hier vielen herzlichen Dank für diese vielen Impulse in dieser sehr knappen Zeit und Ihre knackige Zusammenfassung. All das verpufft nicht, sondern es bleibt dokumentiert und es wird sozusagen nachhaltig zur Verfügung gestellt. Vielen Dank, Frau Prof. Strehmel für Ihre Zeit. Und wir springen gleich in Workshop vier mit Prof. Dr. Gabriel Schoyerer von der Katholischen Stiftungshochschule in München. Hallo Herr Schoyerer!

Prof. Dr. Gabriel Schoyerer

Hallo Frau Hoff, ich grüße Sie.

Anna Hoff

Sie haben einen Workshop angeboten zum Thema starke Kindertagespflege. Und auch dort haben wir eine kleine Dokumentation, die wir einblenden können. Was sind Ihre Ergebnisse zum Thema starke Kindertagespflege in der Zukunft? Was braucht es dafür?

[Grafik wird eingeblendet: eine Visualisierung zum Thema „Handlungsfeld Starke Kindertagespflege“. In einer Wortwolke zum Thema „Wo besteht aus Ihrer Praxissicht stärkster Handlungsbedarf“ stechen Worte wie „Vergütung“ groß hervor. In einer Mindmap sind viele Post-its unter den Kategorien „Wohin entwickelt sich die Kindertagespflege?“ und „Welche Aspekte haben Ihnen bislang in den Darstellungen gefehlt?“.]

Prof. Dr. Gabriel Schoyerer

Ja, was braucht es dafür? Also wir haben viele Punkte diskutiert. Wir waren eine sehr kleine Gruppe und konnten insofern relativ intensiv diskutieren. Herr Müller vom DJI hat uns da auch noch einmal die wichtigen Ergebnisse vorgestellt. Und deutlich war vielleicht, um das ein bisschen zu kontextualisieren hier auch in diesem Rahmen, weil die Kindertagespflege da vielleicht sonst nicht so mit berücksichtigt wird: Also das es erst einmal im Bereich der Qualifizierung doch in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung gegeben hat, hin zu mehr Qualifizierung. Also deutlich mehr Tagespflegepersonen verfügen über deutlich höhere Qualifizierungen. Ganz anders war das noch vor 15 Jahren, wo noch über 30 Prozent der Tagespflegepersonen praktisch keine Qualifizierung hatten. Das ist sicherlich auch ein Effekt der verschiedenen Programme des Bundes. Ministerin Spiegel hat ja heute Morgen auch darauf hingewiesen. Zweiter Punkt: Es gab auch insgesamt erhebliche quantitative Steigerungen in der Kindertagespflege in den letzten Jahren, sowohl aufseiten der Kinder als auch aufseiten der Tagespflegeperson. Also die Anzahl der in Kindertagespflege betreuten Kinder – um eine Zahl zu nennen – hat sich da in den letzten 15 Jahren ungefähr verdreifacht. Das ist schon erheblich und zeigt auch, in welchem Paradigmenwechsel sich die Kindertagespflege eigentlich auch immer noch befindet. Und drittens zeigt das auch so ein Stück so ein gewandeltes Selbstverständnis der Kindertagespflege als Beruf, also dann hin zu einer fachlich geförderten, politisch unterstützten, auch existenzsichernden Tätigkeit. Und das ist sozusagen auch ein Stück weit so der Casus knacksus in der Kindertagespflege. Da haben wir noch auch ausführlich diskutiert darüber, weil wir eine sehr starke Kopplung haben zwischen Tätigkeitsbedingungen und Qualitätsbedingungen. Also anders als in den Kindertageseinrichtungen ist es einfach so, dass Kindertagespflegepersonen oftmals auch 4 bis 5 Kinder betreuen müssen, gewissermaßen. Sie tun das auch empirisch, aber sie müssen es auch, wenn sie davon existenzsichernd leben wollen. Und das müssen sie insbesondere da, wo heute sowieso unzureichend vergütet wird. Wir haben ja da riesige Spannen drin, also bundesweite Spannen der Vergütung um den Faktor drei bei gleicher Leistung. Und ist das natürlich schon erheblich. Also wenn eine Tagespflegeperson pro Stunde und Kind 2 Euro verdient, eine andere 6 Euro, auch teilweise unabhängig von der Höhe der regional unterschiedlichen Lebenshaltungskosten. Und diese erhebliche Heterogenität lässt sich sozusagen eigentlich auf viele andere Bereiche in der Kindertagespflege übertragen. Bei der fachlichen Beratung und Unterstützung in der pädagogischen Arbeit durch die Fachberatung, die Qualität der Vertretung, die Position der Kindertagespflege im System der Kindertagesbetreuung insgesamt. Und das hat das Monitoring auch noch einmal sehr deutlich gezeigt. Jetzt kann man sich fragen: Was kann man tun, was kann sozusagen vielleicht auch ein Bund tun? Und wenn man es bislang sich anschaut, sozusagen auf das Monitoring und auch auf die Effekte des Gute-KiTa-Gesetzes, kann man so ein Stück weit vielleicht auch so was wie ein Matthäus-Effekt da sehen. Also die Frage: Welche Länder haben denn eigentlich von dem Handlungsfeld acht auch Gebrauch gemacht? Und da würde ich doch eher sagen, es wurde auch deutlich in der Diskussion – also Matthäus-Effekt: wer hat, dem wird gegeben – dass nämlich sozusagen die Bundesländer, die sowieso schon vorher stark in die Kindertagespflege investiert haben, sozusagen diese Mittel auch genutzt haben des Bundes, um hier sozusagen stärker noch ihre Initiativen und Schwerpunkte auszubauen. Wohingegen die Länder, die das vorher nicht sozusagen schwerpunktmäßig betrieben haben oder das vielleicht auch explizit nicht wollten, da nicht investiert haben, sodass möglicherweise sozusagen durch die Verfasstheit des bisherigen KiQuTGs gewissermaßen die Schere also hier noch weiter aufgeht. Und das wäre schon ein Ansatzpunkt auch für die Weiterentwicklung des Gesetzes, dass man sozusagen mit dem Gesetz nicht das tut. Also sozusagen das Gegenteil im Effekt erreicht, was man eigentlich wollte – nämlich gewissermaßen für gleichwertige Lebenschancen zu sorgen – sondern hier ein Stück weit auch zur Angleichung passt. Obgleich – letzter Satz – die Heterogenität in der Kindertagespflege enorm ist. Aber es gibt gute Beispiele, wie man das machen kann. NRW zum Beispiel hat ein neues Landesgesetz verabschiedet, wo man dezidiert die Kindertagespflege auch berücksichtigt. Da kann man vielleicht ein bisschen was von lernen.

Anna Hoff

Vielen Dank, Herr Schoyerer, für diesen Impuls und Ihren Einblick in den Workshop zur starken Kindertagespflege. Und wir starten die letzte Runde mit der Sicht der Kinder auf die Kita. Und da freue ich mich, dass Frau Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse zu mir kommt von der Evangelischen Hochschule in Freiburg. Hallo Frau Rönnau-Böse. Wenn ich richtig informiert bin, soll es eine Studie geben 2022, die genau das untersucht, nämlich die Sicht der Kinder auf die Kita. Und dazu haben Sie Ihren Workshop veranstaltet?

[Grafik wird eingeblendet: eine Visualisierung zum Thema „Kinderbefragung: die Sicht der Kinder auf Ihre Kita“. In einer Mindmap sind viele Post-its unter den Kategorien „Welche zu erwartenden Erkenntnisse aus der Kinderbefragung sind für Sie von besonderem Interesse?“, „Wie nehmen Sie die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern in Kindertageseinrichtungen wahr?“ und „Welche Impulse erhoffen Sie sich für die Steuerung der Weiterentwicklung der guten KiTa der Zukunft?“.]

Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse

Genau. Die Kollegen vom DJI haben spannende Einblicke in die geplante Kinderbefragung gegeben und wie sie da methodisch vorgehen wollen. Und wir haben in unserem Workshop uns viel mit dem Thema Partizipation befasst, weil die Kinderbefragung an sich ja schon eine partizipatorische Methode darstellt. Und es ging dann zum einen um methodische Aspekte, wie man so eine Kinderbefragung gut gestalten kann und zum anderen haben wir uns auch inhaltlich mit dem Thema der Partizipation auseinandergesetzt. Und so von der methodischen Seite her war so vielleicht der allerwichtigste Punkt, dass es wichtig ist, eben auch Kinder mit zu berücksichtigen bei diesen Befragungen, die eben nicht Deutsch als Muttersprache sprechen oder auch andere Formen von Beeinträchtigungen haben und eben auch da Möglichkeiten finden, wie man sie teilhaben lassen kann an solchen Befragungen, um auch ihre Perspektive stärker mit zu berücksichtigen. Das war so ein Aspekt, den wir methodisch diskutiert haben. Und dann kam auch ein sehr spannender Einblick von den Leuten aus der Praxis, die eben dann auch Ideen eingebracht haben, eben davon, diese Ergebnisse auch an die Kinder dann wiederum zurück zu spiegeln. Was ich für mich als Expertin aus dem Bereich der Wissenschaft noch als wichtiger Hinweis auch fand, eben die Ergebnisse nicht nur für Erwachsene aufzubereiten, sondern eben genauso auch für die Kinder, die eben auch hier wieder an ihren Rechten zu stärken. Partizipation ist bei allen Beteiligten oder Praxispartnern, die jetzt in dem Workshop waren, ein großes Thema und kann unterschiedlich gut ausgestaltet werden. Es gibt sehr viele unterschiedliche Konzepte, aber auch innovative Beispiele, die gebracht wurden, eben Kinder zum Beispiel bei Bewerbungsgesprächen zu beteiligen, wenn eben neue Fachkräfte ausgewählt werden sollen. Und es wurde auch darüber diskutiert, dass es wichtig ist, auch den Altersunterschied der Kinder zu berücksichtigen und auch hier eben Beteiligungsmöglichkeiten für die ganz Kleinen mit zu berücksichtigen. Also auch hier wieder zu gucken: Wie kann man unterschiedliche Teilhabemöglichkeiten in den Fokus rücken? Ein wichtiger Impuls für das Gute-KiTa-Gesetz haben wir in unserem Workshop diskutiert, dass es eben wichtig ist, diese Perspektive der Kinder stärker zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf das Gesetz, da nicht automatisch unsere Perspektive als Erwachsene gleichzeitig die Einschätzung der Kinder ist und die Perspektive der Kinder hier auch eine Art Korrektiv unserer eigenen Wahrnehmung darstellen kann. Die wir als wichtigen Impuls und auch als Richtungsgeber sehen sollten in der Weiterentwicklung von Gesetzen im Rahmen der Qualitätsverbesserung. Denn die gestiegene Qualität, das ist ja unser aller Ziel, das muss auch für die Kinder dann spürbar sein. Und wenn wir die Perspektive der Kinder nicht mit einbeziehen, dann wissen wir auch nicht, ob sich für sie etwas spürbar verändert hat. Und ich glaube, es war von allen in dem Workshop so ein Plädoyer dafür, diese Perspektive der Kinder stärker zu berücksichtigen. Und es ist auch noch ein Suchprozess, wie das gelingen kann, da möglichst viele verschiedene Perspektiven und Teilhabemöglichkeiten auch zu schaffen.

Anna Hoff

Vielen Dank für diesen wunderbaren Schlussblick sozusagen an dieser Stelle tatsächlich auch genau für das, was Sie tagtäglich ja auch in Ihren Einrichtungen tun, noch mal die Zielgruppe sich auch noch mal ganz genau vor Augen zu führen und auch die konkret selbst zu befragen. Vielen Dank, Frau Rönnau-Böse, für den Einblick in Ihren Workshop. Und damit, meine Damen und Herren, geht die dritte Fachkonferenz zum Guten-KiTa-Gesetz auch schon zu Ende. Ein sehr voller Tag. Wir haben uns heute Morgen die Frage gestellt: Wie gestalten wir gemeinsam – das ist, glaube ich, das zentrale Wort – die gute Kita der Zukunft? Wir haben in vielen Runden in Fachgesprächen und in Workshops Antworten erarbeitet, Impulse gesetzt. Es gibt keine einfachen Antworten, wie Sie alle wissen. Wir werden das Ganze hier, was wir heute gesammelt haben, dokumentieren und Ihnen nachhaltig zur Verfügung stellen. Ich wünsche Ihnen an dieser Stelle ganz besonders, dass Sie diesen Prozess, in dem Sie alle stecken, auch als Prozess wahrnehmen. Es gibt in der Politik, glaube ich, selten finale Zustände sozusagen. Und dass Sie auch die kleinen Schritte in diesen Prozessen, in denen Sie tagtäglich stecken, wahrnehmen können. Ich wünsche Ihnen ganz viel Selbstwirksamkeit, die Sie erkennen können sozusagen, auch in diesen sehr komplexen Strukturen, in denen Sie alle tätig sind. Und dass Sie bei all den Herausforderungen nicht die Liebe zu Ihrem Beruf und Ihrem Tätigkeitsfeld und vor allem zu den Kindern verlieren. Und dass Sie sich immer jeden Tag daran erinnern können, warum Sie das tun, was Sie tun. Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich bei allen Expertinnen und Experten, die heute diesen Tag gestaltet haben und hier mitgewirkt haben für ihren wertvollen Input, natürlich beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, Jugend und dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftlichen Aufgaben für die Organisation dieses Fachtags. Bedanke mich auch sehr herzlich bei der Technik. Tatsächlich vielleicht als letzte Möglichkeit oder Hinweis Technik: Es gibt eine letzte Folie, die Sie jetzt hier sehen. Eine letzte Abfrage: Wie hat Ihnen die Veranstaltung insgesamt gefallen? Was nehmen Sie mit? Geben Sie uns dazu gerne eine kurze Rückmeldung. Sehen Sie uns die technischen Schwierigkeiten so zu Beginn dieser Fachtagung nach. Wenn ich das hier richtig gesehen habe, waren heute Nachmittag noch über 800 Menschen mit uns gemeinsam im digitalen Raum. Das kann manchmal die Server überfordern. Ich freue mich über Ihre Resonanz. Ich freue mich sehr für Ihre Zeit und wünsche Ihnen allen gutes Gelingen beim weiter die gute Kita der Zukunft Gestalten.

Impulse-Kanal

Für alle Teilnehmenden, die sich nicht für Workshops angemeldet hatten, gab es mit dem Impulse-Kanal einen eigenen, anregenden Stream mit Kurzfilmen und Interviews zu guter Praxis in verschiedenen Qualitätsbereichen.

In filmischen Kurzportraits wurden Kita-Einrichtungen und lokale Bündnisse vorgestellt, die beispielhaft für Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung sind. Im Anschluss berichteten die Beteiligten jeweils von ihren Erfahrungen, Erkenntnissen und Ansätzen, um gute Qualität im Alltag zu verwirklichen. Die Beiträge boten Einblicke in die Praxis guter Kindertagesbetreuung und nahmen unterschiedliche Qualitätsaspekte wie Leitungshandeln, Fachkräfte- und Teamentwicklung, Beteiligung oder Netzwerkarbeit in den Blick. Das Angebot entstand im Programm „Impulse für gute KiTa“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

[Einblendung des Titelbildschirms "Impulse für gute KiTa". Ein weiterer Schriftzug wird eingeblendet: "Praxis-Impulse "Gute Qualität in der KiTa"". Dieser wird ausgeblendet und es erscheinen "Gefördert von: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" und "deutsche kinder- und jugendstiftung". Der Titelbildschirm wird ausgeblendet. Die Moderatorin Eva Wingerter-Knoke steht vor einer grünen Wand und hat Moderationskarten in der Hand.]

Eva Wingerter-Knoke
Herzlich willkommen zu unseren Praxis Impulsen für gute Qualität in der Kita.
[Eine Bauchbinde erscheint: "Eva Wingerter-Knoke. Programmleitung Deutscher Kita-Preis, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung."]
Qualität in der Kindertagesbetreuung benötigt gute Rahmenbedingungen. Sie benötigt vor allem aber auch engagierte und kompetente Fachkräfte und Leitungen, die diese Rahmenbedingungen an Kitas oder in der Kindertagespflege in gute Praxis übersetzen. Also Menschen, die jeden Tag gemeinsam mit ihren Kollegen und Kolleginnen sowie Partnerinnen und Partnern aus der Verwaltung, von Trägern oder aus dem lokalen Umfeld daran arbeiten, dass alle Kinder in ihrer Einrichtung die bestmögliche Bildung, Erziehung und Betreuung erhalten. Sowohl gute Qualität selbst als auch die Wege dorthin können sehr unterschiedlich sein. Wir möchten Sie daher mitnehmen auf einen kleinen Ausflug zu sechs Beispielen aus der Praxis der frühen Bildung, die zeigen, wie Kita, Leitung und Fachkräfte oder auch Menschen in lokalen Bündnissen gemeinsam daran arbeiten, das Versprechen auf gute frühe Bildung einzulösen. Mein Name ist Eva Wingerter-Knoke. Ich bin Programmleiterin bei der deutschen Kinder und Jugend Stiftung und verantworte gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen den Deutschen Kita Preis. Um Ihnen einen vielfältigen Einblick zu geben, wie Qualitätsentwicklung vor Ort aussehen und gelingen kann, möchten wir Ihnen in den kommenden eineinhalb Stunden vier Kitas und zwei lokale Bündnisse für frühe Bildung vorstellen. Sie alle sind Preisträger des Deutschen Kita Preises aus den vergangenen Jahren und engagieren sich auf verschiedene Art und Weise sowie mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen für gute Qualität in der Kindertagesbetreuung. Die Praxis Impulse sind jeweils etwa 15 Minuten lang und beginnen mit einem kurzen Filmporträt. Im Anschluss haben wir die pädagogischen Fachkräfte, eine Bündniskoordinatorin und einen Bündniskoordinator gebeten, uns von ihren Erfahrungen bei der Qualitätsentwicklung zu berichten. Welche Qualitätsfragen haben Sie sich gestellt? Wie sind Sie vorgegangen und welche Antworten haben sie gefunden? Und was waren wichtige Erkenntnisse, die sie gewonnen haben? Wir freuen uns sehr, dass wir die Gespräche trotz der vielen Herausforderungen, vor denen viele Kitas und Netzwerke momentan stehen, in den vergangenen Wochen aufzeichnen konnten. Dafür möchte ich mich bei unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern, aber auch ihren Kolleginnen und Kollegen in den Kitas, bei den Trägern oder in den Bündnissen bedanken, die sich mit ihnen zusammen für gute frühe Bildung, Betreuung und Erziehung engagieren. Denn Qualitätsentwicklung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Die Praxis Impulse sind ein Beitrag der deutschen Kinder und Jugend Stiftung. Sie wurden im Programm "Impulse für gute Kita" erstellt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Sie können sich die Praxis Impulse in Kürze auch auf dem Gute Kita Portal unter www.gute-Kita-Portal.de oder auf dem YouTube Kanal der deutschen Kinder und Jugend Stiftung anschauen. Dort finden Sie darüber hinaus weitere Praxiseinblicke, Anregungen als Video, Podcasts oder in Form von Materialien.
[Ein- und Ausblendung von Titelbild: Praxis Impuls "KiTa-Qualität mit Kindern und Fachkräften gemeinsam entwickeln". Kita Rehfelder Straße, Dresden (Sachsen). Danach erscheint Eva Wingerter-Knoke wieder.]
Die Kita Rehefelder Straße in Dresden gehörte 2020 zu den Preisträgern des Deutschen Kita Preises in der Kategorie "Kita des Jahres". In der sächsischen Kita des Trägers Outlaw werden derzeit 110 Kinder von 21 Mitarbeitenden betreut. Die Jury des Deutschen Kita Preises bezeichnete die Fachkräfte und die Kita selbst in ihrer Laudatio als "Möglich-Machende". Denn auf Grundlage ihres Konzepts der offenen Arbeit, gelingt es den Fachkräften in der Kita Rehefelder Straße auf besondere Art und Weise, die Fragen der Kinder aufzugreifen und mit ihnen gemeinsam nach Antworten zu suchen. Aber auch die Fachkräfte erhalten große Spielräume, um sich mit ihren individuellen Interessen, Erfahrungen und Kompetenzen in die Gestaltung der Kita einzubringen. So entstehen sowohl für Kinder als auch das gesamte Team immer neue Möglichkeiten, Qualitätsthemen gemeinsam zu entwickeln, zum Beispiel wenn es um gesundes Aufwachsen oder Bildung für nachhaltige Entwicklung geht. Lassen Sie uns zunächst einen kurzen Blick in die Arbeit der Kita werfen. Im Anschluss berichtet dann die Kita-Leiterin Katja Hillenbrand, wie genau in dieser Dresdner Kita Teamentwicklung und Partizipation gelebt werden, um die Qualität stetig zu verbessern.

Katja Hillenbrand:
[Die Kita Rehefelder Straße von außen im Hintergrund. Im Vordergrund ist die Skulptur eines Dinos mit langem Hals. Die Kamera bewegt sich einen gepflasterten Weg entlang. Es ist ein kleines Schild zu sehen, auf dem der Name der Kita sowie der Träger Outlaw stehen. Katja Hillenbrand in der Interviewsituation erzählt:]
Die Outlaw-Kita Rehefelder Straße liegt im Dresdner Stadtteil Pieschen. Wir arbeiten nach dem offenen Konzept. Wir verstehen uns dort als Unterstützer, Kinder in dem Tag zu begleiten, denn die haben auch ganz viele Ideen und wir versuchen das einfach möglich zu machen.
[Kopf eines Holzpferdes im Vordergrund. Ein Junge hämmert mit einem kleinen Hammer auf etwas. Ein Mädchen zieht mit einer Zange einen Nagel aus einem Holzblock. Ein anderes Mädchen hangelt an einem Seilnetz entlang. Ein weiteres Mädchen schaukelt an einem Ring. Eine Betreuerin liest drei Mädchen aus einem Buch vor. Eine Betreuerin und drei Kinder in einem Kunstraum mit Bildern. Vier Kinder schauen in die Kamera und machen ein "Peace“-Zeichen.]
Nicht wir sensibilisieren die Kinder für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, sondern die Kinder haben uns sensibilisiert für das Thema, indem sie sich nämlich Sorgen um Wale gemacht haben, bei denen Plastik im Bauch gefunden wurde.
[Vier Kinder gehen mit kleinen Wagen den Weg vor der Kita entlang. Ein Betreuer gibt einem Kind aus einer Gruppe von Kindern ein Paar Handschuhe. Der Betreuer verteilt weitere Handschuhe. Zwei Kinder halten Müllgreifer in die Kamera und lassen diese zuschnappen.]
Und so entstand ein ganz langes Projekt zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit, was zum Beispiel darin mündete, dass wir bei den Fridays for Future Demos mit dabei waren und dass wir regelmäßig Müll sammeln gehen im Viertel.
[Ein Greifer, der Müll aus einer Grasfläche greift. Ein Greifer aus der Ich-Perspektive bewegt sich mit Müll zu einem Eimer. Er lässt den Müll in den Eimer fallen. Ein Kind mit Handschuhen hebt eine Glasscherbe vom Bordsteinrand auf. Kinder und Betreuerinnen gehen die Straße entlang. Sie sammeln Müll auf und ziehen einen kleinen Bollerwagen.]
Früher haben die Kinder bei Wandertagen den Müll so aufgesammelt, inzwischen sind wir gut ausgerüstet mit Handschuhen, Müllsäcken und solchen Greifern.
[Kinder sammeln mit Greifern Müll auf einem Gehweg. Weitere Aufnahmen von Kindern, die Müll einsammeln. Ein Junge hält einen Greifer in die Kamera und lässt diesen zuschnappen].
Und den Kindern ist das sehr wichtig, Zigarettenstummel, Papier, alles, was so herumliegt, einzusammeln. Und da kommt eine Menge zusammen, was wir regelmäßig einsammeln.
[Drei Kinder gehen mit Greifern den Gehweg entlang. Die Gruppe von Kindern und Betreuerinnen geht über eine Ampel. Man sieht den Inhalt des Bollerwagens mit drei Eimern Müll. Kinder schütten Müll aus Eimern in Abfalltonnen.]
[Ein- und Ausblendung von Titelbildschirm "Impulse für gute KiTa". Ein grüner Bildschirm. Zuerst wird der Text "Vier Fragen an… Katja Hillenbrand, Leiterin der Rehfelder Straße in Dresden" eingeblendet. Danach die Frage "Wie arbeiten Sie im Team daran, das gesunde Aufwachsen der Kinder zu fördern und zu verbessern?". Danach Katja Hillenbrand, die zur Kamera spricht.]
Katja Hillenbrand:
Wenn ich daran denke, wie wir das gesunde Aufwachsen der Kinder im Kita Alltag fördern und verbessern, dann bedeutet das für uns nicht nur, dass wir natürlich ganz viele Möglichkeiten der Bewegung und gesunden Ernährung anbieten, sondern uns geht es auch darum, bei den Kindern ein allgemeines Bewusstsein für Klima und Umweltschutz zu fördern.
[Ein- und Ausblendung Bauchbinde: "Katja Hillenbrand. Leiterin in der Kita Rehfelder Straße in Dresden."]
So wie man es im Film sieht, waren dort die Kinder sogar die primären Impulsgeber und haben sich gesorgt über einen Wall, bei dem man Plastik im Bauch gefunden hat. Und wir haben uns gemeinsam gefragt "Was passiert mit dem Wal? Wie kommt das Plastik dahin?" Und daraus sind ganz herrliche Projekte entstanden und wir sind als Team bei diesem Thema geblieben, weil uns das einfach fasziniert hat, was man dort alles lernen und wissen kann. Und deswegen haben wir uns auch auf den Weg gemacht, Impulsgeber für die Kinder zu sein. Und das passiert vor allem über die Interessen der Teammitglieder, deren Leidenschaften und denen Raum zu geben, damit sie ihre Ideen einbringen können. Und so entstehen immer wieder im Tagesverlauf auch ganz spontan Möglichkeiten, das gesunde Aufwachsen der Kinder zu fördern. Zum Beispiel wenn eine Kollegin spontan sagt "Hey, wir backen mal Weihnachtsplätzchen auf vegane Art und gucken mal, was ist der Unterschied zwischen Butter und Margarine?" Wir halbieren mal den Zucker, wir nehmen mal andere Mehle. Wie schmeckt das eigentlich? Und so kommt man ganz spielerisch dazu, gesunde Ernährung zu vermitteln und auch über Tierwohl zu sprechen. Im Alltag, alltagsintegriert, das ist uns einfach wichtig. Oder die Interessen der Kolleginnen und Kollegen mit einem grünen Daumen, die sich in unseren Beeten Gemüse anbauen oder einen Obstgarten gestalten, gemeinsam mit den Kindern. Und die pflegen und hegen und dann die herrlichsten Dinge entstehen. Die Kinder kommen und rufen "He, Christine, die Kirschen sind reif!" Und dann wird geerntet und dann werden die Kirschen entsteint und das ist wirklich viel Arbeit. Und dann wird da Marmelade draus gekocht und Kuchen gebacken, der mit nach Hause geht. Und das sind ganz herrliche Momente, wo wir sagen, ganz spielerisch mit den Jahreszeiten versuchen wir, das gesunde Aufwachsen der Kinder zu fördern, im Einklang mit Klima- und Naturschutz.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was braucht es für eine Haltung und Herangehensweise, damit ein partizipativer (Team-) Ansatz gelingt?"]
Damit dieser partizipative Ansatz gelingen kann, ist uns das Bewusstsein ganz wichtig, dass jeder mit seinen Interessen und Leidenschaften, die er mit in die Kita bringt, einen ganz wertvollen Beitrag leistet. Denn dort, wo die Leidenschaft sprüht, überträgt sich das ganz leicht auf die Kinder. Außerdem ist uns eine Haltung wichtig, in der wir den Menschen Dinge zutrauen und ihnen auch vertrauen, dass sie das gut machen, dass sie selbstständig arbeiten können und wir eine fehlerfreundliche Kultur leben. Fehler sind ja eigentlich keine Fehler. Fehler sind einfach nur Situationen, in denen wir lernen können und so nehmen wir sie auch an. Mit diesen Rahmenbedingungen ist es dann möglich, auch prozessorientiert zu arbeiten, in große Gestaltungsspielräume zu lassen. Denn nicht alles muss durchgeplant sein, man kann einfach mal anfangen. Oft wissen wir ganz viel über die Dinge, aber wir kommen nicht ins Tun und so vergeht ganz viel Zeit. Und wenn wir einfach mal anfangen und der Kuchen dann eben auseinanderfällt oder verbrannt ist, haben wir auch eine Erfahrung gemacht.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie würden Sie Ihre Rolle als Kita-Leitung in diesem Prozess beschreiben?"]
Meine Rolle als Leitung sehe ich darin, dass ich diese Gestaltungsspielräume schaffe oder leben lasse. Dass ich mich als Möglich-Macherin begreife, die den Teammitgliedern auch Mut macht, Dinge anzupacken, anzufangen und auch eigenverantwortlich durchzuführen. Bei größeren Projekten kommt man sowieso auf mich zu, dann müssen wir schauen. Kann es realisiert werden? Wie sieht es mit den Finanzen aus? Aber grundsätzlich ist ein ganz großes Vertrauen in die Fähigkeiten der Teammitglieder, dass dort die herrlichsten Ideen entstehen. Und da erwarte ich auch nicht, dass man das mir ständig berichtet und ich mein okay geben muss. Die sollen loslegen und wenn was schiefgeht, wird es sowieso auf meinem Tisch landen.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was sind wichtige Erkenntnisse bzw. Erfahrungen, die Sie gemacht haben?]
In dieser Zeit haben wir viele Erfahrungen gemacht und Erkenntnisse gewonnen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir mit der Offenheit für die Gestaltungsspielräume der Teammitglieder eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Projekte und Ideen voranbringen. Weil sich die Menschen mit ihren Themen noch intensiver auseinandersetzen, neue Ideen reinbringen, etwas ausprobieren, etwas wagen und damit sich immer Weiterentwicklung verbindet. So wie mit dem Beispiel der veganen Kekse, dass wir jetzt schauen: Was bedeutet eine vegane Lebensweise? Was sind Vorteile, was sind Nachteile? Und uns intensiver damit auseinandersetzen. Oder auch die Liebe und Leidenschaft für das Gärtnern, die in einer Professionalisierung mündet, indem wir an einem Projekt teilnehmen, das sich Acker Racker nennt und uns ein ganzes Jahr begleitet, unsere Böden und Hochbeete gut zu bepflanzen und zu bewirtschaften. Und da freuen wir uns total drauf. Und das Interessante ist, dass wir den Hinweis, an diesem Programm teilzunehmen, von Eltern bekommen haben. Einfach eine Mail geschickt und gesagt "Hey, guckt euch das mal an, das würde doch passen". Und insofern strahlt das, was wir in der Kita machen, ja in die Familien auch wieder hinein. Sie setzen sich damit auseinander und dann kommt was zurück, was wir wieder aufnehmen können. Und so, denken wir, macht sich das ganze Team gemeinsam mit den Familien auf den Weg, die Kinder beim gesunden Aufwachsen zu unterstützen, sie zu fördern und eine gute Entwicklung voranzubringen.
[Ein- und Ausblendung einer Titelkarte "Praxis-Impuls "Die Rolle von Kita-Leitungen bei der Qualitätsentwicklung" PINGUIN Kindertagesstätte Aurich e.V. (Niedersachsen)". Danach erscheint die Moderatorin Eva Wingerter-Knoke.]

Eva Wingerter-Knoke
Die Pinguin Kindertagesstätte Aurich in Niedersachsen wurde 2020 für ihre beeindruckende Arbeit mit dem ersten Platz beim Deutschen Kita Preis als Kita des Jahres ausgezeichnet. Auf die Idee einer Elterninitiative hin vor 50 Jahren gegründet, bezeichnet die Kita selbst ihre Entwicklung seitdem als Erfolgsgeschichte. Für den Praxis Impuls haben wir mit Doris Isenberg gesprochen, die bis Dezember 2021 die Leiterin der Pinguin Kindertagesstätte war. Wir wollten von ihr wissen, was aus ihrer Sicht eine "Wir sind gute Kita-Gesetz heißt starke Leitung" auszeichnet, wie sie selbst ihre Rolle als Kita Leiterin bei der Qualitätsentwicklung ausgefüllt hat und welche Unterstützung dabei für Sie wichtig war. Lassen Sie uns aber mit einem kurzen filmischen Ausflug nach Ostfriesland beginnen und gemeinsam einen Blick in diese Kindertagesstätte werfen.
[Ein- und Ausblendung Titelbildschirm "Impulse für gute KiTa".]

Doris Gießenberg:
Herzlich willkommen in der Pinguin Kindertagesstätte hier in Aurich.
[Die Kindertagesstätte mit Glasfront von außen. Viele Fahrräder stehen vor dem Gebäude in einer Reihe. Kurze Einblendung von vier Schildern mit Informationen. Ein Tisch mit Plüsch-Pinguinen und Büchern über Pinguine.]
Wir sind hier ein eingetragener Elternverein und betreuen derzeit 150 Kinder im Haus.
[Doris Gießenberg mit Bauchbinde "Ehemalige Leiterin in der PINGUIN Kindertagesstätte Aurich e.V.". Eine große Gruppe von Kindern und Eltern in einem Raum. Sie stehen auf. Eine Betreuerin spielt Gitarre. Nahaufnahme der Gitarre. Die Gruppe von Kindern und Eltern wird von vorne gezeigt, während sie singen.]
In der Regio Pädagogik, in der wir uns ein Stück weit orientieren, ist es wichtig, dass die Räumlichkeiten den Kindern alle Möglichkeiten bieten, um Selbstbewusstsein zu erlangen, um zu wissen, was sie selber für Stärken haben und um neugierig zu bleiben.
[Vier Kinder und Betreuerin vor großem Kasten mit trockenen Nudeln. Sie schaufeln die Nudeln in rote Becher. Ein Junge baut einen Turm aus Bechern, die wie Fußbälle aussehen. Ein Mädchen füllt mit einer Pipette eine Flüssigkeit in ein Reagenzglas und schaut dieses an. Zwei Kinder und eine Betreuerin in einem kleinen Schuppen. Ein Mädchen sägt an einem kleinen Baumstück. Zwei Jungen springen auf einem Trampolin, in dessen Mitte sich kleine Bälle befinden.]

Junge
Ich finde es toll, immer zum Atelier zu kommen und zu malen.
[Der Junge redet kurz in die Kamera. Ein Wegweiser zeigt vier Stationen für die Kinder: "Kronenpinguine", "Brillenpinguine", "Atelier" und eine nicht lesbare Station.]

Doris Gießenberg
Ateliers Arbeit ist ein Schwerpunkt, weil Kinder heute immer weniger Fantasie und Kreativität zu spüren bekommen.
[Acht Kinder und eine Betreuerin malen an einem Tisch. Der zuvor interviewte Junge malt mit einem Pinsel ein Bild. Sein Bild wird von oben gezeigt. Ein Kind drückt eine Flasche mit blauer Farbe auf einem Papier aus. Es verteilt die Farbe mit einer Gabel. Drei Kinder malen auf einer großen Papierleinwand, eine Betreuerin schaut zu. Von oben vier Behältnisse mit Malfarben.]
Sprachrhythmus ist wichtig, um Sprache deutlich und verständlich zu erlernen beziehungsweise zu sprechen.
[Ein Mädchen zeichnet ein Gesicht auf einem kleinen Blatt Papier. Sie schreibt den Namen "Polina" darüber. Ausgeschnittene Buchstaben formen das Wort "FORSCHER". Zwei Mädchen schauen sich einen Spiele-Laptop an, der Bilder von Tieren und Buchstaben statt einer Tastatur hat.]
Die Musikgruppe können die Kinder nutzen, einfach um ihren eigenen Rhythmus zu erkennen.
[Eine Betreuerin sitzt mit Gitarre vor einem Halbkreis aus vier Kindern. Von oben sieht man zwei Bongos auf denen zwei Kinderhände spielen. Die vier Kindern schlagen auf verschiedenen Schlaginstrumenten. Der Rhythmus ist für kurze Zeit zu hören. Ein Mädchen aus der Gruppe schlägt auf die Bongotrommeln.]
Also, wir müssen neugierig bleiben mit den Kindern. Die Kinder zeigen uns den Weg. Die Kinder zeigen uns, was sie brauchen.
[Ein Kind macht Seifenblasen. Ein anderes Kind lacht, während die Seifenblasen an dessen Hand zerplatzen. Ein weiteres Kind hat die Hände nach oben gestreckt, um Seifenblasen zu fangen. Drei Kinder lachen und versuchen Seifenblasen zu fangen. Der Titelbildschirm "Impulse für gute KiTa" wird ein- und wieder ausgeblendet.]
[Einblendung des Titelbildschirmes "5 Fragen an… Doris Gießenberg, ehemalige Leiterin PINGUIN Kindertagesstätte Aurich e.V.". Ein- und Ausblendung der Frage "Was zeichnet für Sie eine "starke" Kita-Leitung aus und welche besonderen Kompetenzen benötigen sie?". Doris Gießenberg spricht zur Kamera.]
Doris Gießenberg
Eine starke Kita Leitung ist meiner Meinung nach dafür zuständig, zu informieren, zu organisieren, zu strukturieren, zu koordinieren, den Mitarbeitern Sicherheit zu vermitteln, Hilfestellung zu geben und vor allen Dingen Ruhe zu bewahren. Sie muss aber auch flexibel sein und auf neue Herausforderungen eingehen können. Leitung muss aber auch gleichzeitig Vorbild sein und das vorleben, was sie von den anderen erwartet. Eine Leitung muss sich Gedanken machen über neue Entwicklungen. Eine Leitung muss Visionen entwickeln und vor allen Dingen über den Tellerrand schauen. Eine Leitung muss auch Veränderungsmöglichkeiten Abläufe vorzeigen. Sie schafft das aber nur, wenn sie selbst mit einer Haltung alles vorlebt und auf Mitarbeiter immer wertschätzend und respektvoll zugeht. Sie muß Vertrauen in die Mitarbeiter haben, dass die auch selbst etwas machen können. Daran glauben, dass Menschen motiviert sind, auch wirklich gute Arbeit zu leisten. Und Veränderungsprozesse muss sie aktiv gestalten können und auf Augenhöhe aller Beteiligten etwas auf den Weg bringen. Leitung zu sein, ist nicht nur ein Beruf. Leitung zu sein ist meiner Meinung nach wirklich eine Berufung. Eine Leitung muss ganz viel Mut haben, muss ganz viel Rückgrat haben und muss aber auch ganz offen sein für neue Sachen. Muss sich selbst in Frage stellen.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie ist es Ihnen als Kita-Leiterin gelungen, an Ihrer Kita ein gemeinsames Verständnis guter Qualität zu entwickeln und umzusetzen?"]
Ich sehe mich in meiner Funktion als Leiterin einer Einrichtung auch als Ideengeber. Ich glaube ganz fest daran, dass jeder seine Arbeit gut machen möchte. Das erwarte ich von jedem Mitarbeiter, aber ich glaube auch fest daran, dass das jeder möchte. Deshalb ist es wichtig für mich gewesen, immer ein gemeinsames Verständnis von guter Qualität mit den Kollegen zu entwickeln. Jeder hat sicherlich seine unterschiedlichen Ansichten. Darum ist es wichtig für sich einen roten Faden in der Einrichtung zu finden. Das, denke ich, haben wir bei uns geschafft. Dieser rote Faden bedeutet aber auch, nicht nur an diesem roten Faden hängen zu bleiben, sondern auch die Ideen neuer Kollegen mit reinzugeben oder die Beobachtungen, die andere haben. Man ist also in einer ständigen Reflexion und das ist auch notwendig, seine Arbeit zu reflektieren. Ich muss meine Arbeit reflektieren, die Kollegen ihre Arbeit und in gemeinsamen Besprechungen versuchen wir dort bestimmte Sachen neu festzulegen. Das bedeutet aber auch, dass wir eine bestimmte Haltung einander gegenüber haben, eine wertschätzende Haltung. Die Meinung eines jeden Einzelnen ist mir dabei wichtig und hat jeder zu akzeptieren. Ob sie ihm nun gut erscheint oder nicht so gut erscheint, ist dabei unwichtig. Respekt ist eine ganz wichtige Sache, die ich allen Mitarbeitern entgegenbringe. Im Alltag fehlt uns häufig die Zeit für diese Reflexion. Wir haben zum Glück einen Arbeitgeber gehabt, der das, was wir so eingefordert haben an Zeit, uns auch zur Verfügung gestellt hat. Das heißt, Mitarbeiter konnten zu Fortbildungen gehen, ich selber konnte zu Fortbildungen gehen, aber wir haben auch gemeinsame Team Tage gehabt. Das ist fürs Team auch ganz wichtig. Wir sind weggefahren. Wir sind also nicht in der Einrichtung geblieben. Wir haben uns einen Ort gesucht, an dem wir es uns auch gut gehen lassen konnten, um dann auch wirklich Themen anzugehen, die manchmal vielleicht doch nur an der Oberfläche angekratzt wurden. Das konnten zum Beispiel sein "mein Beruf als Berufung" oder Reflexion oder die eigene Biographie und das Bild vom Kind. Es war sehr unterschiedlich. Teambildung war ein großes Thema. Aber während dieser zwei Tage, wo wir an einem ganz anderen Ort waren, der nicht unbedingt etwas mit Kindergarten zu tun hatte, uns unseren Supervisor mitgenommen haben oder einen anderen Fachberater uns gesucht haben, der uns dabei behilflich war, hat uns immer wieder inspiriert, neue Sachen anzugehen und neue Überlegungen zu machen, die uns weitergeholfen haben in unserer Arbeit und in der Qualität unserer Arbeit.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Welche Unterstützungsangebote für Kita-Leitungen halten Sie für besonders wichtig?"]
Leitungen geben Unterstützung, aber Leitungen brauchen auch selber Unterstützung.
[Bauchbinde "Doris Gießenberg. Ehemalige Leiterin in der PINGUIN Kindertagesstätte Aurich e.V.".]
Denn häufig ist es so, dass sich Leitungen alleine fühlen in einer Einrichtung. Sie sind zwar Teil eines Teams, aber sind nicht unbedingt Kolleginnen. Sie sind auch Vorgesetzte und müssen manchmal unliebsame Sachen weitergeben. Das Gefühl zu haben, alleine irgendwo dazustehen, das können eigentlich nur die nachvollziehen, die in derselben Situation sind. Das heißt, ich empfehle darum, dass Leitungen sich Leitungen suchen, mit denen sie über bestimmte Themen sprechen können. Wir in Aurich haben hier vor Jahren ein Leitungstreffen initiiert, wo sich regelmäßig Leitungen treffen und austauschen. Wo sie ihre Meinung einfach sagen können, wo sie Verständnis finden von anderen Kolleginnen, die in derselben Situation sind oder waren. Und wo sie sich auch Ratschläge geben oder holen können. Solche Treffen mit anderen Leitungen sind trägerübergreifend. Das ist wichtig, denn auch Leitungen stehen natürlich in Konkurrenz zueinander und es muss zwischen den Leitungen ein Vertrauensverhältnis sein. Aber durch diese Leitungstreffen haben wir zum Beispiel auch auf der politischen Ebene einiges bewirken können. So haben wir dann zwei Vertreter aus dem Leitungskreis in den Sozialausschuss berufen dürfen als beratende Mitglieder. Man hat dann also auch eine größere Macht, sag ich mal, um bestimmte Sachen auch für seine Einrichtung oder für seinen Berufsstand durchzusetzen. Das halte ich für sehr wichtig. Eine Leitung braucht aber auch wirklich eine Supervision, braucht eine Fachberatung und eine Leitung muss sich auch manchmal Auszeiten nehmen und vor allen Dingen über den Tellerrand blicken dürfen. Das ist ein unabdingbares Handeln für eine Leitung. Darum gerne Kontakt aufnehmen zu anderen Leitungen und die Scheu überwinden, da etwas zu machen. Aber eine Leitung muß auch Verantwortung abgeben dürfen und wollen und können. Es bedeutet aber auch dann wirklich, dass sie Vertrauen in ihre eigenen Fachkräfte hat, die sicherlich auch immer das Richtige tun.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie haben Sie an Ihrer Einrichtung angehende oder junge Fachkräfte gefördert und begleitet, damit sie zur guten Praxis beitragen können?"]
Die Förderung junger Fachkräfte und Auszubildender ist ein ganz wichtiger Aspekt in der Einrichtung. Wir haben in unserer Einrichtung FSJler gehabt, wir haben Praktikanten, wir haben Praktikanten von den Fachschulen gehabt, sowohl für die Sozial-Assistenz, als auch für die Erzieherausbildung. Wir haben aber auch junge Kollegen gehabt, die gerade von der Schule, von der Fachschule gekommen sind und als Berufsanfänger verantwortlich dann in der Einrichtung eingesetzt wurden. Für alle ist es wichtig, ob Praktikant oder Berufsanfänger, dass sie wissen, in welche Einrichtung komme ich? Was sind dort die wichtigsten Aspekte, die ich kennenlernen muss oder kennenlernen will? Was möchte ich in dieser Einrichtung bewirken? Wo möchte ich mich selber einbringen? Was möchte ich machen, um weiterzukommen? Darum haben wir für uns in unserer Einrichtung einen Informationsausschreiben erst mal gemacht. Das bekommen alle, die neu zu uns in die Einrichtung kommen. Da stehen bestimmte Sachen drin, wie wir uns die Arbeit mit ihnen vorstellen, was wir uns unter unserer Kindertagesstättenarbeit vorstellen, was wir aber auch von den jungen Mitarbeitern erwarten. Diese Erwartungshaltung müssen die zukünftigen Praktikanten oder Mitarbeiter wissen, denn sonst führt das nur zu Irritationen auf beiden Seiten. Wichtig dabei aber ist auch immer, dass sie wissen, worauf sie sich bei uns verlassen können. Auch das steht in diesem Schreiben drin. Dass sie einen Anleiter zur Seite gestellt bekommen, dass sie fragen dürfen, sollen, müssen, dass sie erst mal nichts falsch machen können, sondern wenn sie etwas falsch machen, dass wir drüber reden. Es wäre wichtig, dass sie sich aufschreiben, was für sie wichtig ist, welche Möglichkeiten es im Kindergarten für sie nicht gibt, was sie nicht machen können, obwohl sie es gerne machen möchten. In ein Buch aufschreiben, um das beim nächsten Gespräch wieder hervorzuholen und da noch mal eine Frage draus zu stellen. Es ist wichtig, dass sie selbst sich treu bleiben, sich etwas zutrauen. Sie aber auch immer etwas dazulernen wollen. Eigentlich sollen sie Teil eines Teams sein. Das ist recht schwierig für die Berufsanfänger. Vielleicht nicht ganz so schwierig, wie für die Praktikanten oder für die Fahrschüler, weil die zum Teil nur an ein paar Tagen in der Woche da sind, ein bis zwei Tage. Und nur einen Teil der Kindergartenarbeit mitbekommen. Darum ist es wichtiger mit ihnen viele Gespräche zu führen. Aber es müssen die Praktikanten von sich aus kommen und Teammitglied werden wollen. Das heißt, sie sollten sich an Dienstbesprechung oder Teamsitzungen beteiligen, sollten wirklich viele Fragen stellen, damit sie Antworten auf ihre Fragen bekommen.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Welche drei Empfehlungen würden Sie einer Kita-Leitung geben, um der großen Verantwortung für gute Kita-Qualität gerecht zu werden?"]
Eigentlich gibt es mehr als drei Möglichkeiten, die ich weitergeben würde. Aus meiner Lebenserfahrung als Leitung ist es wirklich notwendig, dass man weniger kontrolliert und dafür mehr ermöglicht. Dass man lieber moderiert statt vorgibt. Dass man die Selbstorganisation der Mitarbeiter eher fördert. Man muss nicht immer alles selber machen. Es geht auch wirklich so, dass viele ganz viel wissen. Darum, die Individualität und Diversität eines jeden Mitarbeiters nutzen wollen. Und die Gestaltung der Arbeitsumgebung ist ein ganz wichtiger Aspekt. Alle Mitarbeiter müssen sich da wohlfühlen, wo sie arbeiten. Das ist eine Möglichkeit, die man immer allen geben sollte. Und mein letzter Rat: Mutig und neugierig bleiben, damit das Leben auch weitergeht und neue Impulse gibt.
[Ein- und Ausblendung eines Titelbildschirmes "Praxis-Impuls "Netzwerke für gute Frühe Bildung knüpfen", Projektgruppe Quartiersbildungszentrum Blockdiek, Bremen (Bremen)". Danach erscheint die Moderatorin Eva Wingerter-Knoke]

Eva Wingerter-Knoke
Das Quartier Bildungszentrum Blockdiek in der Hansestadt Bremen wurde 2018 mit dem ersten Platz in der Kategorie "Lokales Bündnis für frühe Bildung" des Deutschen Kita Preises ausgezeichnet. Blockdiek ist ein Bremer Stadtteil, der in den 60er Jahren als Neubausiedlung entstanden ist. Heute leben dort über 7000 Menschen, die 34 Sprachen sprechen. Das Bremer Bündnis ist besonders stark in seiner Sozialraumorientierten Netzwerkarbeit. Seit vielen Jahren engagieren sich dort Menschen verschiedener Professionen gemeinsam dafür, die Situation für Kinder und Familien im Stadtteil zu verbessern. Das Quartier Bildungszentrum Blockdiek wurde aus diesem Netzwerk heraus gegründet und sucht sich immer wieder starke Partner, die es in das Quartier holt. Das Quartier Bildungszentrum orientiert sich bei seiner Arbeit konsequent an den Bedarfen der Familie und ergründet diese immer wieder neu. Besonders beeindruckend an diesem Praxisbeispiel ist, dass alle, die im Ortsteil mit Kindern und deren Eltern arbeiten, am Bündnis beteiligt sind. Auch wird durch Feste Eltern-Cafés, Deutsch- und Kochkursen eine hohe Identifikation der Menschen vor Ort mit ihrem Quartier geschaffen. Nun reisen wir nach Bremen und erfahren in dem kurzen Film mehr über das Bündnis und seine Arbeit. Im Anschluss berichtet der Quartiersmanager Stefan Kunold, wie in Blockdiek die Netzwerkarbeit gestaltet wird, um vorhandene Ressourcen zu nutzen und die Qualität in der frühen Bildung gemeinsam voranzubringen.

[Ein- und Ausblendung des Titelbildschirmes. Drohnen-Aufnahmen eines Bremer Stadtteils aus verschiedenen Perspektiven. Aufnahmen von Hochhäuser wechseln sich ab mit Aufnahmen eines Spielplatzes und dem Quartier Blockdiek.]  

Stefan Kunold
Der Blockdiek, ein Neubau Quartier im Bremer Osten, in den 60er Jahren gebaut, ein Quartier, in dem 7000 Menschen leben. Hier werden 34 verschiedene Sprachen gesprochen. Die Haupt-Herausforderung ist, dass man Migrationshintergrund nicht gleich verwechselt mit Benachteiligung, sondern wirklich rausbekommt, wer hat Sprachschwierigkeiten? Wer hat Förderbedarf? Wer kann was gut?
[Ein Mädchen macht einen Radschlag. Fünf Frauen sitzen an einem langen Tisch und lesen auf Zetteln. Ein Mann spielt Hallenfußball mit einem Jungen. Stefan Kunold spricht zur Kamera gerichtet.]
Also wirklich rauskriegen, wo sind die Unterstützungsbedürftigen Menschen und wie können wir die unterstützen? Im Ortsteil Blockdiek gibt es eine Grundschule und vier Kitas. Vor zehn, 15 Jahren war deutlich, es braucht hier einen Zusammenschluss, es braucht eine koordinierte Arbeit.
[Wieder die fünf Frauen lesend am Tisch. Eine Frau mit Hijab und Mundschutz hat ein Buch in der Hand und spricht. Eine andere Frau sitzt am Tisch, schaut ins Buch und wieder nach oben. Die Frau mit dem Buch steht vor den vier Frauen am Tisch, die zu ihr blicken. Die Frauen werden einzeln gezeigt, wie sie in Büchern lesen.]  
Wir haben ein Netzwerk gegründet und es hat sich daraus auch eine Einrichtung mit Unterstützung der Senatorin für Kinder und Bildung gegründet, ein Quartiersbildungszentrum, abgekürzt QBZ.
[Drohnen-Aufnahmen des Quartiersbildungszentrums von außen.]
Dieses Netzwerk ist aktiv, bemüht sich, die Arbeit zu koordinieren und gemeinsam zu überlegen, was ist der Bedarf in Blockdiek und wie können wir darauf antworten?
[Ein Büro, in dem man Stefan Kunold und zwei Frauen sitzend sieht. Eine der Frauen blättert in einem kleinen Buch. Man sieht eine weitere Frau an einem Tisch in einer Ecke. Eine dritte Frau lacht. Die Frau mit dem kleinen Buch lacht ebenfalls.]  
Das Netzwerk ist ein Sozialraumorientiertes Bündnis. Das finde ich sehr deutlich und das macht für mich aus. Es orientiert sich an dem tatsächlichen Bedarf, den die Menschen hier haben, aber auch an ihren Ressourcen und geht aber auch darüber hinaus. Das heißt, sucht sich starke Partner, die auch woanders zu finden sind und holt sie rein in das Quartier. Und das macht es eigentlich aus, dass man gemeinsam tätig ist, um den Bedarf vor Ort wirklich zu decken.
[Drei Frauen sitzen an einem Tisch und reden miteinander. Eine der Frauen blickt in Richtung einer anderen Frau. Diese schreibt etwas in ein Heft. Die dritte Frau blickt ebenfalls in Richtung der Schreibenden.]

Silke Pfeiffer
Ja, die Hans-Wendt-Stiftung ist ein anerkannter Träger der Jugendhilfe hier in Bremen und ermöglicht hier die Arbeit in Blockdiek, indem wir die Bildungsbedingungen für die Kinder und Familien hier im Stadtteil fördern und verbessern können und entwickeln können.
[Silke Pfeiffer wird in Interviewsituation gezeigt und spricht. Eine Bauchbinde wird ein- und ausgeblendet "Silke Pfeiffer. Leiterin Quartiersbildungszentrum Blockdiek, Hans-Wendt-Stiftung".]
Diese Arbeit bedeutet für uns, die koordinierte Kooperation zu schaffen, statt isolierte Parallelwelten zu erhalten. Und wir stehen dafür, es zusammenzuführen und zusammenzuhalten.
[Silke Pfeiffer geht eine kleine Treppe zu einem Gebäude hoch, an dessen Eingang eine andere Frau steht. Ein Schild "Mütterzentrum Blockdiek" mit Öffnungszeiten ist zu sehen. Silke Pfeiffer mit Mundschutz spricht zur anderen Frau. Silke Pfeiffer geht über eine Wiese in Richtung des Quartiersbildungszentrums. Sie geht durch dessen Eingangstüre.]
Durch die Angebote, die wir hier gemeinsam erschaffen, haben die Familien Möglichkeiten, neue Welten kennenzulernen und zu erfahren und sich auszutauschen.
[Silke Pfeiffer spricht in der Interviewsituation. Drei Mädchen machen in einer Turnhalle die Tanzbewegungen einer Lehrerin nach. Die tanzenden Beine der Kinder werden gezeigt.]
Gesundheit ist hier ein großes Thema, auch bedingt natürlich durch Corona noch mehr, aber es war vorher schon ein großes Thema Gesundheit in Blockdiek. Und auch hier haben wir neue Anknüpfungspunkte bekommen, indem wir mit Einrichtungen des Gesundheitswesens enger zusammenarbeiten, sich neue Arbeitsgruppen bilden, dies in die Projektgruppen Arbeit einfließen kann und somit wieder ein Gewinn ist für die Familien an Bildungsangeboten und ortsnahen, niedrigschwelligen Möglichkeiten.
[Die Mädchen werden im einzelnen tanzend gezeigt. Man sieht die Lehrerin und Mädchen von oben tanzen. Die drei Mädchen springen hoch und machen bei der Landung einen Spagat. drei Mädchen tanzen eine Bewegung nach. Sie geben sich gegenseitig High-Fives. Die Kinder stehen auf einer Bühne und machen Spagat. Die Lehrerin lacht.]

Kinder
Blockdiek ist das Beste.
[Die drei Mädchen von kommen hinter einem Vorhang hervor und sprechen in die Kamera.]

Marie Luise Kuzmic
Das Eltern-Kind-Turnen setzt genau an diesem Punkt an. Durch Corona gab es ganz viel Einschränkungen in den sportlichen Aktivitäten der Familien, insbesondere der Kinder. Und es war ein großer Wunsch, dass mehr Bewegungsmöglichkeiten in Blockdiek entstehen. Und mir kam halt die Idee, die Familien als Komplettes mit reinzunehmen.
[Eine Sporthalle von außen. Ein Zettel wird gezeigt, auf dem "Hier geht es zum Eltern-Kind-Turnen – Blockdieker Familien in Bewegung" steht. Ein Junge spielt mit einem Erwachsenen Fußball. Marie Luise Kuzmic in der Interviewsituation. Bauchbinde wird eingeblendet: "Marie Luise Kuzmic. Mitarbeiterin Quartiersbildungszentrum Blockdiek, Hans-Wendt-Stiftung". Kinder werden auf Decken von ihren Eltern durch die Turnhalle gezogen]
Kind
Los, Papa, du schaffst es!
[Ein Mädchen zieht an einer Decke und schaut in die Kamera.]
Marie Luise Kuzmic
Deswegen ist auch die Altersstruktur sehr groß von 2 bis 12 Jahre.
[Ein Mädchen schaukelt an zwei Ringen. Ein weiteres Mädchen sitzt auf den Schultern ihres Vaters und versucht einen Ball in einen Korb zu werfen.]
Wichtig ist eben auch, dass solche Projekte vor Ort sind, weil wir bemerken, wie schwer es manchen Familien auch fällt, in andere Stadtteile zu gehen und dort eben die Angebote wahrzunehmen.
[Marie Luise Kuzmich, Eltern und Kinder greifen im Kreis eine große Plane auf der Luftballons liegen und heben diese abwechselnd hoch und runter. Eine Mutter und ihr Säugling werden gezeigt. Ein Mann zieht zwei Mädchen in fahrenden Holzkisten. Verschiedene Kinder in Holzkisten werden gezeigt.]
Hier kann man sehr gute Vernetzungsarbeit zwischen den Familien leisten in diesem Projekt.
[Die Turnhalle mit Eltern und Kindern wird als Ganzes gezeigt. Ein Mädchen benutzt einen Hula-Hoop-Reifen. Eine Gruppe von Kindern und Erwachsenen geht im Kreis aufeinander zu.]

Vater Roman
Als wir davon erfahren haben, haben wir uns gefreut, dass es das gibt, besonders jetzt in der jetzigen Zeit.
[Roman und sein Sohn Ivan werden gezeigt.]

Ivan
Dieses Eltern-Kind-Turnen ist gut, weil man sich dann da von den Corona Zeiten und der Quarantäne erholen kann und dass Kinder immer viel Spaß haben, solange die Schulen zu sind.
[Ivan wird gezeigt. Es werden außerdem Kinder gezeigt, die in einem Fass rollen, auf einer Matratzen-Schaukel sitzen und an Ringen hängen. Eine Erwachsene und ein Mädchen schlagen mit einem Tennisschläger einen Luftballon hin und her.]

Janna
Ich finde, dass es wichtig ist, weil heutzutage Kinder und Eltern wenig Zeit füreinander haben. Und das ist sehr schön, dass hier verschiedene Familien aus der Umgebung ankommen.
[Ein Mädchen schmeißt einen Ball in einen Basketballkorb. Ein weiteres Mädchen tanzt Hoola Hoop mit mehreren Ringen. Janna spricht zur Kamera. Kinder und Erwachsene im Kreis dehnen sich.]

Nonni
Man kommen da einfach ein bisschen zusammen, das hat man sonst im Alltag gar nicht. Da sieht man sich nur so kurz. Aber wenn man so eine Aktivität hier hat, verbindet das auch einfach.
[Nonni spricht. Eltern und Kinder sitzen im Kreis auf dem Boden.]

Emma
Ich finde, das macht ganz viel Spaß hier und ich werde vielleicht hier noch mal kommen.
[Emma spricht, im Hintergrund tanzen Kinder mit Hula-Hoop-Reifen.]

Stefan Kunold
Also für die Gründung so eines Netzwerkes finde ich es ganz wichtig, dass man ein gemeinsames Ziel hat oder das Interesse hat, ein gemeinsames Ziel zu erarbeiten. Manchmal atmet das ja nur.
[Drohnenaufnahmen des Quartiersbildungszentrums. Stefan Kunold sitzt mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen in einem Büro. Eine Mitarbeiterin redet, Stefan Kunold hört zu.]
Dabei ist es wichtig, so was wie Angst vor Konkurrenz auch zu überwinden. Sie ist ja da, aber man muss sie überwinden.
[Stefan Kunold in der Interviewsituation. Eine Bauchbinde erscheint "Stefan Kunold, Quartiersmanager Quartiersbildungszentrum Blockdiek, Hans-Wendt-Stiftung".]
Und Spaß an der Arbeit mit anderen zusammen. Spaß an der Kooperation, das finde ich ganz zentral.
[Eine Mitarbeiterin aus der vorherigen Szene lacht. Stefan Kunold lächelt.]
[Ein- und Ausblendung vom Titelbildschirm. Ein- und Ausblendung von "Drei Fragen an… Stefan Kunold". Eine Frage erscheint: "Was sind wichtige Erkenntnisse bzw. Erfahrungen, die Sie bei der Netzwerkarbeit gewonnen haben?" Stefan Kunold sitzt vor der Kamera und spricht.]
Stefan Kunold
Ja wichtige Erkenntnisse, Erfahrungen, die ich im Netzwerk Projektgruppe Quartiers Bildungszentrum Blockdiek gemacht habe. Das erste ist für mich, konkrete Ziele für ein Netzwerk zu formulieren und in ein Netzwerk zu formulieren, die für alle relevant sind, wo sich also mehrheitlich immer doch alle hinter versammeln können und erkennen können "Das ist wichtig für die Einrichtungen und für die Menschen hier im Quartier". Konkrete Ziele, die für alle relevant sind. Wir haben eins beispielsweise diskutiert. Wir haben den Wunsch aufgrund der Bedingungen im Quartier, dass wir mit allen Eltern auf Deutsch sprechen können. Das ist ein sehr konkretes Ziel, schwierig zu erreichen und als Maßnahme haben wir uns überlegt, wir müssen Deutschkurse anbieten, mehr als es gibt. Die müssen dann ortsnah, also fußläufig zu erreichen sein. Wir müssen eine Einrichtung finden, die Deutschkurse niedrigschwellig anbieten kann. Und das ist dann auch etwas, was man konkret erkennen kann, wenn es dann klappt. Man kann ja messen. Wir haben einen Deutschkurs. Im zweiten Jahr hatten wir schon zwei Deutschkurse. Im dritten und vierten Jahr hatten wir dann bis zu vier Deutschkurse parallel organisieren können mit viel Hilfe. Das ist dann ein Ergebnis, bei dem sich dann alle auch auf die Schultern klopfen können und sagen können "wir haben uns beteiligt, wir haben Eltern motiviert, zu diesen Deutschkursen zu gehen". Wir haben für Kinderbetreuung gesorgt und das kann man und sollte man dann auch feiern. Das ist also die zweite Erkenntnis, die Ziele sollen auch wirklich erreichbar sein. Wenn man der Meinung ist, wir schaffen es nicht, einen Deutschkurs zu erreichen, muss man einen kleinen Schritt zurückgehen. Wenn man das dann aber schafft und auch über einen längeren Zeitraum und man auch merkt, die Familien sind zufrieden, die haben auch was davon, dann sollte man das auch feiern, sollte man sich auf die Schulter klopfen und sagen Mensch, das haben wir gut gemacht. Ob das über Presseberichte ist, ob das über eine Darstellung im Stadtteil Gremium ist, was für einen politisch verantwortlich ist, ob man das dem Bürgermeister schreibt oder ob man einfach essen geht oder ein kleines Fest mit den Familien, die teilgenommen haben, feiert, wurscht. Hauptsache man macht es und sagt so, wir sind gut und wir haben was Gutes gemacht, das gab es vorher nicht und jetzt gibt es das. Das ist auf unsere Arbeit zurückzuführen. Das schweißt ungeheuer zusammen. Und das ist eigentlich so die wichtigste Erkenntnis. Wir sind ja in den Netzwerken, in der Netzwerkarbeit auch alles nur Menschen, die auch dann lieber arbeiten und auch mal unter Schmerzen arbeiten. Wenn man weiß, das bringt was, da kommt was bei raus und das ist anerkennenswert und wird auch anerkannt.
[Eine Frage wird ein- und ausgeblendet: "Was ist Ihr Erfolgsrezept, um die Qualität im Themenfeld Netzwerkarbeit voranzutreiben?" Danach erscheint Stefan Kunold wieder.]
Es ist wichtig, am Bedarf der Menschen und an dem Bedarf der Einrichtungen im Quartier entlang zu arbeiten und nicht weit darüber hinauszugehen. Man muss den Bedarf der Menschen, mit denen man arbeitet, immer wieder ergründen. Man muss immer wieder rauskriegen, ist das, was wir vor zehn Jahren gedacht haben, über diese Menschen? Stimmt das noch? Sind die noch da? Sind die wirklich noch da? Und wenn die da sind, haben die immer noch dieselben Themen? Oder haben sie neue Themen? Oder haben sie andere Themen? Digitalisierung und ähnliches schreitet so schnell fort, schneller, als wir das manchmal mitkriegen. Man muss sich immer wieder darauf einstellen und fragen Was sind die Bedürfnisse vor Ort? Und sich dafür auch Zeit nehmen. Und auch dafür, ob man das behandeln kann. Wir haben beispielsweise in Blockdiek einmal im Jahr einen Planungstag. Der war der Gruppe, dem Netzwerk wirklich heilig. Im Sinne von "den machen wir, selbst wenn rundrum wirklich viel los ist". Wir nehmen uns die Zeit. Wir gehen außerhalb des Ortsteils in Räume, in denen wir Platz haben, wo nicht ein Telefon klingelt, wo nicht jemand reinplatzen kann und ergründen, was haben wir erreicht im letzten Jahr? Was haben wir gut gemacht? Was hat nicht gut geklappt? Was sind neue Anforderungen? Wie und wer ganz konkret möchte sich dem stellen? Das war immer so eine Art Innehalten, auch noch mal feststellen "Oh, so viel?" oder aber auch "oh, an der Stelle hat es nicht geklappt". Und in Ruhe sich mal eine Stunde Zeit nehmen, ein Thema wirklich zu vertiefen mit allen Partnern und nicht immer so in der Hetze des Alltags. Ein wichtiges Erfolgsrezept dieser Planungsta. Aber auch gemeinsam dann wirklich auch zu feiern, zu sagen "so, wir feiern einmal im Jahr ein Stadtteilfest", da sind alle mit dabei, dann bringt jeder ein bisschen was mit und jeder hat ein kleines Angebot, sodass nicht alle Mitarbeiter immer was machen müssen und der Rest ist mit bei dem Fest dabei. Familien werden eingeladen, man kann mal kurz schnacken und ist nicht immer nur eingebunden. Und das sind Dinge, die ich, wenn ich ein Netzwerk noch mal gründen müsste, auch immer genauso machen würde. Also diese wirklich konkrete Festlegung Was genau können, wollen und müssen wir erreichen und wie wollen wir das machen? Wer bringt sich konkret ein? Und sich dann auf das zu konzentrieren, was geht, was machbar ist, womit alle auch mitgehen können, sodass man auch wirklich zu Ergebnissen kommt, zu konkreten Ergebnissen kommt.
[Ein- und Ausblendung einer weiteren Frage: "Wie gelingt es Ihnen, Ihre Netzwerkarbeit wirksam und krisenfest zu gestalten?"]
Dazu gehört für mich auch, dass man auch Mut zu Aussagen hat, wenn ein Netzwerk feststellt, wir haben oft festgestellt, die Kitaplätze reichen nicht. Das ist gut, das miteinander auszutauschen und auch zu wissen, was dann vermutlich auf einen zukommt. Und der Schritt, dann zu sagen, so einer von uns oder drei von uns oder wir alle gehen in den zuständigen Stadtteil, Beirat oder Stadtversammlung oder was immer auch politisch für einen zuständig ist. Wir artikulieren das mal, wir sprechen mal mit den Politikern, von denen wir meinen, die sind dafür zuständig oder die, wo man meint, die können einem helfen. Wir wissen, das ist frustig. Wir wissen, die haben jetzt auch nicht immer die Lösung. Aber wir melden uns sachlich, faktenorientiert, faktenbasiert. Wir besprechen auch oder äußern auch unsere Befürchtungen und bleiben da auch so ein bisschen am Ball. Da hilft auch eine Netzwerk Koordination, die dafür Zeit hat, weil das kostet Zeit. Aber irgendwann gibt es eine Rückmeldung aus der Politik oder auch eine Anfrage Hört mal, ihr habt uns ein paar Mal genervt. Jetzt fragen wir euch noch mal Wie seht ihr das oder wie seht ihr das? Oder wie steht ihr dazu? Auch da kommt es dann zu einer Rückmeldung, oft aus der Politik. Eure Einschätzung hat uns doch geholfen, wenn es auch nicht immer bequem ist. Und wenn das noch nicht so weit ist. Also ich würde dazu aufrufen, wirklich da mutig zu sein, aber immer mit Fakten oder mit gut begründeten Aussagen zu kommen oder Einschätzungen. Das hilft oft. Und auch Spielräume zu nutzen. Also wenn man den Eindruck hat, Mensch, also wir sollten hier vielleicht noch mal ein bisschen mutiger werden, wir wir gründen mal eine Gruppenarbeit oder wir machen auch mal eine politische Veranstaltung mit Bürgerinnen und lassen die auch mal sprechen, zu Wort kommen und laden dazu Politik ein. Oder wir machen auch mal so was wie eine Demonstration, also wie eine Zusammenkunft, wo man Presse einlädt und sagt, wir wollen auf etwas hinweisen, das kann man nicht so oft machen, aber manchmal hilft das und manchmal muss man sich mit mehreren zusammenschließen. Wir haben durchaus Veranstaltungen mit mehreren Arbeitskreisen hier in Bremen gehabt, zu denen wir dann auch die zuständige Senatorin eingeladen haben. Eine Fachveranstaltung organisiert, Einheiten Aufwand mit einer ungeheuer befreienden Wirkung für all die Teilnehmerinnen, die gesagt haben "Oh, da hat uns jemand zugehört", das war gut. Man darf nicht auf sofortige Ergebnisse hoffen.
[Ein- und Ausblendung des Titelbildschirms. Ein- und Ausblendung der Information "Praxis Impuls "Zusammenarbeit mit Eltern auch während der Pandemie – neue Wege gehen" Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße, Maintal (Hessen)". Moderatorin Eva Wingerter-Knoke erscheint.]

Eva Wingerter-Knoke
Das Familienzentrum Ludwig-Uhlandstraße befindet sich in der hessischen Stadt Maintal zwischen Frankfurt am Main und Hanau. Es wurde 2018 mit dem Deutschen Kita Preis als Kita des Jahres ausgezeichnet. Laut Jury folge die Einrichtung einem modernen und stärker orientierten Bildungsverständnis, in dem Integration und die Förderung von Begabung ein selbstverständlicher Bestandteil seien. Das Familienzentrum Ludwig Uhlandstraße ist mehr als eine Kita und bietet Familien breit gefächerte Unterstützung an. Die Corona Pandemie veränderte auch den Alltag dieser Einrichtung stark. Die Familien konnten nicht mehr ins Haus kommen und da keine Kontaktdaten gespeichert waren, entstand die Idee, Spielplätze zu besuchen und auf diesem Weg wieder ins Gespräch zu kommen. Das Interesse der Familien war so groß, dass Spazierpatinnen ausgebildet wurden, die ehrenamtlich das Team des Familienzentrum unterstützten. Bei den Spaziergängen werden viele Themen besprochen, wie zum Beispiel die Entwicklungsschritte der Kinder, Alltagsprobleme, Behördengänge oder auch Erfahrungen wie Einsamkeit. Im folgenden Film stellen wir Ihnen die Entstehung und Entwicklung des Spaziergangprojekts und wie es Familien in schwierigen Lebenslagen hilft, genauer vor. Im anschließenden Gespräch erzählt die Leiterin des Familienzentrum, Gabriele Steltner-Merz, was Sozialraum Orientierung für sie bedeutet und wie sie gelingt.
[Ein- und Ausblendung des Titelbildschirms. Man sieht das Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße von außen.]

Gabriele Steltner-Merz
Wir sind hier im Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße in Maintal, das ist in der Nähe von Frankfurt.
[Ein Straßenschild "Ludwig-Uhland-Straße." Ein Foto mit Betreuerinnen und Betreuern sowie Kindern des Familienzentrums.]
Wir sind nicht nur eine Kita, sondern wir haben uns in den Stadtteil geöffnet. Also wir schauen, welche Bedürfnisse haben die Menschen, die hier leben und bieten Beratung an und holen die Familien zu uns ins Familienzentrum.
[Gabriele Steltner-Merz in der Interviewsituation. Bauchbinde "Leiterin des Familienzentrums Ludwig-Uhland-Straße in Maintal". Ein "Herzlich Willkommen"-Schild wird gezeigt.]
Zu Beginn der Pandemie mussten wir uns alle an die neuen Gegebenheiten anpassen. Das war für uns eine große Herausforderung. Bisher sind die Familien zu uns gekommen. Wir hatten das gut etabliert.
[Zwei Mütter spielen mit ihren Kindern in einem Raum. Beide Kinder werden jeweils einzeln gezeigt.]

Michaela Schmid
Also wenn wir von der Pandemie sprechen, von der ersten Zeit, dann war es so, dass die Kontakte auf einmal komplett abgebrochen waren.
[Michaela Schmid in Interviewsituation. Bauchbinde "Koordinatorin des Familienzentrums Ludwig-Uhland Straße in Maintal".]
Wir durften keine Daten erheben, deswegen hatte ich diese Kontakte zu den Eltern nicht mehr. Und dann hatte ich die Idee, wenn die Eltern nicht mehr kommen können, dann gehe ich zu ihnen und bin eben auf Spielplätze gegangen und habe dann langsam wieder Kontakte zu den Familien aufnehmen können.
[Die beiden Mütter mit ihren Kindern im Spielraum. Michaela Schmid sitzt dabei. Ein Mädchen spielt. Michaela Schmid zeigt dem Mädchen ein Kinderspielzeug.]
Wir sind gelaufen, manchmal haben wir erst mal nicht gesprochen. Manchmal gab es ganz viel zu bereden. Da ging es um die Familie. Da ging es natürlich um die Entwicklung der Kinder und es ging sehr, sehr viel um Isolationsgefühle und Einsamkeit.
[Michaela Schmid, eine Mutter und ihre Tochter spazieren entlang einer Wiese.]
Also ein Kind in dieser Zeit zu bekommen und dann großzuziehen, das war eine sehr, sehr große Herausforderung für die Familien.
[Michaela Schmid und die Mutter sitzen auf einer Parkbank und unterhalten sich.]

Gabriele Steltner-Merz:
Es hat sich sehr stark herumgesprochen und deshalb bilden wir jetzt mit dem Ehrenamtsbüro Spazierpaten und Spazierpatinnen aus, die jetzt uns dabei unterstützen, diese ganzen Bedürfnisse der Familien abzudecken.
[Gabriele Steltner-Merz in der Interviewsituation. Michaela Schmid, Mutter und Kind aus der vorherigen Szene verabschieden sich.]

Verouschka Brandt
Ich habe über einen Newsletter der Freiwilligen Agentur von diesem Pilotprojekt erfahren und habe dann an einem Tag am Wochenende eine Fortbildung gemacht und kann jetzt als Spazierpatin einmal die Woche spazieren gehen.
[Verouschka Brandt in der Interviewsituation mit ihrem Kind im Arm. Daraufhin Bilder, wie sie mit ihrem eigenen Kind, einer anderen Mutter und deren Kind spazieren geht.]

Ivanka Madunic
Beim Spaziergang haben wir viel geredet, auch über privates Leben und auch über Pandemie. Und das hat mir auch geholfen. Und das war einfach schön, mit jemanden sich zu treffen. Und mit jemanden zu reden.
[Ivanka Madunic in der Interviewsituation. Ivanka Madunic, Verouschka Brandt und ihre Kinder spazieren einen Waldweg entlang.]

Verouschka Brandt
Es bringt ganz viel Leichtigkeit hinein. Man ist an der frischen Luft, man läuft, man kriegt den Kopf frei, es ist auf Augenhöhe und es ist einfach eine schöne Sache, eben weil man dabei draußen ist.
[Ivanka Madunic, Verouschka Brandt und ihre Kinder spazieren durch verschiedene Gegenden und unterhalten sich.]

Michaela Schmid
Also das Angebot wurde sehr, sehr gut angenommen. Man hat richtig gemerkt, ja, das ist es jetzt, was es braucht.
[Michaela Schmid in der Interviewsituation.]

Gabriele Steltner-Merz
Im Lockdown und in den Zeiten von Pandemie haben wir durch diese Stadtteil-Spaziergänge den Eltern zeigen können oder zeigen das noch, dass sie eben nicht alleine sind.
[Gabriele Steltner-Merz in der Interviewsituation. Ivanka Madunic und Verouschka Brandt beim Spaziergang zeigen beide auf etwas in der Ferne und unterhalten sich.]

Michaela Schmid
Also ich will das auch auf jeden Fall weiter beibehalten. Das nehme ich unter anderem aus der Pandemie mit, dass dieses Aufsuchende auf jeden Fall irgendwas sein wird, was mir bleibt in der Arbeit mit den Familien, weil das einfach eine andere Stimmung schafft.
[Weitere Szenen der Spaziergänge von Verouschka Brandt und Ivanka Madunic sowie Michaela Schmid und der Mutter.]
[Titelbildschirm. Danach Ein- und Ausblendung "Sieben Fragen an… Gabriele Steltner-Merz". Ein- und Ausblendung der Frage: "Was waren die wichtigsten Schritte, um die Zusammenarbeit mit Eltern während der Pandemie zu ermöglichen und zu verbessern?"]

Gabriele Steltner-Merz
Mit der Pandemie hat sich die Zusammenarbeit mit den Eltern natürlich verändert. Bisher kamen die Eltern vorwiegend zu uns ins Familienzentrum, und wir mussten natürlich überlegen "Jetzt können die Eltern nicht mehr zu uns kommen, also gehen wir zu ihnen". Das heißt, unsere bisherigen Methoden und Formate, die wir so entwickelt haben, die mussten jetzt, also, die griffen nicht mehr, sondern wir mussten uns neue Methoden überlegen und uns sozusagen auch ein bisschen Mut zur Lücke, Dinge ausprobieren. Dieses Ziel "Wir müssen zu den Eltern gehen", wie macht man das? Und was brauchen die? Wir haben auch die Eltern direkt gefragt, was sie brauchen, jetzt in der Pandemie von uns? Und sozusagen auch die Perspektive ändern, also immer vom Kind aus denken, immer von den Familien aus denken. Und so kamen wir auf die Idee, Spaziergänge für die Familien anzubieten. Das heißt, das war eine konkrete Maßnahme. Wir sind dann erst mal sozusagen, haben das ausprobiert, aber immer wieder reflektiert, ausprobiert, reflektiert und so weiter, bis so ein Konzept entstanden ist.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Welche Überraschungen gab es in dieser Zeit?"]
Was uns sehr überrascht hat in dieser gesamten Zeit, dass es eine unglaubliche Resonanz gab. Innerhalb von einem Jahr waren das über 300 Spaziergänge, die unsere Koordinatorin dann mit den Eltern oder vorwiegend mit den Müttern und ihren Kindern durchgeführt hat. Und es entstand dann so ein Gefühl von Solidarität. Die Eltern, die wir aufgesucht haben, die haben dann im Grunde Treffen auf den Spielplätzen für andere organisiert und dann fingen die an, sich gegenseitig zu unterstützen. Es hatte so einen Synergieeffekt, der sehr berührend war, sehr solidarisch war.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was sind wichtige Erkenntnisse, bzw. Erfahrungen, die Sie gemacht haben?"]
Es gab natürlich eine Menge von Erfahrungen und Erlebnissen und Erkenntnissen, die wir in der Zeit machen durften. Und ich sage jetzt mal so, die größte Erkenntnis, die wir so alle sammeln konnten, war, dass die die größten Grenzen liegen im eigenen Kopf und nicht irgendwo anders. Und man muss immer wieder die eigene Rolle hinterfragen. Und nicht sich darauf versteifen, oder wie soll ich sagen? Also, das ist mein Job, das ist meine Rolle. Und ich muss das nicht tun. Natürlich. Aber es ist einfach auch die Aufgabe, gerade in solchen Zeiten, die eigene Rolle noch mal neu zu hinterfragen. Und das ist dann doch meine Aufgabe. Es gibt aber auch so einen Erkenntnisprozess: Es geht immer was. Ja, also so mit diesem Problembewusstsein zu arbeiten, das bringt uns nicht weiter, sondern eher mit dem Bewusstsein, "es geht immer irgendwas". Und das hat uns im Grunde jetzt auch so über die weitere Zeit in der Pandemie getragen. Das hat so ein bisschen die Zukunft bereichert, dass wir gemerkt haben, okay, es geht immer was, wir gucken, wie das möglich sein kann, welchen Rahmen es braucht, probieren das aus, reflektieren das. Also eher dieses ganze System nochmal, wie wir Konzepte entwickelt haben, dass wir sehr viel offener sind, dass wir uns auch an andere Themen jetzt heranwagen, so kleinschrittig, sodass es immer einen Gewinn hat für die Familien hier in diesem Stadtteil.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Mit der "Kopfstandmethode" gefragt: Was hätten Sie tun müssen, damit die Idee gescheitert wäre?"]
Wenn wir natürlich im Büro sitzen geblieben wären und diese Macht der lähmenden Gewohnheit zugelassen hätten und die eigene, sagen wir, etwas ältere Rolle als Privileg gesehen hätten, dann wäre das so nicht passiert. Also wir sind tatsächlich rausgegangen und haben wirklich noch mal aus anderen Perspektiven gedacht.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie haben Sie die Spazierpaten -und patinnen auf ihre Aufgabe vorbereitet und unterstützt?"]
Es hat sich dann so entwickelt, dass die Resonanz so groß war, dass zwei Koordinatorinnen diese Spaziergänge nicht mehr anbieten, also in der Summe nicht anbieten konnten, also den Bedarf nicht erfüllen konnten. Und dann sind wir auf die Idee gekommen, wir könnten ja Spazierpatinnen und Spazierpaten ausbilden. Und dann haben wir so ein Projekt mit dem Ehrenamtsbüro der Stadt Maintal entwickelt. Und dann gibt es jetzt so ein kleines Konzept und die haben Ehrenamtlerinnen beworben für diese Idee und es sind jetzt sieben Spazierpatinnen ausgebildet, die jetzt im Grunde das gleiche machen wie unsere Koordinatorinnen und diese Spaziergänge auch in anderen Stadtteilen anbieten. Das beginnt in der Regel mit einem persönlichen Gespräch und dass man erst mal, so, mit wem hat man es zu tun? Und auch was reizt die Person an dieser Aufgabe? So dann gibt es so etwas wie eine Basis Schulung. Die haben wir entwickelt und da geht es im Großen und Ganzen darum, was braucht die Spazierpatin für diese Arbeit, für diese Aufgabe, aber eben auch wo liegen so ihre persönlichen Grenzen? Was ist so die eigene Motivation? Warum will ich jemanden helfen? Wie gehe ich mit Ablehnung um? Wie gehe ich mit Nähe und Distanz um? Wo sind, wann darf ich auch nein sagen? Also dass man sozusagen so ein bisschen den Rahmen baut, dass die sich so ein bisschen was ist ihre Rolle, dass man sich auch so ein bisschen reinfühlt. Dann wird ein gemeinsames Treffen organisiert mit der Mutter. Meistens sind das Mütter. Und der Spazierpatin. Da lernt man sich kennen und dann guckt man erst mal passt das auch so ein bisschen emotional? Können die sich gut riechen? Ja, also würde das gut passen? Weil es ist natürlich auch immer so ein bisschen, man geht ja auch in so ein Familiensystem rein und dann braucht man auch erst mal so ein Gefühl, mit der Person könnte das gutgehen. Dann muss man wirklich permanent die Spazierpatinnen begleiten. Die können mit allen Fragen sozusagen zu unserer Koordinatorin kommen und da geben sich natürlich sozusagen, also, da werden Situationen besprochen, da werden Grenzen noch mal besprochen, da werden sozusagen auch Ängste oder alle Fragen werden in so einer permanenten Begleitung, finden da ihren Raum. Und das ist auch sehr wichtig. So, und einmal im Quartal gibt es ein Quartalstreffen mit allen Spazierpatinnen und den Koordinatorinnen und dann gibt es tatsächlich, so werden Fälle noch mal durchgesprochen, dann gibt es auch noch mal die Möglichkeit, dass die Spazierpatinnen sich untereinander austauschen und eben auch das Thema Neugewinnung. Und so weiter. Also es ist dann ein bisschen größer gestrickt.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was sollten Einrichtungen oder Bündnisse beachten, die sich mit dem Ansatz befassen?"]
Wenn man jetzt so ein Projekt multiplizieren möchte, also so was übernehmen möchte, worauf sollte man besonders achten? Also unsere Erfahrungen sind, dass die Spazierpatinnen, die begleiten so eine Familie und das sind keine Besserwisser. Also die sollen auch nicht sozusagen in so eine Rolle reingehen, sondern das ist das auf gleicher Augenhöhe, erst mal zuhören, sich als Zuhörerin anbieten, wohlwollend, wertschätzend, also auf gleicher Augenhöhe und das muss man, glaube ich, manchmal ein bisschen lernen. Es braucht in jedem Fall einen Rahmen. Also es braucht eine permanente Begleitung für diese vielen, vielen Fragen, die in der Praxis entstehen. Es braucht so eine Grundschulung und eben auch so einen Rahmen. Wir haben sehr intensive Erfahrungen gemacht. Es ist schon fast ein bisschen intim, wenn die Mütter aus ihren Familienleben erzählen während der Pandemie. Und deshalb müssen diese Spaziergänge auf einem neutralen Boden stattfinden und nicht sozusagen in der Wohnung der Familien, sondern es sollte neutral sein. Und auch, dass man sich gemeinsam bewegt, sorgt immer dafür, dass man so ins Gespräch kommt und dass man das auch vielleicht nicht mehr ganz so schwer nimmt. Aber es reicht auch, wenn man sich ein- bis zweimal pro Woche trifft. Also auch nicht jeden Tag. Manchmal müssen sich Dinge auch setzen und man muss noch mal drüber nachdenken auf beiden Seiten. Man muss als Spazierpatin absolut zuverlässig sein. Also, "wir machen das mal heute und nächste Woche ist mir das Wetter zu schlecht, dann machen wir das mal lieber nicht", das geht nicht. Absolute Zuverlässigkeit. Wir sind immer da und auch proaktiv. Also auch, wenn die Mütter dann manchmal selber so ein bisschen "hmm", dass man trotzdem wohlwollend wertschätzend anruft und sagt, sich schon wieder anbietet. Also, dass die merken, okay, also da meint es wirklich jemand richtig gut mit mir und dann entsteht so ein Vertrauen. Also, es ist eine sehr feinschrittige, sehr einfühlsame Art, die da sehr wichtig ist.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Werden Sie die aufsuchende Arbeit auch in Zukunft beibehalten – und wenn ja, warum?"]
Überhaupt diese aufsuchende Arbeit war nicht unbedingt bisher vor Pandemien Zeiten unserer Schwerpunkt, sondern wir haben uns als Familienzentrum in so einem Stadtteil eher entwickelt als Anlaufstelle für alles, damit die Eltern einen Ort haben, wo sie sich treffen können und wo ihnen geholfen wird. Und das haben wir jetzt verändert. Also wir gehen jetzt eher in so eine aufsuchende Arbeit mit rein und wir werden das auch nach der Pandemie so weiterführen, weil die Erfahrungen, die wir gemacht haben, sehr, sehr positiv waren. Und ohne die Pandemie hätten wir uns, hätten wir so ein Format möglicherweise nicht entwickelt. Das ist jetzt sozusagen das, was gut an solchen Zeiten sind, wo man eher die Krise spürt, dass man eben andere Sachen entwickeln kann. Es hat einen hohen Lerneffekt und es ist schon fast so, dass wir denken, dass wir früher doch ganz schön eng gedacht haben und jetzt so uns freimachen auch für andere Themen in der Zukunft. Es eröffnet einfach andere Möglichkeiten, wenn man es schafft. Und es gibt auch so eine Form von Entspannung. Also interessanterweise, und man wird sehr einfühlsamer für die Dinge. Ja, das war's. Danke schön.
[Ein- und Ausblendung des Themas "Praxis-Impuls "Trägerübergreifende Bündnisarbeit für gute Qualität in der Frühen Bildung" Bündnis "Monheim für Kinder", Monheim am Rhein (Nordrhein-Westfalen)". Eva Wingerter Knoke erscheint.]

Eva Wingerter-Knoke
Zwischen den beiden Rheinmetropolen Düsseldorf und Köln liegt die Stadt Monheim am Rhein. Dort leben etwa 43.000 Menschen. Mit ihrem Slogan "Hauptstadt für Kinder" positioniert sich Monheim sehr deutlich als familien- und kinderfreundliche Kommune. Unterfüttert wird dieser Anspruch unter anderem durch ein trägerübergreifendes Bündnis aller Einrichtungen der frühkindlichen Bildung mit dem Namen "Monheim für Kinder", das 2021 beim Deutschen Kita Preis mit einem zweiten Platz ausgezeichnet wurde. Seit 2018 arbeiten alle Monheimer Kitas als Familienzentrum und werden durch die Stadt entsprechend gefördert. Als Grundlage und Handlungsorientierung dient ihnen ein gemeinsam erarbeitetes Präventionsleitbild, das einen wichtigen Baustein für die Monheimer Präventionskette bildet. Mit dem Bündnis "Monheim für Kinder" gelingt es der Stadt Monheim seit Jahren, eine lebendige Bildungslandschaft zu gestalten, bei der die Kinder und ihre Familien mit ihren jeweils besonderen Lebenssituationen im Mittelpunkt stehen. Das Bündnis zeichnet sich durch klare und professionelle Strukturen aus, die zugleich auf Teilhabe und Mitbestimmung aller Beteiligten ausgerichtet sind. So werden in die Bündnisarbeit alle Träger und Fachkräfte, aber auch Kultureinrichtungen und weitere Akteure einbezogen. Im folgenden Film stellen wir Ihnen das Bündnis Monheim für Kinder und seine beeindruckende Arbeit kurz vor. Im Anschluss berichtet Gerlinde Knisel-Scheuring, die Leiterin der Abteilung Frühkindliche Bildung der Stadt Monheim, wie es gelingen kann, ein großes trägerübergreifendes Netzwerk zu knüpfen und mit diesem in der Kommune einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung der frühen Bildung zu leisten.
[Ein- und Ausblendung Titelbildschirm.]

Gerlinde Knisel-Scheuring
Herzlich willkommen in Monheim am Rhein, der Hauptstadt für Kinder. Wir sind ein Bündnis von 24 Kitas von sieben Kita Trägern.
[Drohnenaufnahme von Monheim von oben. Aufnahme des Rheins. Ein Bus mit Werbung für Monheimer KiTas fährt vorbei. Gerlinde Knisel-Scheuring im Interview.]
Für das Ziel des gesunden Aufwachsens spielt natürlich Bewegung eine ganz große Rolle.
[Kinder spielen auf dem Hof eine Kindergartens. Einzelne Kinder werden gezeigt, wie sie über Hindernisse hüpfen.]

Kind 2
Heute haben wir einen schönen Parkour.
[Ein Mädchen und ein Junge. Das Mädchen spricht zur Kamera.]

Mitarbeiterin 1
Das Jugendamt hier im Haus der Chancen ist eine ganz wichtige Anlaufstelle für alle unsere Monheimer Familien, aber natürlich auch für unsere Bündnispartner, die Kitas und die Träger der 24 Monheimer Kindertagesstätten.
[Kinder hüpfen durch die Parkour-Hindernisse. Das Haus der Chancen von außen. Die Mitarbeiterin in der Interviewsituation. Die Mitarbeiterin, Gerlinde Knisel-Scheuring und ein weiterer Mitarbeiter sitzen an einem Tisch und reden.]

Gerlinde Knisel-Scheuring
Eine weitere wichtige Säule ist der Kinderschutz, dass wir die Kinder in ihren Rechten bestärken, weil wir eben sagen "ein Kind, was seine Rechte kennt, kann für seine Rechte auch einstehen".
[Ein Mitarbeiter fährt einen kleinen Wagen mit Paketen zu einer Sitzgruppe von Kindern und Erwachsenen. Auf einem Schild auf dem Wagen steht "Qualitätssiegel – präventiver Kinderschutz". Erwachsene und Kinder öffnen die Pakete und nehmen Bücher heraus.]

Kind 3
Wir haben auch heute ein neues Buch bekommen.
[Der Junge zeigt das aufgeklappte Buch.]

Mitarbeiter
Um die Kita Rechte auch in den Kitas präsent zu machen, haben wir ein Büchlein entwickelt, welches ohne Sprache auskommt und die zentralen Rechte der Kinder illustriert.
[Der Mitarbeiter von vorher steht mit dem Buch neben dem kleinen Wagen. Verschiedene Kinder lesen im Buch.]

Kind 4
Den Spielplatz, den Spielplatz kenn ich.
[Der Junge zeigt in das Buch.]

Gerlinde Knisel-Scheuring
Uns ist wichtig, dass die Kinder sich wohlfühlen, willkommen sind und das Gefühl haben "Das ist tatsächlich meine kinderfreundliche Stadt".
[Kinder und eine Betreuerin werden einzeln und zusammen gezeigt. Sie sitzen im Kreis und schauen in das Buch.]
[Ein- und Ausblendung des Titelbildschirms. Einblendung von "5 Fragen an… Gerlinde Knisel Scheuring, Abteilungsleiterin Frühkindliche Bildung der Stadt Monheim am Rhein." Ein- und Ausblendung der Frage "Was sind die wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen, die Sie bei der Bündnisarbeit gemacht haben?"]
Die wichtigste Erfahrung, die wir im Netzwerk machen, ist, dass wir uns aufeinander verlassen können. Unser trägerübergreifendes und stadtweites Netzwerk gibt uns in der täglichen Arbeit Rückhalt. Das Wissen um die weiteren Akteure im Netzwerk entlastet die Kita Leitung. Sie weiß, wo sie Rat und Hilfe findet, an wen sie sich bei Fragen wenden kann. Oder sie holt sich diese Hilfe in ihre Kita, an den Ort, der den Eltern vertraut ist. Von einem gut aufeinander eingespielten Netzwerk profitieren die Eltern von Anfang an. Wir machen hier in Monheim am Rhein Begrüßungsbesuche in den ersten Lebensmonaten des Kindes oder wenn Eltern nach Monheim zuziehen. Und dann erfahren sie bei diesen Besuchen eben von allen Angeboten, die es für Familien oder rund um Familien hier in Monheim gibt. Und Sie erhalten einen Begrüßungordner. In dem haben wir einfach alles zusammengefasst, was das Netzwerk für Familien bietet. Und so können die Familien von Anfang an in diesem Netzwerk auch partizipieren. Und sie erfahren natürlich auch, wie sie einen Betreuungsplatz in Kita oder Kindertagespflege erhalten können. Und dann sind sie natürlich auch ganz intensiv ins Netzwerk eingebunden.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Welche drei Tipps würden Sie Akteuren und Akteurinnen geben, die sich gemeinsam auf den Weg machen?"]
Gute Qualität im Netzwerk bedeutet vor allem, dass die unterschiedlichen Netzwerkpartner und -partnerinnen voneinander wissen und dass sie die Aufgaben des jeweiligen Partners kennen. Das heißt, jeder Akteur im Netzwerk beschreibt seine Funktion, seine Leistung für Familien und eben die Zugänge dahin. Und diese Informationen laufend zu aktualisieren und bekannt zu machen, das wäre mein erster Tipp in Monheim. Hier in Monheim haben wir den Beratungs-Wegweiser für Fachkräfte erstellt. Mein zweiter Tipp wäre, sich stets zu vergegenwärtigen, dass es diese Netzwerkpartner und -partnerinnen gibt, dass sie hilfreich sind, dass ich eben nicht alleine für alle Fragestellungen und Probleme von Familien zuständig bin, sondern dass ich eben übergreifend denken kann und handeln kann. Und dass ich eben ganz konsequent die Netzwerk Partnerin mit einbeziehe beziehungsweise an sie abgebe. Und das trägt entscheidend zum Gelingen des Netzwerkes bei. Ja, und mein dritter Tipp ist die Erkenntnis, dass dazu im hohen Maße auch gehört, anzuerkennen, dass die Netzwerkpartner und -partnerinnen ihren eigenen Auftrag haben und diesen bestmöglich erfüllen. Oftmals vielleicht mit Methoden, die ich vielleicht selber so nicht gewählt hätte. Oder auch mit Gesetzmäßigkeiten, die sich aus einer anderen Profession oder eben auch einer anderen Organisationsstruktur ergeben. Und dass ich aber Vertrauen in eben meine Netzwerkpartner habe. Und dieses Vertrauen in die Netzwerkstrukturen überträgt sich dann auch auf die Familien. Und so fühlen sie sich rundum gut unterstützt.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was würden Sie im Rückblick anders oder noch einmal genauso machen?"]
Also hier in Monheim am Rhein war die räumliche Fokussierung zunächst auf das Berliner Viertel. Das ist ein Viertel, in dem sehr viele Familien von Armut bedroht sind und betroffen sind. Und ausgehend von dem Ansatz, dass die Kitas eben den besten Zugang zu den Familien haben, weil die Kinder eben in der Kita ja schon sind, haben sich die Kitas im Berliner Viertel zusammengeschlossen, haben sich zu Familienzentren weiterentwickelt und haben eben in ihrem Netzwerk sich ausgetauscht, sich gegenseitig Rat und Hilfe gegeben und davon profitiert. Und haben das eben dann ja auch so weit weitergeführt, dass sie Zugang zu den Akteuren oder sich Unterstützung bei den Akteuren im Stadtgebiet geholt haben. Ganz wichtig war ihnen der Zugang zu den Bildungsinstitutionen Musikschule, Kunstschule zum Beispiel, aber eben auch, dass sie die Familien unterstützt haben, Zugang zu Sozialleistungen zu kriegen, Sozialleistungen abzurufen, als zum Beispiel das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt wurde, das BuT. Und da haben sie die Familien unterstützt, daran zu partizipieren, die Leistungen auch abzurufen und eben Unterstützung anzubieten, eine Lotsen-Funktion einzunehmen. Das war das erklärte Ziel des Netzwerks. Und die in diesen Familienzentren, in diesem ersten Netzwerk geleistete Arbeit hat sich natürlich dann auch auf die anderen ein Stück weit übertragen, hat ausgestrahlt und alle wollten auch Teil des Netzwerks werden. Das war eine sehr schöne Entwicklung und wir haben dann im Jahr 2017 eben das auch auf alle Kitas und alle Kita Träger ausgeweitet. Die Erweiterung wurde von starkem kommunalpolitischen Rückenwind begleitet und durch die Gründung der kommunalen Abteilung "Frühkindliche Bildung" im Jahr 2015 unterstützt. Und der Entwicklung und Veränderungsprozess konnte dadurch sehr gut begleitet werden und der Dialog mit den Einrichtungen vorangebracht werden. Die Kitas als Orte für Kinder und ihre Familien in den Mittelpunkt zu stellen, war der Ausgangspunkt und aus meiner Sicht auch der Schlüssel zum Erfolg. Und wenn ich mir den Weg so angucke, ja dann würde ich es einfach wieder so machen.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie gelingt es Ihnen, das Bündnis am Leben zu halten?"]
Ja, viele oder eigentlich alle Akteure wissen um die Vorteile des Bündnisses und erfahren dies in ihrer praktischen Arbeit. Und auch jetzt, in Zeiten des Corona-Abstandes, also wo Abstand gehalten werden musste und Distanz eben war, war auf das Bündnis Verlass und wir haben Mittel und Wege gefunden, uns digital zu treffen, uns gegenseitig zu unterstützen und eben trotzdem im Bündnis und im Netzwerk aktiv zu sein. Für die Eltern war es sehr hilfreich, eben auch Rat und Hilfe zu finden und eben immer wieder jemanden zu haben, wo sie sich hinwenden können und der ja Rat und Hilfe wusste. Und ja, uns ist gelungen, aufgrund der guten Erfahrungen, auch der langjährigen Zusammenarbeit, das Bündnis am Leben zu halten. Und ich glaube, das trägt uns auch weiter.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Wie gelingt es Ihnen, Ihr Bündnis krisenfest zu gestalten?"]
Ja, Krisen zu bewältigen oder eben auch in Krisen ein starkes Netzwerk zu haben, gelingt durch die Bündniskoordination. Es ist ganz wichtig, dass sie eben feste Strukturen garantiert, feste Termine und Absprachen. Die Bündniskoordination organisiert die regelmäßigen Treffen. Hier werden die aktuellen Themen besprochen und wie man am besten darauf reagieren kann. Und meine Erfahrung zeigt, dass es ganz entscheidend ist, die Offenheit, die eben bei der Lösungssuche, ja, da ist, und dass viele Meinungen erstmal Geltung haben und dass das alles zusammengetragen wird. Aber ich als Bündniskoordination habe dann auch die Aufgabe, diese Meinungen so weit zu bündeln, dass sie in eine Rahmenkonzeptionen zusammengefasst werden und dass eben eine Orientierung dadurch gelingt. Diese Orientierung lässt aber allen Akteuren trotzdem Spielraum für eigene individuelle träger- oder auch einrichtungsspezifische Umsetzung. Wichtig und entscheidend ist gelebte Teilhabe und Partizipation. Ja, eine Akteurin im Netzwerk kann ich da ganz gut zitieren, weil sie schön zusammengefasst hat, worum es geht, dass sie sagt, es ist etwas Besonderes, dass wir wirklich gemeinsam Dinge bearbeiten und trotzdem eine bunte Vielfalt erleben. Dass wir ein gemeinsames Monheimer Handlungskonzept haben, aber jede Monheimer Kita dieses individuell und Kitaspezifisch umsetzt, sodass es eben für die Familien gut passt und auch für das Team. Ja, das trägt uns durch und in den Krisen.
[Ein- und Ausblendung der Titelkarte "Praxis-Impuls "Inklusion und sprachliche Bildung als Bausteine guter Kita-Qualität", Kita Waldsternchen, Seddiner See (Brandenburg)" Die Moderatorin Eva Wingerter-Knoke erscheint.]

Eva Wingerter-Knoke
Die Kita Waldsternchen liegt am Waldrand der Gemeinde Seddiner See in Brandenburg und gehörte im Jahr 2019 zu den zehn Finalisten des Deutschen Kita Preis. Sie engagiert sich im Programm "Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" des Bundesfamilienministeriums. Seit 2020 ist die Kita Waldsternchen Konsultations-Kita für das Land Brandenburg. Der folgende Film gibt einen kurzen Einblick in die Arbeit der Kita Waldsternchen. Die Kita Leiterin Katrin Breitag und die Sprachpädagogin Danae Esser stellen das Selbstverständnis der Einrichtung und ihren Ansatz der inklusiven Sprachbildung vor. Sie erzählen, warum und wie die Fachkräfte der Kita einen ganzheitlichen Inklusionsgedanken leben und diesen mit sprachlicher Bildung für alle Kinder verbinden, zum Beispiel durch den Einsatz sogenannter "Persona Dolls". Anschließend berichtet die stellvertretende Leiterin und Heilpädagogin Susanne Jimenez über ihre Erfahrungen und welche Rahmenbedingungen gute inklusive Sprachbildung benötigt. Lassen Sie sich inspirieren.
[Ein- und Ausblendung des Titelthemas. Man sieht die Kita Waldsternchen von außen.]

Katrin Breitag
Wir sind die Kita Waldsternchen im brandenburgischen Seddiner See. Wir sind eine inklusive Kita, eine Sprach-Kita und jetzt ganz neu auch eine Konsultations-Kita.
[Das Logo der Kita von Nahem. Fünf Kinder freuen sich und springen hoch. Ein Junge tritt ein paar Bälle aus einem kleinen Bällebad.]
Wir sind ein großes, multi-professionelles Team, das sich liebevoll um 162 Kinder kümmert.
[Ein Kind greift in eine Tasche und holt einen Plastikball heraus. Katrin Breitag in der Interviewsituation.]
Inklusion bedeutet in unserer Kita, die große Vielfalt der Gesellschaft zu erleben und gemeinsam zu leben.
[Eine Betreuerin sitzt mit einem Jungen und Spielzeug am Tisch. Eine Betreuerin zeigt Kindern gymnastische Übungen.]
In der Umsetzung der Inklusion ist es wichtig, dass dieser Vielfalt der Gesellschaft auch die Vielfalt an pädagogischen Mitarbeitern in der Kita gegenübersteht. Eben ein multi-professionelles Team, das ganzheitlich für alle Kinder zur Verfügung steht.
[Ein Kind wirft ein durchsichtiges Tuch über ein anderes Kind, das lacht. Eine Betreuerin und ein Kind laufen durch ein Labyrinth aus Sportmatten. Kinder sitzen gemeinsam am Tisch. Kinder spielen mit Sand.]
Uns ist es besonders wichtig für alle Kinder, entsprechend ihrer Bedürfnisse, sprachliche Angebote zur Verfügung zu stellen, sie zu unterstützen. Und aus diesem Grund sind wir auch Sprach-Kita und haben eine eigene Sprachpädagogin, die das Angebot der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung noch unterstützt.
[Katrin Breitag in der Interviewsituation. Eine Betreuerin zeigt Kindern den Tagesplan.]

Danae Esser
Wir sehen sprachliche Bildung nicht als isolierten Prozess, sondern es ist einfach eine Aufgabe, die im ganzen Kita-Alltag umgesetzt wird und von allen pädagogischen Fachkräften umgesetzt wird.
[Eine Betreuerin und Danae Esser gehen mit Kindern in einen Raum. Sie sitzen im Kreis und die Betreuerin gestikuliert und spricht mit den Kindern. Danae Esser in der Interviewsituation.]
Da ist es uns besonders wichtig, auch selbst gutes Sprachvorbild zu sein für die Kinder und ein großes Repertoire an Methoden zur Verfügung zu haben, wie zum Beispiel Bildkarten zur visuellen Unterstützung, aber auch Gebärden zur Unterstützung der Kommunikation, damit alle Kinder teilhaben können.
[Danae Esser sitzt auf einem Stuhl im Interview, neben ihr die beiden "Persona Dolls". Bildkarten werden gezeigt. Die Betreuerin zeigt den Kindern, wie sie mit beiden Händen ein "Dach" formt.]
Wir haben eine ganz spezielle schöne Methode, die bei den Kindern sehr, sehr gut ankommt. Das ist die Arbeit mit den Persona Dolls. Das sind hier die Puppen mit echter Persönlichkeit beziehungsweise mit selbstentworfener, lebendiger Biographie.
[Danae Esser neben den "Persona Dolls". Die Puppen werden einzeln von nahem gezeigt.]
Guten Morgen. Guck mal, da ist ja die Isabelle. Oh, das ist ja toll. Sie hat sich schon so gefreut, dass sie heute mal zu euch kommen kann.
[Danae Esser kommt mit Isabella in den Raum mit den Kindern. Ein Kind wird lachend gezeigt.]
Isabella und Frederick kommen zu den Kindern zu Besuch und kommen mit den Kindern ins Gespräch. Und zwar beginnt die Persona Doll selbst von sich zu erzählen und dadurch animiert sie die Kinder dann auch eben von ihren Interessen und Erlebnissen und Persönlichkeitsmerkmalen zu erzählen.
[Danae Esser, Isabella und die Kinder sitzen um ein ausgebreitetes buntes Tuch mit Bechern. Danae Esser neigt sich mit ihrem Kopf zu Isabella runter, um ihr "zuzuhören". Ein Kind macht Handzeichen in Richtung Isabella.]
Du warst erst im Garten und da hast du Verstecken gespielt mit Verena? Das ist ja toll.
[Danae Esser neigt sich wieder zu Isabella und hört ihr zu.]
Ich finde das sehr angenehm, dass man jetzt nicht mit verstellter Stimme sprechen muss. Diese Bella ist jetzt keine Puppe, die animiert ist, die selbst spricht, sondern es funktioniert so, dass ich in meiner Rolle bleiben kann, ganz entspannt als pädagogische Fachkraft und dann meinen Kopf zu ihr hin neige und höre, was sie vermeintlich spricht und das dann den Kindern sage.
[Ein Kind schaut auf eine Karte. "Das ist Verena" und das Bild einer Puppe stehen auf dieser Karte. Das Kind gibt die Karte an ein anderes Kind weiter. Danae Esser mit Isabella auf dem Schoß in der Interviewsituation.]
Und dann wolltest du gerne ein Picknick machen im Garten?
[Danae Esser mit Isabella auf den Schoß spricht zu den Kindern im Sitzkreis.]
Jede Persona Doll hat ein ganz besonderes Persönlichkeitsmerkmal, einen sogenannten Vielfaltsaspekt. Also Isabella spricht zweisprachig, italienisch und deutsch. Also das ist die Mehrsprachigkeit. Und Frederik sitzt im Rollstuhl und kann von Geburt an nicht laufen.
[Kinder werden einzeln und im Ganzen gezeigt. Danae Esser und die Kinder halten sich im Kreis an den Händen. Isabella und Frederik werden einzeln gezeigt.]
Die Arbeit hat tatsächlich was Magisches. Also erst mal ist es so, dass es mir selbst unheimlich viel Freude bereitet. Die Kinder nehmen Isabella so, als wäre sie ein echtes, lebendiges Kind. Also sie können sich mit ihr identifizieren. Sie können Gemeinsamkeiten erkennen, aber auch Unterschiede feststellen. Und das macht diesen ganzen Spannungsbogen auch aus. Also wer ist sie? Was hat sie für Vorlieben? Wie bin ich eigentlich? Da ist unheimlich viel Gesprächspotenzial da.
[Danae Esser in der Interviewsituation. Zwei Kinder umarmen Isabella abwechselnd und schauen in die Kamera.]
Sie fühlen sich so angenommen und so gesehen wie sie sind mit all ihren Persönlichkeitsfacetten. Wie auch immer sie da sind, sie werden so angenommen.
[Die Kinder haben Eier aus Plastik in der Hand und schütteln diese. Danae Esser in der Interviewsituation.]
Und sie lernen, sich in einer Gruppe auszudrücken, einfach zu erzählen, wie es ihnen selber geht, aber auch zuzuhören. Sie werden gestärkt in ihren emotionalen, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten.
[Die Kinder und Danae Esser im Sitzkreis schütteln die Plastikeier in ihren Händen und lachen. Danae Esser wird in der Interviewsituation gezeigt, erst alleine, dann mit den Persona Dolls.]
[Ein- und Ausblendung Titelbildschirm. Danach Ein- und Ausblendung einer weiteren Titelkarte "4 Fragen an… Susanne Jiménez, stellvertretende Leiterin der Kita Waldsternchen in Seddiner See. Ein- und Ausblendung der Frage "Auf welche Meilensteine in der Qualitätsentwicklung an Ihrer Kita sind Sie besonders stolz?" Susanne Jiménez spricht zur Kamera.]

Susanne Jiménez
Unsere Kita Waldsternchen ist bereits seit 2013 Sprach-Kita. Sprach-Kita zu werden war für uns der erste Schritt dahin, den Kindern und ihren Bedürfnissen auf besondere Weise zu begegnen. Wir konnten durch unsere Sprachpädagogin, als zusätzliche Fachkraft Sprache, unser Bildungsangebot deutlich erweitern. Seitdem beschäftigt sich unser Team mit der Umsetzung der sprachlichen Bildung im Alltag und konnte diese in unser Einrichtungskonzept verankern. Seit 2015 befindet sich unsere Kita zusätzlich auf dem Weg zu Inklusion. Wir tun dies als Pilotprojekt des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Unser erster Meilenstein in dieser Zeit war es, als Kita herauszuarbeiten, was Inklusion in der Praxis überhaupt bedeutet, welche Rahmenbedingungen wir brauchen und wie wir arbeiten möchten. Wir haben dazu unser Team ins Boot geholt und haben geschaut, ob wir diesen Weg gemeinsam gehen können. Mit Hilfe von Kinderwelten, unter der Leitung von Petra Wagner, wurden wir zum Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung geschult. Jede Fortbildung war mit neuen Erkenntnissen verbunden und das Team hat eine sehr starke Entwicklung vollzogen. Die Haltung und der Blick auf all unsere Kinder, auf unsere Arbeit und unser Miteinander haben sich maßgeblich verändert. Dies ist insbesondere in der Sprache und Kommunikation untereinander und mit den Kindern zu merken. Das Ergebnis dieser Entwicklungsphase ist unser Handbuch für Inklusion, das unsere heutige Arbeitsgrundlage bildet. Die Aspekte daraus haben wir auch in unserem Qualitätsstandard verankert. Seit 2020 sind wir nun mit Stolz Konsultations-Kita für das Land Brandenburg. Diese Aufgabe ist für uns sehr bedeutend, da wir dadurch die Chance haben, unsere Arbeit und unseren Ansatz der Inklusion verbreiten zu können. Das Feedback der uns konsultierenden Einrichtungen ist enorm positiv.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Welche Rahmenbedingungen sind aus Ihrer Sicht erforderlich, um gute Qualität in der Kita zu gewährleisten?"]
Neben der Arbeit im Team war und ist die stetige Auseinandersetzung mit dem Landkreis prozessbeherrschend. Das Ergebnis ist eine neue Form der Finanzierung für unsere heilpädagogischen Hilfen und unserer Arbeit, wodurch wir die Rahmenbedingungen in unserer Einrichtung maßgeblich verändern konnten. Nur mit diesen neuen Rahmenbedingungen ist Inklusion ansatzweise möglich. Im Rahmen unserer Arbeitsgruppen-Treffen mit dem Landkreis haben wir für unsere heutigen Arbeitsbedingungen gekämpft. Der Landkreis, genauer gesagt das Amt für Soziales und Wohnen, mussten erst verstehen, dass die bisherigen Konzepte der Kostenübernahmen überhaupt nicht dem Gedanken und Sinn von Inklusion entsprechen. Kinder müssen nach den bisherigen Finanzierungskonzepten in den Status behindert oder von Behinderung bedroht eingestuft werden. Dann erhalten sie eine Fallgruppe und eine Fallzeit oder eine Förderzeit, die ihnen zugeteilt wird. Dies ist für den Kita Alltag überhaupt nicht praktikabel. Heilpädagogische Begleitung muss bedarfsgerecht erfolgen und kann bei einem Kind von Tag zu Tag variieren. Wir können nicht sagen, dass ein Kind insgesamt vier Stunden Förderbedarf hat und dann kommt eine Heilpädagogin für vier Stunden in die Gruppe und hilft dem Kind. Sondern wir müssen situativ schauen, wann das Kind Förderung und Begleitung im Alltag braucht. Das kann von Tag zu Tag, von Woche zu Woche und von Situation zu Situation variieren. Dazu müssen Heilpädagoginnen immer vor Ort sein und ein Teil des Kita Alltages und nicht nur punktuell zu bestimmten Förderzeiten da sein.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was bedeutet es für Sie, Inklusion in all ihren Aspekten zu leben, und was braucht es dafür?"]
Der diagnostische Prozess, den Kinder bislang für die Eingliederungshilfe durchlaufen, ist weder inklusiv noch bedarfsgerecht. Denn es gibt einfach unzählige Kinder, die nicht in das Schema behindert oder von Behinderung bedroht passen, die einfach keine Diagnose haben. Diese Kinder gehen nach den heutigen Finanzierungsmodellen leer aus. Sie fallen durch das Raster. Aber auch Kinder, die eine Beeinträchtigung haben, leiden unter dieser permanenten Begutachtung. Sie fühlen sich anders und sie fühlen sich nicht gut genug, weil sie einfach Förderung brauchen. Es muss zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass Heilpädagogen vor Ort sind und für alle Kinder da sind. Denn viele Eltern wollen und können sich auch gar nicht auf den Weg der Beantragung machen. Sie befürchten eine Stigmatisierung ihres Kindes und dass ihr Kind eine Art Label bekommt, das es sein Leben lang trägt, wodurch die Schullaufbahn geprägt ist und die Zukunft des Kindes. Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder irgendwie anders sind oder einen Förderbedarf haben. Sie wollen, dass die Kinder in ihrer Individualität gesehen werden und ihre Entwicklung individuell unterstützt wird. Die heilpädagogische Begleitung und Förderung sowie auch die Elternberatung muss den Kindern und Familien ohne Umwege zur Verfügung stehen. Nur so kann Inklusion funktionieren, denn jedes Kind kann an irgendeiner Situation in eine Krise geraten und auch dann müssen Hilfen kurzfristig da sein. Wir haben daher für unsere Pauschalfinanzierung gekämpft und haben das große Glück, dass wir nun eine Form von Mischfinanzierung haben. Diese Mischfinanzierung aus einem Teil von Pauschale und aus einem Teil Kinder mit Eingliederungshilfe ist für uns der größte Meilenstein auf dem Weg zu Inklusion.
[Ein- und Ausblendung der Frage "Was sind Ihre Erfahrungen im Umgang mit den "Persona Dolls", die an Ihrer Kita eingesetzt werden, und wie reagieren die Kinder darauf?"]
Wir sind auf diese Arbeit besonders stolz und haben sie inzwischen seit vielen Jahren in unseren Alltag eingebunden. Zwei dieser Persona Dolls, welche Puppen sind, die eine eigene Biographie haben, kommen ganz regelmäßig zu den Kindern. Dabei sprechen die Persona Dolls nicht direkt mit den Kindern, so wie man es von typischen Handpuppen kennt, sondern sie reden, sie flüstern der Kollegin, die sie begleitet, ins Ohr und geben so die Themen in die Gruppe rein. So kann ne pädagogische Fachkraft, kann sich die pädagogische Fachkraft ganz auf ihre Rolle konzentrieren und mit den Kindern in den Dialog gehen. Für die Kinder entsteht so die Möglichkeit, die Person Doll kennenzulernen und sich über ihre Lebenserfahrungen auszutauschen. Die Kinder finden so Gemeinsamkeiten und Unterschiede und gehen in den Austausch. Sie erfahren etwas über faires und unfaires Verhalten und ihr kritisches Denken wird angeregt. Jede Persona Doll hat einen bestimmten Vielfaltsaspekt, den sie ausdrückt. Zum Beispiel hat unsere Persona Doll, die Isabella heißt, den Vielfaltsaspekt der Zweisprachigkeit. Sie kommt aus einer italienischen Großfamilie und spricht Deutsch und Italienisch. Die andere Persona Doll ist der kleine Frederik, der von Geburt an nicht laufen kann. Er hat somit den körperlichen Aspekt der Vielfalt mit sich. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass für die Kinder diese Besuche der Persona Dolls ganz bedeutend sind und sie sich darauf freuen, wenn die Stunden mit den Persona Dolls jetzt anstehen. Sie fragen nach, wenn Isabella oder Frederick wieder zu Besuch kommen. Und für sie ist es ganz wichtig, dass diese Methode immer wieder und regelmäßig eingesetzt wird. Die Kinder lernen so auch ganz viel über den sozialen Umgang miteinander. Die Begegnungen sind immer sehr wertschätzend und es ist wichtig, dass die Kinder so auch erfahren, dass sie ausdrücken dürfen, was sie mögen und was sie nicht mögen und dass alles ganz achtsam begleitet wird. Jedes Kind wird in seinem ganzen Wesen so bestärkt, wie es ist, und jede Person hat wirklich das Recht zu zeigen, welche Identität sie hat. Das Ziel unserer Arbeit ist es, den Kindern zu zeigen, welche Begabungen in ihnen schlummern. Sie sollen sich mit Stolz ihrer Identität bewusst sein und diese weiterentwickeln. Und wir wollen sie dabei stärken und auf den Weg begleiten.
[Ein- und Ausblendung des Titelbildschirms. Moderatorin Eva Wingerter-Knoke erscheint.]

Eva Wingerter-Knoke
Das war unsere kurze Deutschlandreise mit sechs Beispielen guter Qualität in der frühen Bildung. Ich finde, da waren viele Impulse dabei und ich hoffe, Sie können einiges daraus mitnehmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und tragen Sie mit dazu bei, dass alle Kinder in unserem Land die beste Bildung, Betreuung und Erziehung erhalten. Und das von Anfang an!
[Titelbildschirm wird eingeblendet. Weitere Informationen werden eingeblendet: "Praxis-Impulse "Gute Qualität in der KiTa". Ein Beitrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung im Programm "Impulse für gute KiTa" gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Praxis-Impulse finden Sie unter www.gute-kita-portal.de oder auf www.dkjs.de.]
[Weitere Informationen werden eingeblendet. Moderation: Eva Wingerter-Knoke. Redaktion: Caroline Heuer, Andreas Knoke-Wentorf, Carola Michaelis, Carsten Nillies, Carolin Och, Magdalena Pucko. Filmproduktion: Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz.]
[Die Logos des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung werden eingeblendet.]